Protokoll der Sitzung vom 30.03.2022

(Lachen Günter Rudolph (SPD))

womit die Bedarfe der Eltern am schnellsten befriedigt werden können. – Das könnten Sie an dieser Stelle vielleicht noch einmal nachholen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich sage, der Pakt für den Nachmittag sei das Fundament, dann bedeutet dies auch, dass wir dort nicht stehen bleiben wollen, sondern wir haben uns vorgenommen, den Pakt für den Nachmittag in einen Pakt für den Ganztag weiterzuentwickeln. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag:

Mit dem Pakt für den Ganztag sollen nun die Schulen die Möglichkeit erhalten, das Ganztagsangebot bis 14:30 Uhr auf ihren Wunsch hin auch als gebundenes oder teilgebundenes Modell auszugestalten.

Weiter heißt es: Den Pakt für den Ganztag einerseits und die teilgebundenen bzw. gebundenen „echten“ Ganztagsschulen mit entsprechendem rhythmisiertem Unterricht andererseits werden wir weiterentwickeln. – Sie sehen, das sind für uns also keine ausschließenden Kriterien, sondern wir wollen beides voranbringen.

Lassen Sie mich noch eines hinzufügen: Wir werden den Ganztag nicht nur im Grundschulbereich weiterentwickeln, sondern auch im weiterführenden Bereich; denn auch in diesem Bereich wollen wir die Ganztagsentwicklung weiterhin voranbringen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Werte Kolleginnen und Kollegen, von daher kann ich nur feststellen, dass der Antrag der SPD-Fraktion heute Morgen vor allen Dingen Trivialitäten voranbringt. Natürlich wollen wir den Ganztag in ganz Hessen, sowohl auf dem Land als auch in der Stadt, weiter voranbringen. Sie haben heute Morgen keine neue Idee für den Ganztagsausbau auf den Weg gebracht. Das ist ein bisschen schade, aber wir bedanken uns trotzdem für die Möglichkeit, heute noch einmal unsere Perspektiven für den Ganztagsausbau vorzustellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Vielen Dank, Kollege May. – Das Wort hat nun Abg. Moritz Promny. Moritz, bitte.

(Günter Rudolph (SPD): Der Spuk ist ja nun nächstes Jahr vorbei! Dann müssen wir es halt richten! – Gegenruf Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten): Genau!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Recht auf ganztägige Bildung und Betreuung kommt; und das ist auch gut so.

(Beifall Freie Demokraten und SPD)

Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Erstens: mehr Förderung. Zweitens: Der Ganztag stärkt die Integration und Inklusion. Drittens: „Doppelverdiener sind die neue Normalität“ – so titelte jedenfalls die „Welt“ schon 2019. Fakt ist: In immer mehr Familien sind beide Partner berufstätig; und das Recht auf Ganztagsbetreuung ist für Familien wichtig, insbesondere für Frauen. Nur so können wir weiterhin entsprechend gewährleisten, dass auch sie ihrer Berufstätigkeit nachgehen können, wenn sie das möchten. Noch immer setzen viele Eltern aus oder gehen von Vollzeit in Teilzeit, nur weil sie keine Betreuung haben. Bei

der Ausgestaltung der Ganztagsangebote ist für uns Freie Demokraten eines klar: Wir wollen, dass die Wahlfreiheit erhalten bleibt.

(Beifall Freie Demokraten)

Zur Wahrheit gehört aber auch dazu, dass der Elternbedarf steigt und dass eine Trendwende in diesem Zusammenhang nicht erkennbar ist. Deshalb müssen wir uns jetzt auf den Weg machen, um das Recht auf Ganztagsbetreuung im Jahr 2026 auch sicherstellen zu können. Und da zeigt sich auch schon der erste Dissens zwischen der Opposition und der Regierung. Wie bereits in der letzten Debatte hat die Koalition erneut einen nichtssagenden Begleitantrag eingereicht; und neben dem Fingerzeig auf den Bund und dem Hinweis, dass die vermeintlichen Plätze, die man jetzt geschaffen habe, zur Verfügung stünden, kommt nichts. Aber, meine Damen und Herren, liebe Kollegin Ravensburg und lieber Kollege May, wie viel man schon geschafft habe, ist nicht die Frage, die wir heute diskutieren.

