Wenn allen klar ist, dass Polizeikräfte fehlen und dass Millionen Überstunden gemacht werden müssen, dann ist es umso verrückter, die vorhandenen Kräfte schlechter als vergleichbare Beamtinnen und Beamte in anderen Bundesländern zu bezahlen. Das ist der Maßstab.
Meine Damen und Herren, das ist die aktuelle Politik von Schwarz-Grün: zu wenig Personal, immer noch bundesweit die längste Wochenarbeitszeit, dafür kaum Besoldungserhöhungen. Herr Minister, dafür soll Sie der Landtag loben?
Wir sagen: Nein danke. Lob und Anerkennung für die Polizei sieht für die Mitglieder der LINKEN anders aus.
Erstens. Wir müssen herunter von der deutschlandweit längsten Arbeitszeit. Wir brauchen eine baldige Reduzierung der Arbeitszeit von 42 auf 40 Stunden pro Woche bei vollem Personalausgleich.
So hatten es im Übrigen die GRÜNEN im Wahlkampf auch versprochen. Das ist der Maßstab. Das hieße dann aber: Allein in diesem Jahr müsste es für die Reduzierung auf 41 Wochenstunden 330 zusätzliche Stellen geben. Es müssten 330 sein, nicht 90 und auch nicht 200. Es müssten 330 sein.
Zweitens. Herr Frömmrich, statt weiterer Einsparungen müssen die Tarifabschlüsse der letzten zwei Jahre nachgeholt werden. Sie können doch niemandem erklären, dass das Land Hessen 700 Millionen € Überschuss macht, aber dass Sie bei den Beschäftigten weiterhin kürzen wollen. Erklären Sie das einmal Ihren Beamtinnen und Beamten, bitte sehr. Das versteht niemand, auch über diesen Personenkreis hinaus, in diesem Lande.
Sie haben jetzt die Gelegenheit, bei der kommenden Tarifrunde tatsächlich Farbe zu bekennen. Sie könnten zu einem Abschluss kommen, der auch dem entspricht, was in den anderen Bundesländern für die Tarifbeschäftigten vorgenommen wurde. Sie könnten die Übertragung auf die Beamtinnen und Beamten gleich mit vornehmen, so wie die Gewerkschaften das fordern. Die Chance haben Sie. Aber ich sage Ihnen voraus: Auch diese Chance werden Sie wieder verpassen und vergeigen.
Sie haben die Beamtinnen und Beamten von der übrigen Gehaltsentwicklung und der Entwicklung des Landeshaushaltes abgekoppelt und zu Sparopfern gemacht. Damit muss Schluss sein.
Um aber nicht nur über den Minister zu schimpfen, will ich mich ausdrücklich an dieser Stelle seiner Meinung in zwei Punkten anschließen.
Erstens. Wir erleben derzeit eine entsetzliche Hetze gegen Flüchtlinge. Ein Flüchtling ist weder ein besserer noch ein schlechterer Mensch. Er lebt unter Umständen, die strafbare Konflikte untereinander wahrscheinlicher machen. Denn
Flucht hängt zwangsläufig mit prekären Lebensumständen, mit Not und oft mit Einreise ohne Papiere zusammen.
Klar ist aber auch, dass es bei Kriminalität keinen Rabatt gibt. Da Geflüchtete häufig selbst Opfer von Gewalt und Straftaten werden, gilt es, entschlossen vorzugehen.
Herr Minister, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie bei der Vorstellung der Kriminalstatistik öffentlich erklärt haben, dass auch nach Überarbeitung mit statistischen Methoden nicht feststellbar ist, dass Migranten krimineller als andere seien. Diese Feststellung ist wichtig und notwendig. Das will ich ausdrücklich betonen.
Der zweite Punkt, bei dem ich dem Minister recht gebe, ist: Hessen ist ein vergleichsweise sicheres Bundesland, und Deutschland ist eines der sichersten Länder überhaupt. Das ist gut so. Das ist uns auch etwas wert. Meine Damen und Herren, das muss man auch denen sagen, die unser Land ständig in düsteren Farben malen. Weil jedes Opfer einer Straftat ein Opfer zu viel ist, müssen wir alle ein Interesse daran haben, dass dies auch weiterhin Bestand hat.
