Protokoll der Sitzung vom 23.03.2023

Vielen Dank, Kollege Richter. – Das Wort hat der Abg. Dr. Jörg-Uwe Hahn, FDP-Fraktion. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte vorgestern in der Fraktionssitzung der Freien Demokraten etwas scherzhaft gesagt: Wir überlegen manchmal, ob wir uns an Diskussionen zu Anträgen zu Aktuellen Stunden der AfD beteiligen. – Es wäre vielleicht ganz klug gewesen, wir hätten ausgemacht, dass wir uns an der Diskussion zu dieser Aktuellen Stunde der LINKEN nicht beteiligen.

(Zuruf Andreas Lichert (AfD))

Meiner Meinung nach gehört die Diskussion auch nicht hierher. Nach unserer Rechtsauffassung darf sie eigentlich gar nicht auf die Tagesordnung kommen, da der Staat – –

(Zurufe DIE LINKE: Oh! – Glockenzeichen)

Ich weiß, dass Sie mit Recht und Gesetz Ihre Probleme haben. Das beweisen Sie ja tagtäglich.

(Beifall Freie Demokraten – Zurufe DIE LINKE)

Dass Sie mit Recht und Gesetz Ihre Probleme haben, dass Sie sich zynisch darüber hinwegsetzen, wissen wir und haben das am Dienstagabend hier erlebt. Ihnen ist das egal,

Hauptsache, Sie können hier Ihre politische Propaganda machen. Dazu gehört auch diese Aktuelle Stunde.

(Beifall Freie Demokraten – Zurufe DIE LINKE)

Herr Schalauske, Sie haben sich hier beschwert, dass es Einschränkungen der Tarifautonomie geben würde. Ja, was machen Sie denn hier? Sie wollen doch die Tarifautonomie einschränken; sonst würden Sie doch nicht politischen Druck in einem staatlichen Organ organisieren wollen.

(Unruhe – Glockenzeichen)

Sie haben in Ihrer anscheinend spätkommunistischen Auffassung gar nicht verstanden, dass es ein Schutzrecht – –

(Heiterkeit und Beifall Freie Demokraten und AfD – Zurufe DIE LINKE)

Ich habe das Mikro. Sie können Ihre Aufregung auch ein bisschen kanalisieren. Sie können auch wieder irgendetwas hochhalten.

(Holger Bellino (CDU): Nein!)

Sie können es auch wieder posten gegen den Willen der Präsidentin – also ungenehmigt. Das kann man hier alles noch einmal abarbeiten. Nein, Sie halten sich nicht an Recht und Gesetz, und das machen Sie hier auch nicht.

Das Schutzinteresse der Tarifautonomie des Art. 9 in allen seinen drei Absätzen ist nämlich, dass sich der Staat zurückzuhalten hat und dass das Individuum oder das Kollektiv gegen den Staat Rechte hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind hier ein hohes Staatsorgan. Wir haben überhaupt nicht das Recht darauf. Wir verletzen es sogar, wenn wir uns mit der Tarifautonomie auseinandersetzen. Genau das machen Sie.

(Beifall Freie Demokraten – Zurufe DIE LINKE – Glockenzeichen)

Es ist Ihnen für Ihre – – Frau Kollegin, ich würde auch die Handgesten ein bisschen anders machen. Ich finde es unkollegial, dass Sie mir jetzt sozusagen den Vogel zeigen, wenn auch mit doppelter Hand.

(Jan Schalauske und Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Sie hat sich die Haare gerauft! – Weitere Zurufe DIE LINKE)

Ich halte das für nicht kollegial. Aber Sie lassen sich ja so schnell provozieren, weil Sie merken, dass Sie hier wieder einmal Recht und Gesetz missbrauchen.

Wir als Freie Demokraten, als Liberale sind für die Vereinigungsfreiheit. Wir sind für die Koalitionsfreiheit; und eine Folge derselben ist natürlich die Tarifautonomie. Wir sind dafür, dass die Rechte und Pflichten, wie sie in Art. 9, insbesondere Abs. 3, notiert sind, genau so eingehalten werden, wie sich das die Väter und Mütter des Grundgesetzes gedacht haben. Deshalb verstehe ich den Vorwurf von Herrn Schalauske gar nicht, es wären Einschränkungen geplant. Auch das zeigt juristisch wieder: sitzen bleiben.

(Elisabeth Kula (DIE LINKE): Hä?)

Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes hat einen Teil der Ewigkeitsgarantie; eine Veränderung der dortigen, fest notierten Artikel ist überhaupt nicht möglich. Das wird auch keiner machen können, weil er es nicht machen darf.

(Elisabeth Kula (DIE LINKE): Es wird darüber diskutiert!)

Ja, Sie haben erzählt, Sie hätten Bedenken, dass das Streikrecht eingeschränkt werden soll. Es kann überhaupt nicht eingeschränkt werden, weil wir in einem Rechtsstaat leben.

(Beifall Freie Demokraten und vereinzelt CDU – Zurufe DIE LINKE)

Herr Kollege Dr. Hahn, Kollege Gerntke wollte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. – Nein, gut.

Wir haben das vorhin schon mit der Besuchergruppe ausgetauscht, die aus Büdingen kommt, wo ich gesagt habe: „Tarifautonomie“, und wo er gesagt hat: „Die wird ja z. B. in der konzertierten Aktion ausgehöhlt“. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ein auf Augenhöhe stattfindendes Gespräch – und das ist die konzertierte Aktion – als Aushöhlung der Tarifautonomie angesehen wird, so weiß ich, welch Geistes Kind der Kollege Gerntke ist; deshalb lasse ich keine Zwischenfrage zu.