(Zuruf CDU: Doch!)

Nein, das ist nicht die Frage, die wir diskutieren. Wir wollen nach vorne schauen.

(Beifall Freie Demokraten und SPD)

Die Frage, die sich stellt, ist wie beim Bergsteigen: Es hilft nicht, ständig darüber nachzudenken, wie viel man schon hinter sich hat, sondern es geht darum, wie viel man noch vor sich hat. Dazu haben Sie leider bis heute noch nichts Adäquates vorgelegt.

(Beifall Freie Demokraten und SPD – Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, Sie müssten einmal folgende Fragen beantworten: Wie viele zusätzliche Plätze sind denn überhaupt erforderlich, um den Bedarf zu decken? Und in welchen Etappen wollen Sie diese schaffen? Dazu haben Sie nichts gesagt. Wie kann allen Kindern und Eltern ein für sie passendes Angebot in ihrer Nähe gemacht werden; und wie wollen Sie die Qualität der Bildungsangebote überhaupt sicherstellen? Dazu haben Sie auch nichts gesagt.

Zu der ersten Frage hat Kollege Degen eine Studie des Deutschen Jugendinstituts und der TU Darmstadt erwähnt. Ich will hierauf auch im Detail eingehen, weil Kollegin Ravensburg recht hat, dass Wiederholung vielleicht an der einen oder anderen Stelle hilft. Also: Die Studie geht davon aus, wenn der Elternbedarf konstant bleibt, dass knapp 54.000 zusätzliche Plätze erforderlich sind. Steigt der Elternbedarf, geht man davon aus, dass sogar knapp 71.000 zusätzliche Plätze erforderlich sind. Das ist eine Mammutaufgabe. Das ist sozusagen ein Achttausender, der da vor uns liegt. Besonders schwer wird es, wenn es darum geht, wie dafür die Fachkräfte zu finden sind. Bei einem Personalschlüssel von 1 : 10 brauchen wir bei einem steigenden Elternbedarf 4.100 Fachkräfte zusätzlich – und das sind nur die Vollzeitäquivalente.

(René Rock (Freie Demokraten): Fachkräfte!)

Wenn man von einem hohen Anteil an Teilzeitkräften ausgeht, läge das natürlich noch viel höher. Wir haben aber in den letzten Monaten immer wieder darüber diskutiert; und deswegen erinnere ich hier ganz gerne noch einmal daran: Bei den Grundschullehrkräften haben wir schon jetzt einen massiven Mangel. An Hessens Schulen unterrichten knapp 1.900 Lehrkräfte ohne zweites Staatsexamen; und um die 250 Stellen sind bislang nicht besetzt. Sie wissen alle, dass

es bei den Erzieherinnen und Erziehern nicht viel besser aussieht. Auch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter stehen an unseren Schulen nicht gerade Schlange, meine Damen und Herren.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Gleichwohl leistet es sich die Landesregierung, jede Idee der Opposition einfach wegzuschmettern. Wertschätzung für das Grundschullehramt? – Fehlanzeige. Flächendeckende Vergütung für Erzieherinnen und Erzieher? – Offenbar nicht notwendig. Meine Damen und Herren, wir werden den Antrag der SPD in seiner Hauptforderung unterstützen. Wir brauchen jetzt ein Konzept, wie der Mehrbedarf an Plätzen und Personal gedeckt wird. Und ich würde dem Antrag der SPD gerne noch einen obendrauf setzen;

(Christoph Degen (SPD): Darüber können wir reden!)

denn es wäre natürlich interessant, und darum würde ich Sie bitten, den Umsetzungsstand jährlich in einem Bericht vorgelegt zu bekommen.

(Günter Rudolph (SPD): Eine gute Idee!)

Das wäre eine gute Idee. – Zudem müssen wir, da hat der Kollege Degen recht, alle Akteure an einen Tisch holen.

(Zuruf Christoph Degen (SPD))

Die Schulträger, die Träger der Jugendhilfe, kurzum alle, die sich konkret vor Ort mit der Umsetzung des Konzepts beschäftigen, müssen an einen Tisch.

