Protokoll der Sitzung vom 23.03.2023

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, besser ist!)

Mittlerweile ist es sogar so – vielleicht von Gewerkschaftstagen einmal abgesehen –, dass es in den Gesprächen mit den Gewerkschaften kaum noch eine Rolle spielt. Das ist auch klar, weil wir auch hier etwas leisten, was auf der Ebene der anderen Länder nicht stattfindet. Wir haben Kinderfreundlichkeit, wir haben Elternfreundlichkeit, wir haben Mobilität. Ich erinnere nur daran, dass wir das einzige Bundesland sind, das bereits seit Januar 2018 für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Landesticket hat. Wir haben einen Tarifvertrag, mit dem man Fachkräfte anlocken kann, wo Karriereperspektiven eine Rolle spielen, insbesondere in dem Bereich, den wir alle für sehr wichtig halten, dem IT- und Ingenieursbereich. Wir haben als einziges Bundesland eine Entgeltgruppe 16 im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst festgelegt. Wir haben so etwas wie Freizeit statt Geld, weil wir wissen, dass nicht immer das Geld die erste Rolle spielt, sondern auch andere Dinge.

Zum letzten Punkt, den ich ansprechen möchte. In unserem Tarifvertrag, den wir in Hessen mit selbstbewussten Gewerkschaften ausgehandelt haben, spielt sogar das Thema Ehrenamt eine große Rolle. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, diejenigen, die im Moment verhandeln, verhandeln zu lassen. Sie brauchen keine Ratschläge, wobei sie sich, wie ich Ihnen gerade gezeigt habe, an uns sicherlich ein Beispiel nehmen könnten. – Vielen Dank.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Staatsminister, vielen herzlichen Dank. – Es liegen und können keine weiteren Wortmeldungen vorliegen.

Damit ist die Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 80, abgehalten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 81 auf:

Antrag Aktuelle Stunde Fraktion der Freien Demokraten Bildungsgipfel ohne Hessischen Kultusminister – ausgestreckte Hand nicht ergriffen und Chance der Mitwirkung vergeben – Drucks. 20/10797 –

Für die Fraktion, die die Aktuelle Stunde beantragt hat, hat sich Kollegin Deißler gemeldet. Deshalb hat sie jetzt auch das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Erinnern Sie sich eigentlich noch daran, wie das damals in der Schule war, wie man das genannt hat, wenn man vom Unterricht einfach fernblieb? – „Blaumachen“, „schwänzen“ hat man das damals genannt. Im Duden steht dafür eine Definition, die ich ganz treffend finde. Sie ist so prägnant wie kurz: „dem Unterricht oder Ähnlichem fernbleiben, weil man gerade keine Lust dazu

hat“. Genau das haben Sie gemacht, Herr Lorz. Sie haben letzte Woche den Bundesbildungsgipfel geschwänzt.

(Beifall Freie Demokraten und SPD)

Anders lässt sich das nicht ausdrücken, tut mir leid. Man kann beim Schulschwänzen geteilter Meinung sein; nur, Ihre Meinung zum Schwänzen kenne ich. In einem „Zeit“Interview haben Sie im Kontext von „Fridays for Future“, damals hatten wir das mit dem Schulschwänzen immer mal wieder als Thema, gesagt – ich zitiere –:

Wer etwas bewegen will, muss dorthin gehen, wo die Entscheidungen getroffen werden,

(Zurufe Freie Demokraten: Aha!)

aha –

in Initiativen und Parteien. Das kann anstrengend sein, und es ist nicht damit getan, freitags ein paar Schulstunden zu schwänzen.

Ja, Herr Minister, dann haben Sie eine klare Auffassung zum Schulschwänzen. Es geht noch weiter; denn die Bundesbildungsministerin hatte angesichts des Lehrermangels gefordert oder zumindest einmal die Frage aufgeworfen, warum es eigentlich nicht „Fridays for Education“ gibt. Herr Lorz, das haben Sie dann ein bisschen despektierlich weggeräumt, indem Sie sagten – ich zitiere wieder –:

Als könnte man dem allgemeinen Fachkräftemangel mit Demonstrationen begegnen.

