Protokoll der Sitzung vom 21.02.2017

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem das eben alles ein bisschen aufgeregt war, darf ich einmal versuchen, die Debatte auf ein etwas ruhigeres und sachbezogeneres Maß zurückzuführen. Ich will mich einmal mit den Tatsachen beschäftigen, um die es geht – auch mit den Tatsachen, die der Innenminister so nicht erwähnt hat.

Insofern kann ich zunächst feststellen: Die Erfolge der Sicherheitskräfte in Hessen sind in der Tat nicht von der Hand zu weisen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die Aufklärungsquote ist auf über 62 % gestiegen – auch wenn sich das natürlich deutlich relativiert, wenn man feststellt, dass das vor allem aus den zusätzlichen Straftaten im Bereich des Aufenthaltsrechts resultiert. Hier liegt die Aufklärungsquote denklogisch bei 100 %. Aber selbst wenn man diese Fälle herausrechnet und das bereinigt, haben wir eine Aufklärungsquote, die um 1,5 Prozentpunkte gestiegen ist. Das ist eine positive Entwicklung. Besonders hervorheben will ich, dass dies für den Bereich der Einbruchskriminalität gilt. Man muss dazu sagen, dass diese Verbesserung auf einem niedrigen Niveau erfolgt ist, nachdem in den letzten Jahren die Zahl der Wohnungseinbruchdiebstähle kontinuierlich und teilweise erheblich angestiegen ist. Eine Aufklärungsquote von 21 % ist naturgemäß gering, auch wenn sie im Bundesländervergleich nicht ganz schlecht ist.

Ein anderer Punkt ist, dass die Straßenkriminalität zumindest statistisch zurückgeht. Ich glaube, ich bin nicht der Einzige, der sich fragt, ob das tatsächlich ein Rückgang ist oder ob das vielleicht auch etwas mit einem geringeren Anzeigeverhalten zu tun haben könnte. Das können wir nicht abschließend beurteilen. Wir haben auch festzustellen, dass die politisch motivierten Straftaten, insbesondere die Gewalttaten, wieder etwas rückläufig sind.

Meine Damen und Herren, auch wenn jede einzelne dieser Straftaten – oder überhaupt jede Straftat – zu viel ist, so zeigen die im Bundesländervergleich relativ geringen Fall

zahlen doch, dass auch Flüchtlinge in Hessen vor Übergriffen offensichtlich sehr gut geschützt werden können. Das halte ich für eine wesentliche Botschaft, gerade weil – richtigerweise – immer wieder berichtet wird, wenn es doch zu solchen Übergriffen kommt.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Holger Bellino (CDU))

Aufgrund der nicht unerheblichen Zahl von Propagandadelikten im Bereich der politisch motivieren rechten Kriminalität heißt es – da sind wir uns wohl einig –, hier weiterhin höchst wachsam zu bleiben. Diese Straftaten sind nicht einfach nur Straftaten, sondern sie sind ein Indikator dafür, was sich in der Szene tut und wie die Stimmung in der Szene ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund – das ist auch schon von allen Vorrednern gesagt worden – gilt es, der Polizei Dank zu sagen. Das alles sind Erfolge unserer Polizei.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Holger Bellino (CDU))

Das tue ich nicht nur vor dem Hintergrund, dass die Migrationsbewegungen an vielen Stellen zu zusätzlichen Belastungen geführt haben. Auch die Landesregierung hat erschwerende Bedingungen für die Polizei geschaffen – das kann man nicht wegdiskutieren –, erschwerende Bedingungen wie die Tatsache, dass es kein Zeichen von Wertschätzung ist, wenn man sich die Besoldungspolitik der schwarz-grünen Koalition vor Augen führt.

Das wird auch weiterhin an anderen Stellen Thema sein, etwa im Rahmen der Klageverfahren, die vom Deutschen Beamtenbund, von der Deutschen Polizeigewerkschaft und von der Gewerkschaft der Polizei betrieben werden. Ich will das hier nur am Rande erwähnen, weil wir an anderer Stelle sicherlich noch ausreichend Gelegenheit zur Debatte darüber haben werden.

