Protokoll der Sitzung vom 10.12.2020

Vorausschauend wäre es gewesen, wenn die Schulen klare Informationen bekommen hätten, ab welchen Inzidenzwerten welche Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn es wenigstens für die weiterführenden und die beruflichen Schulen Planungen und auch die technischen Voraussetzungen zum Wechselunterricht gegeben hätte.

Ich könnte noch zahllose weitere Beispiele anführen, was vorausschauend gewesen wäre. Ein Punkt ist mir aber so wichtig, dass ich noch darauf eingehen möchte. Der Zugang zu Impfungen muss tatsächlich global allen Menschen garantiert werden. Biontech, Moderna und all die anderen Pharmafirmen haben Milliarden Euro aus Steuergeldern erhalten, um möglichst zügig funktionierende Impfstoffe zu entwickeln. Das war vollkommen richtig. Ich würde mir wünschen, dass annähernd vergleichbare Mittel auch zur Bekämpfung anderer Krankheiten zur Verfügung stünden und dass nur ein Bruchteil der Mittel regelhaft für die Arbeit der WHO da wäre, damit sich diese aus der Abhängigkeit privater Geldgeber befreien kann.

(Beifall DIE LINKE)

Nun muss aber gelten: Was vorwiegend mit Steuermitteln entwickelt wurde, darf nicht so patentiert werden, dass es für den globalen Süden verschlossen bleibt. Ich möchte nicht erneut erleben, wie etwa bei den Therapiemöglichkeiten bezüglich HIV, dass Millionen Menschen nur aufgrund des Patentschutzes elendig zugrunde gehen. Was mit Steuermitteln entwickelt wurde, muss der gesamten Weltgesellschaft solidarisch zur Verfügung stehen.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Kollegin Böhm, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das mache ich. – Auch das ist eine gesellschaftliche Verantwortung, der wir uns alle zu stellen haben. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Kollegin Böhm. – Das Wort hat der Abg. Volker Richter, AfD-Fraktion.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag der hessischen Regierungskoalition kann eigentlich nur eine Reaktion bei jedem auslösen, der sich intensiv mit der Thematik um COVID-19 und Impfungen beschäftigt: Wissen Sie eigentlich noch, was Sie da tun, meine Damen und Herren?

(Beifall AfD)

Fängt dieser Antrag noch relativ harmlos an mit den üblichen Floskeln, was der Hessische Landtag so alles feststellen muss, haben Sie wohl nicht berücksichtigt, dass der am Wochenende bekannt gewordene Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums für eine Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 vorsieht, dass Impfwillige zum Nachweis ihrer Anspruchsberechtigung ein ärztliches Zeugnis über das bei ihnen krankheitsbedingt erhöhte Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf in Bezug auf COVID-19 vorlegen müssen. Diese Atteste sollen in den Praxen von niedergelassenen Ärzten ausgestellt und dann in Impfzentren vorgelegt werden. Vielleicht können Sie dazu nachher noch etwas sagen, Herr Staatsminister Klose.

Dazu bringe ich nur einen kurzen Auszug von Herrn Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes:

Wir erleben täglich in unseren Praxen, wie groß das Bedürfnis nach wissenschaftlich gesicherten Informationen unter den Patientinnen und Patienten ist. … Es kann nicht sein, dass die Politik sich erst davor drückt, klare Priorisierungsentscheidungen zu treffen, und nun offenbar plant, diese Aufgabe quasi durch die Hintertür bei den Hausärztinnen und Hausärzten abzuladen.

(Beifall AfD)

Viele Praxen arbeiten schon jetzt „jenseits der Belastbarkeitsgrenze“. Es übersteigt ihre Kapazitäten, wenn nun „millionenfach Einzelgespräche und Untersuchungen für Atteste zur Impfberechtigung durchgeführt werden sollen“. Herr Bauer, wir sind eben nicht impfbereit.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, Sie müssen sich hier schon ehrlich machen. Es ist so, wie bereits von mir auch schon früher ausgeführt: Dies ist ein offener Feldversuch nach dem Prinzip Hoffnung, bei dem keiner weiß, was am Ende dabei wirklich herauskommt.

Bei näherer Betrachtung erkennen wir diese Problematik sehr deutlich auch unter Punkt 4 Ihres Antrages. Dort schreiben Sie von einer Gesamtimpfquote von 60 % der

hessischen Bevölkerung, also 3,8 Millionen Bürger, die Sie durchimpfen möchten.

Wie bekommen Sie das mit den Hausärzten in Einklang? Lassen Sie die Qualität des Impfstoffes einfach außen vor? Sie müssen uns schon beantworten, was Sie tun, wenn eine Impfquote von 60 % auf freiwilligem Weg nicht erreicht wird. Selbstverständlich kommt da die Sorge auf, dass es mit der Freiwilligkeit schnell vorbei ist und Sie jeden, der sich nicht freiwillig impfen lässt, gesellschaftlich ächten. Was Sie unter „Freiwilligkeit“ verstehen, durften wir hier im Landtag in Bezug auf eine „Freiwilligkeit“ beim Tragen von Masken am Platz ja bereits live erleben.

(Beifall AfD – Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zur Priorisierung und zu Punkt 5 Ihres Antrags noch Folgendes. Es darf nicht sein, dass Sie die Personen, die Schlüsselpositionen in unserem Land besetzen, mit einem nicht ausreichend auf seine Langzeitfolgen getesteten Impfstoff durchimpfen und darauf hoffen, dass schon niemandem etwas geschieht, dass diese Personen nachfolgend weder ansteckend sind noch selbst erkranken. Sie müssen auch die Frage beantworten, was geschieht, wenn unvorhergesehene Nebenwirkungen zu einem Ausfall einer größeren Zahl jener Menschen führt, die Schlüsselpositionen besetzen. Meine Damen und Herren, dies kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein – angesichts dessen, was wir mittlerweile wissen.