Ja, Herr Kultusminister Lorz, jetzt entgegne ich Ihnen: als könnte man den allgemeinen Herausforderungen in der Bildung mit Fernbleiben vom Bildungsgipfel begegnen.

(Beifall Freie Demokraten und SPD)

Das Wort „Herausforderung“ ist noch sehr gemäßigt. Denn worüber reden wir? Wir reden über defekte Schultoiletten. Wir reden über eine verschleppte Digitalisierung. Wir reden über fehlende Lehrkräfte. Wir reden über Schulverwaltungen, die am Limit sind. Wir reden über fehlenden Brandschutz. Wir reden über veraltete Lehrpläne, usw. Ich könnte bis heute Mittag weitermachen. Aber was passiert? Auf allen Ebenen – da müssen wir in diesem Haus einmal ehrlich zu uns sein – passiert eines: Der Bund zeigt auf die Kommune als Schulträger; diese sei dafür zuständig. Die Kommune sagt: „Für die fehlenden Lehrkräfte ist das Land zuständig“, und zeigt mit dem Finger in eine andere Richtung. Das Land wiederum zeigt jetzt, das machen Sie sehr gern, auf den Bund und sagt: Das Thema Digitalisierung ist seit dem Digitalpakt beim Bund verortet.

Die Bildungspolitik in Berlin läuft ein bisschen anders. Dort bringt man Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Und was ist die Antwort des Hessischen Kultusministers? – Er schwänzt, er bleibt dem Bildungsgipfel fern.

(Beifall Freie Demokraten und SPD)

Herr Lorz, ich bin gleich auf Ihre Antwort sehr gespannt; denn auch zu Gipfeln kann man geteilter Meinung sein. Es könnte ja sein, dass Sie irgendwie eine Abneigung gegen Gipfel haben. Aber so ist das gar nicht; denn 2015 fanden Sie das noch ganz prima. Damals fanden Sie sogar den Bildungsgipfel ganz prima.

(Zurufe Freie Demokraten: Ja!)

Ich sehe, Sie erinnern sich. – Damals hat der Hessische Kultusminister nämlich zu einem Bildungsgipfel eingeladen, 2015. Was war das Ergebnis? Das war ernüchternd. Vielleicht ist es Vergangenheitsbewältigung oder Rache, ich weiß es nicht. Das Ergebnis war zumindest ernüchternd; denn es gab kein gemeinsames Abschlussdokument. Das ist wirklich sehr ärgerlich. Also Flop auf allen Ebenen.

Der Gipfel des Gipfels war dann Ihre Reaktion darauf. Statt Demut zu zeigen und an dem Konzept etwas zu ändern oder einfach mit einem zweiten Versuch weiterzumachen – nein, Ihre Reaktion war, zu sagen, Sie hätten die Hände ausgestreckt, und keiner hätte sie angenommen. Wer hat Schuld? Das ist doch klar: die Opposition und die Verbände. Denen haben Sie das dann noch in die Schuhe geschoben.

(René Rock (Freie Demokraten): Hört, hört!)

Sie haben gesagt, eine ausgestreckte Hand müsse doch ergriffen werden,

(Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten): Aha!)

gewisse Verbände und die Opposition hätten hier eine Chance auf Mitwirkung vergeben. Herr Lorz, Sie haben eine Chance auf Mitwirkung vergeben. Sie haben die Chance zur Mitwirkung verpasst. Sie haben die ausgestreckte Hand der Bundesbildungsministerin nicht ergriffen. Eine Verbesserung der Bildungslandschaft muss hinter parteipolitischen Spielchen zurückstehen. Das ist so.

(Beifall Freie Demokraten)

Für uns Freie Demokraten ist bei dem Thema klar: Wir fordern, die Probleme in der Bildung müssen endlich gemeinsam angegangen werden. Es ist doch eben nicht so einfach, zu sagen: Die sind schuld, oder die sind schuld. – Die Probleme laufen doch ineinander. Gemeinsame Ziele und klare Schwerpunktsetzungen müssen doch formuliert werden. Das geht eben nur gemeinsam. Vor allem müssen alle Akteurinnen und Akteure ihre Verantwortung wahrnehmen und nicht einfach blaumachen oder schwänzen, sondern sie müssen auch dorthin gehen und die Hand, die ihnen entgegengereicht wird, ergreifen. – Vielen Dank.