Ich will aber auch sehr deutlich sagen: Das alles zeigt, dass die Kosmetik im Bereich der Überstundenvergütung oder der Dienstzulagen – so sinnvoll wie das im Einzelnen ist – schlicht nicht dazu geeignet ist, den grundlegenden Fehler dieser Koalition auszumerzen. Diese Kosmetik war leistungsfeindlich und hat der Motivation der Beamten sowie der Gewinnung des Nachwuchses einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei der FDP)

Das gilt für die Nullrunde 2015 genauso wie für die pauschale Vorfestlegung der schwarz-grünen Landesregierung auf eine Deckelung der Besoldungserhöhungen auf 1 % jährlich bis 2018. Das ist ein Verstoß gegen das Alimentationsprinzip und ein verfassungswidriges Sonderopfer der Beamtinnen und Beamten. Diese werden von der guten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abgehängt. Das ist den GRÜNEN egal. Ich habe das schon zur Kenntnis genommen. Umso höher – das sage ich allerdings auch sehr deutlich – ist die große Leistungsbereitschaft zu bewerten, die zu diesen guten Ergebnissen der Kriminalstatistik geführt hat und für die sich jetzt unangemessenerweise diese Landesregierung feiert.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der genaue Blick auf die Zahlen offenbart im Übrigen, dass nicht alles so rosarot ist, wie es der Innenminister gerne malen würde. Ein Kernproblem,

das offensichtlich ungelöst ist, ist der erhebliche Anstieg der Zahl der Straftaten ausländischer Intensivtäter. In der Folge der Vorfälle an Silvester 2015 werden nun auch erste Zahlen über die Kriminalität von Flüchtlingen ausgewiesen. Beunruhigenderweise bestätigt die Kriminalitätsstatistik, dass es dort zu einem erheblichen Anstieg von Straftaten gekommen ist.

Auf der einen Seite sind das relativ harmlose Dinge wie beispielsweise Taten im Bereich der Beförderungserschleichung. Diese ärgern uns zwar sehr, und diese müssen auch konsequent verfolgt werden, allein um zu zeigen, dass unser Rechtsstaat auch keine solchen Bagatelldelikte duldet. Viel schwerer ins Gewicht fallen jedoch die massiv angestiegenen Fallzahlen bei Diebstahl und bei Körperverletzungs- und Sexualdelikten, zu großen Teilen begangen durch Mehrfach- und Intensivtäter, begangen durch – ich zitiere das wörtlich, weil das ein Begriff der Statistik ist und nichts anderes – „Besonders auf- und straffällige Ausländer“, abgekürzt: BasA.

Meine Damen und Herren, diese Entwicklung bereitet uns die größte Sorge. Es ist nämlich schlicht nicht hinnehmbar, dass diejenigen, die vermeintlich Schutz in unserem Land suchen, in diesem Ausmaß Straftaten begehen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Holger Bellino und Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das ist nicht nur unzumutbar für unsere weltoffene und hilfsbereite Gesellschaft, sondern auch gerade gegenüber denjenigen nicht fair, die tatsächlich unseren Schutz und unsere Hilfe brauchen und sich – das will ich hier sehr deutlich sagen – zu einem ganz überwiegenden Teil rechtskonform in unserem Land verhalten und die Regeln und Gesetze achten.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, gerade um jede Art der extremistischen Instrumentalisierung von tatsächlich vorliegenden oder vermeintlichen Straftaten zu verhindern, ist es unerlässlich, nicht nur die größtmögliche Transparenz herzustellen und diese Fragen auch hier ganz offen anzusprechen, sondern auch über die bestehenden Missstände offen zu sprechen.

(Beifall bei der FDP)

An dieser Stelle will ich in aller Kürze ein weiteres Thema ansprechen. Die Zahl der Übergriffe auf Polizeikräfte steigt stetig. Bei nunmehr 3.500 Fällen im Jahr 2016, in denen Polizeibedienstete Opfer von Gewalttaten wurden, ist das auch gesellschaftlich nicht hinzunehmen. Ich sage sehr deutlich, das ist nicht nur nicht hinzunehmen, sondern das ist auch nicht hinnehmbar. Ich komme an anderer Stelle noch einmal auf dieses Thema zurück.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Innenminister hat sich auf die Grundsätze berufen, die der heutige Ministerpräsident und damalige Innenminister Bouffier vor 16 Jahren aufgestellt hat. Eine effektive Bekämpfung von Straftaten durch das Erweitern von Befugnissen und rechtlichen Instrumentarien der Polizei sowie eine verbesserte Ausstattung und Organisation der Sicherheitsbehörden seien das Gebot der Stunde. Daran haben wir in der Vergangenheit viel gearbeitet.

Meine Damen und Herren, wie sehen die Tatsachen aber heute aus? Das Eigenlob für die vermeintliche Leistung der Landesregierung dafür, dass Hessen tatsächlich ein siche

res Land ist, ist mindestens übertrieben. Viele wichtige Maßnahmen – das sollte man in aller Deutlichkeit auch hier zur Kenntnis nehmen – werden durch falsch verstandene Koalitionsdisziplin verhindert. Viele entscheidende Weichenstellungen für die Sicherheit in unserem Land bleiben so auf der Strecke.

(Beifall bei der FDP)

Diese Schwächen unseres Sicherheitsapparats sind nicht durch die Sicherheitskräfte verursacht, sondern rein politisch gemacht. Ich will ein paar Beispiele dafür nennen.