Der zweite Punkt ist, ein passendes Angebot in der Nähe zu schaffen. Da sind wir noch lange nicht angekommen – noch lange nicht. Kollegin Ravensburg hat recht, 70 % der Grundschulen haben mittlerweile ein Ganztagsangebot. Ja, das klingt erst einmal nicht schlecht.

(Zuruf Claudia Ravensburg (CDU))

Ja, das klingt nicht schlecht. Aber davon sind im Schnitt 30 % Angebote des Pakts für den Nachmittag, Kollege May, knapp 27 % im Profil 1, 10 % im Profil 2 und 5 % im Profil 3. Ein flächendeckendes Angebot ist das nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall Freie Demokraten und SPD)

Hinzu kommt natürlich, dass es noch große Unterschiede zwischen den einzelnen Schulträgern gibt, was ja noch viel relevanter ist. Eine ehrliche und sachgerechte Bedarfsplanung muss in diesem Kontext immer die regionalen Besonderheiten berücksichtigen.

Zuletzt möchte ich noch auf einen wichtigen Punkt hinaus. Ausreichende Plätze sind gewissermaßen das Basiscamp. Wir wollen aber zum Gipfel. Das heißt, Kinder und Jugendliche müssen nicht nur betreut, sondern natürlich auch qualitativ hochwertig gefördert und ausgebildet werden. Dafür braucht es auch die entsprechenden Fachkräfte, und natürlich müssen auch die ausreichend aus-, fort- und weitergebildet werden.

Zugestanden, dass der Ganztag nun als Querschnittsthema im Lehrkräftebildungsgesetz aufgenommen wird, das ist ein erster Schritt.

(Christoph Degen (SPD): Ein kleiner!)

Ein kleiner. – Aber es ist ähnlich wie bei der Digitalisierung. Kollege Degen, Sie haben es gesagt: Das Papier ist geduldig. Es steht dann auf dem Papier; aber ob es tatsächlich zur Umsetzung kommt, ist eine ganz andere Frage.

Meine Damen und Herren, die Schwerpunktsetzung muss sich in den Angeboten zur Aus-, Fort- und Weiterbildung tatsächlich widerspiegeln. Es braucht gute Kooperationen in multiprofessionellen Teams, um dem Ziel der Chancengerechtigkeit ein Stück näher zu kommen. Es braucht klare Qualitätsstandards, die diesen Namen auch verdienen. – Vielen Dank.

(Beifall Freie Demokraten und SPD)

Vielen Dank, Kollege Promny. – Das Wort hat der Kultusminister, Staatminister Prof. Lorz. Bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine bedarfsgerechte und ganztägige Betreuung von Grundschulkindern mit dem entsprechenden pädagogischen Anspruch ist ein Beitrag sowohl für mehr Chancengerechtigkeit als auch für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und stellt damit auch eine wichtige Voraussetzung für die Gleichstellung von Männern und Frauen in unserer Gesellschaft dar. Das scheint mittlerweile weitgehend unbestritten zu sein – die AfD lasse ich einmal beiseite. Das ist schon einmal eine gute Botschaft, weil es die beste Grundlage für jene gemeinsame Kraftanstrengung ist, die wir brauchen, um jetzt den Rechtsanspruch auf diese Ganztagsbetreuung Realität werden zu lassen.

Aber, meine Damen und Herren, die Landesregierung brauchte diesen Rechtsanspruch nicht, um tätig zu werden. Wir sind auf diesem Weg schon sehr lange erfolgreich unterwegs. Das zeigt am besten ein Blick auf die Zeit, in der ich als Kultusminister die Verantwortung dafür getragen habe.

Lieber Kollege Promny, da Sie die Metapher vom Bergsteigen so sehr lieben: Der Weg, den man zurückgelegt hat, gibt jedenfalls bei gleichbleibender Höhe des Berges durchaus auch eine valide Auskunft darüber, wie viel noch vor einem liegt. Der Kollege Büger kann das mathematisch natürlich am besten erklären, aber ich glaube, das geht einfach per Subtraktion.