(Beifall Freie Demokraten und vereinzelt SPD)

Vielen Dank Frau Kollegin Deißler.

Bevor ich Herrn Kollegen Scholz das Wort übergebe, begrüße ich auf der Tribüne unseren ehemaligen Landtagskollegen und Staatsminister a. D. Volker Hoff. Herzlich willkommen.

(Beifall)

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde der FDP-Fraktion mit dem Thema „Bildungsgipfel ohne Hessischen Kultusminister – ausgestreckte Hand nicht ergriffen und Chance der Mitwirkung vergeben“ verstehen wir wohl mehr als einen kläglichen Versuch zur Verteidigung ihrer Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger als einen Vorwurf gegenüber Kultusminister Lorz.

Wenn von den 16 Bildungsministern der Länder lediglich zwei, nämlich aus Hamburg und Berlin, der Einladung zu dem von der FDP-Bundesbildungsministerin sehr zeitnah anberaumten Bildungsgipfel Folge leisteten, dann erübrigt sich doch jeglicher Kommentar bezüglich der Qualität seiner organisatorischen Vorbereitung, oder?

(Beifall AfD)

Ja, die Sichtweise schlägt sich auch in den Bewertungen der Bildungsminister anderer Bundesländer nieder, und zwar über alle Parteigrenzen hinweg. CDU-Bildungsministerin Karin Prien aus Schleswig-Holstein sprach gar von einer „Showveranstaltung“ und traf damit, nach meinem Dafürhalten, den Nagel auf den Kopf.

Verehrte Kollegen der FDP, liebe Frau Deißler, bekanntlich hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus. Daher können wir zumindest nachvollziehen, wenngleich auch nicht gutheißen, dass Sie die FDP-Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft vor Kritik in Schutz nehmen. Ausdruck von Souveränität wäre es jedoch gewesen, offensichtliches Versagen bei der Organisation des Bildungsgipfels auch als ein solches zu benennen.

(Beifall AfD – Zuruf Lisa Deißler (Freie Demokra- ten))

Hier wurde kein Bildungsgipfel veranstaltet, sondern eher über Nacht ein Bildungshügel aufgeworfen. Die erwartungsgemäß sehr bescheiden ausgefallenen Ergebnisse der darauf folgenden regulären Kultusministerkonferenz stellten Sie, Herr Staatsminister, mit der derzeitigen KMK-Präsidentin Astrid-Sabine Busse von der SPD und Hamburgs SPD-Schulsenator Ties Rabe auf der anschließenden Pressekonferenz vor. Nicht nur das zugehörige Pressefoto in der „Tagesschau“ rundete das trüb-traurige Bild dieser Veranstaltung ab;

(Beifall AfD)

hier wurde, wie gewohnt, mitnichten gestaltet, sondern, wie gewohnt, die Misere in schöne und zugleich leere Begrifflichkeiten gehüllt. Gerade angesichts der gewaltigen Herausforderungen im deutschen Bildungssystem wäre ein starkes Signal des Aufbruchs dringendst geboten. Allein, die Helden sind müde geworden.

(Beifall AfD)

Sie haben sich verschlissen in gefühlt ewig langen und objektiv unnützen Kultusministerkonferenzen, Absichtserklärungen und bemühter Grimassenschneiderei im Scheinwerferlicht der Fernseh-Talkshows, meine Damen und Herren. Es ist daher keineswegs verwunderlich, dass bis auf einige maue Absichtserklärungen hinsichtlich einer größeren Vergleichbarkeit der Abiturprüfungen ab 2027 nichts Erwähnenswertes zu vernehmen war.

Liebe Altparteienvertreter, Sie halten aus guten Gründen Ihre Reihen dicht geschlossen; denn jegliche Kritik am existierenden Bildungssystem

(Zuruf René Rock (Freie Demokraten))