(Beifall AfD)

Falls hier über die Frage der Immunisierung diskutiert wird: Ein Impfstoff, der nicht auch zu einer Immunisierung führt, macht keinen Sinn. Angesichts dessen, was hier abgeliefert wird, kann der Hessische Landtag doch unmöglich die „vorausschauende und verantwortungsvolle Arbeit der Landesregierung“ würdigen – weder in Bezug auf COVID-19 noch in Bezug auf eine Impfstrategie. Diese „verantwortungsvolle Arbeit“ gibt es nämlich gar nicht.

In Punkt 8 Ihres Entschließungsantrags danken Sie den ehrenamtlichen Einsatzkräften. Hierzu müssen wir aber auch das zur Kenntnis nehmen, was Ulrich Weigeldt schreibt: dass bislang der Appell ungehört geblieben ist, ein bundeseinheitliches Einladungsverfahren für Impfungen gegen COVID-19 zu etablieren – analog etwa zum Mammografie-Screening –, und dass dies ein Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen im Sektor ambulante Gesundheitsversorgung ist, die seit Beginn der Pandemie den Löwenanteil der Versorgung von Menschen schultern, die sich mit dem Corona-Virus infiziert haben.

(Beifall AfD)

Spätestens daran erkennt man, wie „dankbar“ man sozial engagierten Menschen in unserem Land ist. Alles nur Lippenbekenntnisse von Ihnen, meine Damen und Herren; denn das, was hier bundeseinheitlich zu regeln gefordert wird, wäre von Ihrer Seite bei einer „vorausschauenden und verantwortungsvollen Politik“, wie es in Ihrem Setzantrag heißt, zwingend umzusetzen gewesen. Aber auch das haben Sie nicht getan.

Ich möchte noch auf Punkt 12 des Antrags eingehen. Diesen Punkt muss man in Gänze vorlesen, um die politische Brisanz zu erkennen, die in diesem Satz steckt. Ich nehme den Satz auseinander; der erste Teil lautet:

Der Landtag zeigt sich besorgt darüber, dass zunehmend falsche Behauptungen zu den geplanten COVID-19-Pandemieimpfungen verbreitet werden, …

Welche „falschen Behauptungen“ meinen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition?

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum Beispiel von Ihnen!)

Herr Bocklet, wenn Sie nachher hier stehen, sagen Sie mir, welche „falschen Behauptungen“ ich aufgestellt habe.

(Beifall AfD – Lebhafte Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE)

Die LINKEN haben doch gar keine Aussagen getroffen. – In der Tat sind Ihre eigenen Aussagen nicht ganz ohne. Ich zitiere aus Punkt 4 Ihres Antrags:

Um einen vollständigen Impfschutz zu erreichen, ist pro Person, in Abhängigkeit von dem verfügbaren Impfstoff, die Verabreichung von zwei identischen Impfstoffen erforderlich.

Nun gibt es aber zurzeit schlicht keinen Impfstoff, mit dem man einen vollständigen Impfschutz erreichen kann.

(Beifall AfD)

Wenn Sie hier etwas anderes behaupten, dann sollten Sie das darlegen. Legen Sie uns entsprechende Forschungsergebnisse vor. Sie schränken dies ja bereits in Punkt 1 Ihres Antrags ein wenig ein; denn dies gilt, so schreiben Sie, sofern die Entwicklung eines Impfstoffes mit der Zulassung durch das Paul-Ehrlich-Institut erfolgreich abgeschlossen werden kann. Nun wird aber auch das Paul-Ehrlich-Institut wichtige und langjährige Testzyklen nicht vorwegnehmen können und muss ebenfalls, wie wir alle, anhand dieses Feldversuches feststellen, ob in der Breite tatsächlich das erreicht wird, was erreicht werden soll – mit erheblichen Risiken. Darauf machen wir hier aufmerksam. Das ist unsere Pflicht.

(Beifall AfD)

Unsere Pflicht ist nicht, Sie zu loben, Herr Bocklet. Unsere Pflicht ist, auf das Risiko hinzuweisen.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das heißt, Sie wollen gar keine Impfungen?)

Nun zitiere ich den Satz aus Punkt 12 des Antrags in Gänze:

Der Landtag zeigt sich besorgt darüber, dass zunehmend falsche Behauptungen zu den geplanten COVID-19-Pandemieimpfungen verbreitet werden, welche die Ängste und Sorgen der Bevölkerung schüren und dazu missbraucht werden, Verschwörungstheorien zu konstruieren und Wissenschaftsfeindlichkeit zu erzeugen.

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie bekommen angesichts Ihres eigenen Satzes Schnappatmung. Das finde ich klasse.

(Beifall AfD)

Diesen Satz muss man sacken lassen. Exakt auf diese Weise wurde im Januar und im Februar 2020 mit den Menschen in unserem Land umgegangen, die vor COVID-19 gewarnt hatten. Heute wollen Sie alle davon natürlich

nichts mehr wissen und behaupten einfach, Sie hätten frühzeitig agiert. Das ist eine Lüge.

(Beifall AfD)

Dabei ist es die Regierung selbst, die COVID-19 in unverantwortlicher Art und Weise instrumentalisiert und eine derartige Panik verbreitet, dass die Menschen selbst völlig unlogische Maßnahmen als notwendig erachten und in vielen Fällen leider immer noch nicht wissen, wie sich ein Virus ausbreitet.