Deshalb möchte ich auch der Polizei danken – nicht pauschal, wie es hier immer so gemacht wird. Leider dankt hier im Landtag jährlich niemand z. B. den Krankenschwestern, den Lehrerinnen und Lehrern, den Erzieherinnen und den Altenpflegerinnen. Niemand betont, wie gefährlich – besonders im Winter – der Beruf des Straßenwärters ist.
Ich möchte der Polizei danken, weil sie tagtäglich gute Arbeit leistet, was von der Öffentlichkeit weitgehend nicht wahrgenommen wird, und weil die Polizei stark gegen die rechte Szene vorgeht, die sich rasant entwickelt. In Rheinland-Pfalz wurden jüngst 155 kg Sprengstoff gefunden. Zwei bundesweite Razzien fanden wegen Bewaffnung und gegen die Reichsbürgerszene statt. Es werden Anklagen gegen mehrere rechtsterroristische Vereinigungen geführt. In der Öffentlichkeit dominiert leider die Wahrnehmung von Islamisten, weil von Islamisten potenziell gegen alle Menschen Gefahren ausgehen. Aber auch dieser Teil der polizeilichen Arbeit gegen rechts muss wahrgenommen, geführt und honoriert werden. Vielen Dank dafür.
(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Kommt der Linksextremismus auch noch? Dafür danken Sie bitte auch der Polizei an diesem Tag!)
Herr Bellino, ich will Ihnen einmal etwas zum Linksextremismus sagen, weil Sie mir gerade an dieser Stelle kommen.
Der Herr Minister hat vorhin von den Rändern der Gesellschaft gesprochen. Dann entnehme ich seiner Rede, welche Präventionsprogramme hier vorgenommen werden. Da gibt es Präventionsprogramme gegen rechts und gegen Salafisten. Es gibt keine – das wissen Sie ganz genau – gegen links, weil das nicht notwendig ist. Es gibt keine. Selbst
hier entsprechende Präventionsprogramme vorzulegen. Das hat auch die Anhörung zum Linksextremismus ergeben.
Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist immer wieder eine Gleichsetzung. Etwas mehr Differenzierung wäre an dieser Stelle angebracht.
Herr Bellino, ich würde jetzt gerne etwas Unparlamentarisches zu Ihnen sagen. Aber ich sage es nicht.
Real haben rechte Gewalt, rechte Straftaten, Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und Verfahren gegen den rechten Terror in absolut dramatischer Weise zugenommen. Herr Bellino, selbst Sie können nicht leugnen, dass es da eine Zunahme gibt. Jüngst wurde über einen Hassprediger aus Wiesbaden berichtet, der zum Mord an Politikern, zu Gewalt gegen Migranten und zur Bewaffnung deutscher Krieger aufruft. Wer zum Mord an Merkel und Martin Schulz aufruft, wer darüber hinaus auch noch massiv Zuspruch erhält und eine Volksbewaffnung gegen Migranten fordert und durchführt, der muss mit aller Härte daran gehindert werden. Nicht nur die Lehren aus dem NSU, sondern die realen Gefahren rechter Gewalt und Hetze müssen zu Konsequenzen führen. Herr Bellino, das ist konkret angesagt.
Wie immer in den vergangenen Debatten zur Kriminalstatistik möchte ich auch heute darauf hinweisen, dass sie nur Tatverdächtige erfasst. Ob diese Tatverdächtigen am Ende auch die Täter sind, geschweige denn, ob sie verurteilt
werden, und wenn ja, nach welcher Zeit und zu was – all das wissen wir nicht. Deshalb sage ich wie jedes Mal – so auch wieder im nächsten Jahr –: Herr Minister, die von Ihnen angeführte Aufklärungsquote ist irreführend. Wir wissen eigentlich nicht, wie es nach dem Verdacht weitergeht. Welche Delikte werden wie durch den Rechtsstaat verarbeitet? Das weiß keiner. Das kann sich aber nur ändern, indem wir endlich eine gemeinsame Verlaufsstatistik bei Polizei und Justiz einführen. Das sollte im 21. Jahrhundert auch in Deutschland möglich sein,
damit Polizeiarbeit noch erfolgreicher wird und die Hessinnen und Hessen noch sicherer leben können. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem das eben alles ein bisschen aufgeregt war, darf ich einmal versuchen, die Debatte auf ein etwas ruhigeres und sachbezogeneres Maß zurückzuführen. Ich will mich einmal mit den Tatsachen beschäftigen, um die es geht – auch mit den Tatsachen, die der Innenminister so nicht erwähnt hat.