Die Landesregierung muss diese hochgefährliche Klientel viel konsequenter abschieben. Ein verhältnismäßig großer Anteil der genannten ausländischen Intensivstraftäter kommt, wie man nachlesen kann, aus Algerien und Marokko.

Der Innenminister lobt sich dafür, dass im gesamten vergangenen Jahr gerade einmal 100 von diesen besonders auffälligen ausländischen Straftätern abgeschoben worden sind. Dies sind Ausländer, die fünf oder mehr Straftaten innerhalb eines halben Jahres begangen haben. 100 davon wurden in ihr jeweiliges Herkunftsland zurückgeführt. Das ist ein schlechter Witz, wenn Sie sich vor Augen halten, dass wir heute etwa 2.500 solcher Intensivstraftäter in Hessen haben und dass von diesen etwa 2.500 nur 10 %, also 250, im Fokus der Ermittler stehen und nur 100 abgeschoben werden. Das ist eher ein Offenbarungseid, als dass man sich dafür loben kann.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das deckt sich leider mit den Zahlen, die wir für Hessen für 2016 und nun auch für das erste Halbjahr 2017 abgefragt haben. Bei den Abschiebungen gerade in die Maghreb-Staaten ist Hessen alles andere als gut aufgestellt. Leider hat sich dies auch durch die Auskünfte des Ministers auf unsere Fragen zur Razzia gegen die islamistische Zelle, von der heute schon mehrfach die Rede war, bestätigt.

Es stellt sich schon die Frage, warum der Straftäter Haikel S. überhaupt in Deutschland war. Es ist zwar zutreffend – wir haben das im Innenausschuss erörtert –, dass der Hauptverdächtige nicht länger in Auslieferungshaft behalten werden konnte, weil dafür die Frist abgelaufen war und die tunesischen Behörden nur unzureichende Unterlagen geliefert haben. Das hat das OLG so entschieden, und das ist so weit in Ordnung.

Völlig offen geblieben ist jedoch die Frage, weshalb dieser Haikel S. im Anschluss daran auf freien Fuß gesetzt wurde und man ihn Tag und Nacht observiert hat, statt ihn erst einmal in Abschiebehaft zu nehmen und sodann auszuweisen

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Frömmrich, da lohnt ein Blick ins Gesetz, das erleichtert meistens die Rechtsfindung –, was angesichts der offensichtlichen Gefährlichkeit ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Diese Frage hat der Minister bis zum heutigen Tage nicht beantwortet, weder im Ausschuss noch hier.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, ebenso konnten Sie nicht die Frage beantworten, ob und, wenn ja, welches Aufenthaltsrecht der

Verdächtige denn gehabt haben soll. Sollte er tatsächlich, wie es uns das Innenministerium bzw. das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft mitgeteilt haben, Anfang 2013 ausgereist und im August 2015 wieder eingereist sein, dann wäre seine Niederlassungserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz erloschen. Das ist eine ganz einfache Geschichte, Herr Frömmrich. Das können Sie nachlesen. Er hätte sogar ausgewiesen werden müssen. Er hätte nicht nur ausgewiesen werden können, sondern er hätte ausgewiesen werden müssen. Trotzdem setzte man ihn auf freien Fuß. Meine Damen und Herren, das kann man niemandem erklären.

(Beifall bei der FDP)

Ich will einen weiteren Punkt erwähnen, den man nicht oft genug in die Diskussion einbringen kann. Trotz der eindeutigen Zahlen, die uns die Kriminalstatistik liefert, gibt es immer noch keine Zustimmung des Landes Hessen zur Ausweitung der Zahl der sicheren Herkunftsstaaten. Meine Damen und Herren, obwohl der Innenminister seiner schwarz-grünen Koalition in der Polizeilichen Kriminalstatistik schwarz auf weiß aufgezeigt hat, dass es insbesondere bei Asylsuchenden aus den Maghreb-Staaten eine extrem hohe Quote an Intensivtätern gibt, sind CDU und GRÜNE nicht gewillt, ihre Blockadehaltung gegenüber der Erweiterung der Zahl der sicheren Herkunftsstaaten endlich zu überdenken.

(Beifall bei der FDP)

Dabei – Herr Kollege Frömmrich, das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen –

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

könnten die von solchen Bürgern der Maghreb-Staaten in fast allen Fällen nur vorgeschobenen Asylverfahren schneller abgeschlossen und deren Aufenthalt in Deutschland schneller beendet werden.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Problem ist doch, dass die Länder ihre Mitbürger nicht aufnehmen!)

Herr Frömmrich, wenn Sie etwas zu sagen haben, dann gehen Sie doch bitte ans Rednerpult und sagen etwas Substanziiertes. Beschimpfen Sie doch nicht immer nur die Opposition, sondern setzen Sie sich auch einmal mit den Fakten auseinander.