(Beifall Freie Demokraten – Zurufe DIE LINKE)

Wer in den Gremien sitzt, kann natürlich die Verantwortung als Arbeitgeber übernehmen, aber nicht der Hessische Landtag,

(Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten): Genau!)

sondern die Tarifpartner. Da gibt es kommunale, Landesund Bundespartner. Ich habe das Gefühl, dass die sich absprechen.

Deshalb eine letzte Bemerkung zu Ihnen, Herr Kollege. Ich weiß nicht, was das soll. Natürlich weiß ich, was es soll, wenn Sie sich hier aufbauen und gegen die Innenministerin der Bundesrepublik Deutschland polemisieren. Das ist abgesprochen in der Tarifkommission des Bundes, der Länder und der Kommunen. Da sitzen auch eine ganze Menge GRÜNE. Also lassen Sie bitte diese Polemik. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall Freie Demokraten)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Herr Innenminister, Staatsminister Peter Beuth. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will für die Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN noch einmal auf die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 des Grundgesetzes, das ist unsere Verfassung, zurückkommen. Das Grundgesetz schützt die Tarifautonomie. Die Tarifautonomie wird auch vor der Einmischung der Fraktion DIE LINKE geschützt.

(Holger Bellino (CDU): Gut so!)

Die Tarifpartner brauchen keine öffentlichen Ratschläge, so verlockend – Herr Kollege Martin – es manchmal

auch sein kann, einen solchen Antrag sozusagen dafür zu nutzen, um gegebenenfalls auch auf anderen politischen Ebenen Ratschläge zu geben. Nein, an dieser Stelle ist dies nach meiner Einschätzung nicht angezeigt. Wir haben selbstbewusste Partner, sowohl bei den Gewerkschaften als auch bei den Arbeitgebern; und diese werden am Ende einen Tarifvertrag miteinander vereinbaren, der über einen kurzen oder längeren Zeitraum, mit oder ohne Streiks, zustande kommen wird. Das wird am Ende die Tarifeinigung sein.

Schön ist an dieser Debatte, dass wir seitens des Landes aufgrund unseres eigenen Tarifvertrags zunächst einmal nicht betroffen sind. Deswegen nutze ich die Gelegenheit, jedenfalls an zwei Punkten darauf hinzuweisen, wo ich glaube, dass wir das Thema „Respekt und Anerkennung“, Herr Schalauske hat davon gesprochen, bereits in Hessen realisieren – mit unserem Respekt und unserer Anerkennung gegenüber unseren Kommunen.

Rüdiger Holschuh hat davon gesprochen, dass die kommunale Seite ausreichend finanziert sein müsse. Ja, das ist so. 96 % der Kommunen – Rüdiger – planen im Haushaltsjahr 2022 einen Ausgleich. Die Rücklagen der Kommunen liegen bei einer Größenordnung von 5,9 Milliarden €. Das ist im Moment die Lebenswirklichkeit in Hessen. Davon sind 4 Milliarden € allein bei den kreisangehörigen Gemeinden angesiedelt. Wir haben noch keine endgültigen Haushaltszahlen aus dem Jahr 2022, aber wir haben die Liquidität der Kommunen bereits abgefragt; und wir liegen bei einer Steigerung der Liquidität von 700 Millionen €.

(Jan Schalauske (DIE LINKE): Was ist mit dem Thesenpapier der Spitzenverbände? Kennen Sie das Papier zum Doppelhaushalt?)

Der Kommunale Finanzausgleich ist von 2022 bis 2023 von 6,4 Milliarden € auf 6,8 Milliarden € gestiegen. Die Gewerbesteuer im Jahr 2022 lag bei 7,2 Milliarden €. Dies ist eine Steigerung von 1 Milliarde €. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn hier die Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN und der SPD von schlecht finanzierten Kommunen sprechen, dann sprechen sie konsequent von Kommunen, die nicht in Hessen liegen, weil wir das bei uns in dieser Form nicht haben.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies haben wir deswegen nicht, weil wir als Land gegenüber unseren Kommunen die ganze Zeit über unsere Hausaufgaben gemacht haben: Schutzschirm mit 3,9 Milliarden €, Hessenkasse mit 5 Milliarden €, Offensive ländlicher Raum, Digi-Pakt oder „Starke Heimat“, jeweils über 2 Milliarden €. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Land Hessen kümmert sich ordentlich um die Kommunen. Die Kommunen haben eine eigene Aufgabe. Wir haben die kommunale Selbstverwaltung, aber dort, wo wir als Land gefragt sind, leisten wir nicht nur unseren Beitrag, sondern wir leisten einen herausragenden Beitrag zur Finanzierung hessischer Kommunen. Wenn Sie darüber sprechen, dass es die Kommunen schwer hätten, insbesondere in der Debatte um den Tarifvertrag, dann reden Sie möglicherweise über 15, vielleicht auch weniger, andere Bundesländer, jedenfalls nicht über Hessen. Das ist nicht angemessen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen zweiten Punkt sagen. Wir sind stolz darauf, dass wir einen eigenen

Tarifvertrag haben. Ich bin froh, dass das heute in dieser Debatte nicht mehr infrage gestellt worden ist, weil Sie mittlerweile erkannt haben, dass der Hessen-Tarifvertrag eben etwas Besonderes ist.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, besser ist!)