Trotzdem wird der ländliche Raum von der Politik deutlich vernachlässigt. Die Strukturpolitik, die Regionalentwicklung und die finanzielle Förderung konzentrieren sich auf einige wenige Großstädte. Das ländliche Hessen steht hintan. Es wird von der Landesregierung mit unübersichtlichen und kurzfristig ausgerichteten Aktionsplänen und viel zu knappen Förderprogrammen abgespeist. Man kann es auch so sagen: Die Projektitis ist wieder eingezogen.
Die Folge dieser Politik ist, dass die Kluft zwischen Stadt und Land weiter wächst. Wir, die Mitglieder der LINKEN, kämpfen für gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land. Wir stehen für eine konsequente Strukturpolitik zugunsten der ländlichen Räume.
Dazu braucht es zusätzliche Finanzmittel und eine dauerhafte, verlässliche Unterstützung für die vielen eigenen Initiativen vor Ort. Das Gemeinwohl muss im Zentrum stehen.
Was erwarten wir von einer neuen Landesregierung? Landes- und Regionalentwicklung muss so ausgerichtet werden, dass sie zu einer gleichmäßigen, gerechten Verteilung von Unternehmen, Arbeitsplätzen und Infrastrukturen in Hessen führt. Statt immer nur auf die Rhein-Main-Region zu schauen, wollen wir Finanzhilfen und Förderprogram
Alle Kommunen brauchen endlich ausreichende Finanzmittel, um öffentliche Leistungen erbringen und Investitionen tätigen zu können. Gerade Kommunen in ländlichen Räumen müssen Infrastrukturen auf großer Fläche oder für wenige Menschen bereitstellen.
Wir erwarten, dass die Straßenausbaubeiträge abgeschafft werden. Über einen Landesfonds werden den Kommunen ihre Einnahmeausfälle erstattet.
Auf dem Land muss man ohne Auto mobil sein können. Dafür brauchen wir einen zuverlässigen, barrierefreien öffentlichen Nahverkehr mit dichten Taktraten und mittelfristig den Nulltarif.
Bei den Radwegen ist in Hessen noch viel Luft nach oben. Wie hat der ADFC vor ein paar Tagen gesagt:
Gesundheit muss für alle erreichbar sein. Wir brauchen eine ordentliche Krankenhausplanung – die haben wir mitnichten –, flächendeckende Gesundheitszentren in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand, eine 1:1-Betreuung durch Hebammen und gute ambulante Dienste.
Wir brauchen ein gutes, bezahlbares, barrierefreies und klimagerechtes Wohnen. Das ist eine öffentliche Aufgabe, weshalb Grund und Boden in öffentlicher oder gemeinwohlorientierter Hand bleiben sollen.
Für eine gute Bildung braucht es eine gute und wohnortnahe Versorgung mit Grundschulen und eine gute Erreichbarkeit weiterführender Schulen.
Durch Anreize und strengere Regelungen werden die ökologischen Leistungen ländlicher Räume stärker geschützt. Es muss verhindert werden, dass ländliche Regionen weiterhin zur Entsorgung missbraucht werden, wie z. B. für schwach radioaktive Abfälle auf der Hausmülldeponie in Büttelborn.
Die Flächenversiegelung soll durch ein nachhaltiges Flächenmanagement bis 2030 auf null reduziert werden. Gute Ackerböden dürfen nicht mehr versiegelt werden. Ein öffentlicher Bodenfonds soll sicherstellen, dass diese Flächen zu niedrigem Pachtzins an ortsansässige Agrarbetriebe vergeben und umweltschonend bewirtschaftet werden. Die ländlichen Räume sind auch wichtig für die Energieerzeugung. Dies funktioniert aber nur unter Beteiligung der Bevölkerung.
Wir brauchen Breitband, Mobilfunk, öffentliche kostenlose WLAN-Netze und Freifunk-Angebote, natürlich auch die Geschäfte des täglichen Bedarfs wie auch ein kreatives und lebendiges Landleben mit allen Einrichtungen, die notwendig sind, wie Schwimmbad, Sportplatz, Kultur usw.
Wir wollen auch, dass die Bevölkerung auf dem Land möglichst viele Entscheidungen selbst trifft. Der Kampf
gegen rechte Hetze sowie Rassismus und andere Formen der Diskriminierung ist auch in ländlichen Regionen notwendiger denn je.
Am Schluss noch eine Bemerkung: Ich musste jetzt im Parforceritt durch die wichtigsten Punkte der ländlichen Entwicklung gehen. Fünf Minuten sind für dieses Thema zu wenig, liebe SPD. Wenn Sie sagen, das betrifft die Hälfte der Bevölkerung,
ist es eine schlechte Idee, die Hälfte der Bevölkerung in fünf Minuten abzukanzeln, und ich finde, das wird der Frage nicht gerecht.
Wenn Sie es nachlesen wollen: Wir haben eine schöne Broschüre zu diesem Thema herausgebracht, da können Sie alles Weitere erfahren.
Vielen Dank, Frau Kollegin Böhm. – Nächste Rednerin ist die Abg. Wiebke Knell, FDP-Fraktion. Bitte sehr, Wiebke.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der SPD dankbar, dass sie das Thema ländlicher Raum zur Aktuellen Stunde gemacht hat.
Meine Heimat ist Nordhessen. Ich komme aus einem 270Einwohner-Dorf in der Schwalm. Ich kenne sowohl die Vor- als auch die Nachteile des Lebens auf dem Land, und der ländliche Raum liegt mir am Herzen.
Gerade weil das so ist, lässt mich die Politik dieser Landesregierung so oft verzweifeln, weil diese Landesregierung den ländlichen Raum strukturell vernachlässigt hat – neun Jahre lang, und das auf ganzer Linie. Gerade von der Union hätte man anderes erwarten können.
Die CDU-Kollegen vor Ort erzählen ja, dass sie sich für die Interessen der Landbevölkerung einsetzen: für gute Bildung in der Fläche, für gute Straßen überall dort, wo das eigene Auto doch noch Verkehrsmittel Nummer eins ist, für eine vernünftige Agrarpolitik, für eine Forstpolitik mit der Praxis und für den Schutz des Jagdrechts vor ideologischen Angriffen. Das alles sind Ziele, die ich übrigens teile, aber leider erzählen Sie das nur im Wahlkreis und stimmen dann hier im Landtag immer genau gegenteilig ab. Das mache ich Ihnen zum Vorwurf.
Werte CDU-Kolleginnen und Kollegen, Sie haben ohne Not den GRÜNEN den ländlichen Raum in den Koalitionsverhandlungen geschenkt. Sie haben zweimal hintereinander den GRÜNEN den ländlichen Raum als Spielwiese überlassen.
Lieber Herr Pohlmann, ich habe Sie ja als netten Kollegen kennengelernt. Ich kenne auch wirklich gute Leute aus Diemelsee und denke, da weiß man eigentlich auch, wo der Schuh drückt. Aber bei dem, was Sie eben erzählt haben, habe ich wirklich meine Zweifel. Wenn Sie dann von der Gesundheitsversorgung und den tollen Krankenhäusern erzählen, von den Radwegen usw.: Sorry, aber das hat nichts, aber auch gar nichts mit der Realität zu tun.