Das hat aber auch sein Gutes. Entdecken doch immer mehr Menschen, dass Sie womöglich gar nicht so demokratisch sind, wie Sie sich hier so gerne gerieren.
Wer wahrhaft demokratisch ist, hat es überhaupt nicht nötig, diesen Umstand unaufhörlich zu betonen.
Die vergangenen Wochen müssen für Sie traumatisch gewesen sein. In Österreich kommt es zu einer FPÖ-geführten Regierung und damit mutmaßlich zu einer wahrhaftigen Renaissance der Realpolitik. Donald Trump, Realpolitiker par excellence, wird amerikanischer Präsident und Symbolfigur für den Sturz linker Meinungsführerschaft.
Mark Zuckerberg ruft vermeintliche Faktenchecker von Facebook und Instagram zurück; denn diese seien „too politically biased“ gewesen, also nicht etwa neutral, wie Sie immer propagieren, sondern infiltriert vom linken Establishment.
Elon Musk, Unternehmer und sozialer Visionär, reißt Brandmauern ein, pfeift auf Zensur und entreißt Ihnen zu allem Übel noch die Lufthoheit im deutschen Politdiskurs. Das von Ihnen zum Undenkbaren Erklärte, es ist die neue Realität.
Was aber tun Sie? Sie haben den Exit-Gong noch immer nicht gehört. Allerdings muss man Ihnen zugutehalten, dass Sie mit Ihrem Antrag in Hessen in bester Gesellschaft sind. Der Entschließungsantrag der Koalition atmet im Kern den gleichen Geist, verklausuliert es aber ein bisschen geschickter.
Unlängst verkündete der hessische Innenminister Roman Poseck, sein Ministerium wolle mit einer speziellen temporären Organisationsstruktur gegen ungefilterte Meinungen im Netz vorgehen.
In der entsprechenden Pressemitteilung war zu lesen, dass angesichts der Bundestagswahl am 23. Februar die Gefahr gezielter Einflussnahme durch ausländische und inländische Akteure steige. Diese Gefahr ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Dann aber erweitert Poseck den Kreis tatsächlicher gezielter Falschinformationen auf ungefilterte Meinungen.
Ungefilterte Meinungen, dieser satte und manchmal unbequeme Backgroundsound der Demokratie soll auf einmal ein Fall für eine Sonderauswertungseinheit im Bereich Spionageabwehr und Extremismus sein? Die Formulierung „ungefilterte Meinungen“ ist natürlich von unnachahmlicher Rabulistik. Hier wird ein Straftatbestand suggeriert, der aber durch die nebulöse Bezeichnung im Ungefähren bleibt und unbescholtene Bürger deshalb umso mehr zu ängstigen vermag. Dass durch diese Bezeichnung die Grenze zwischen freier Meinungsäußerung und Desinformation noch weiter verwischt wird, ist freilich gewollt. Eine weitere Anmutung liegt darin: Wenn ungefilterte Meinungen böse sind, warum sie dann nicht filtern?
Wer könnte das besser als Big Brother, Pardon: Vater Staat? Ein bisschen Zensur tut bei bösen Meinungen gar nicht weh. Das hat sogar etwas Pädagogisches, etwas Reinigendes.
Hat Herr Poseck mit seiner Idee zufällig die Rezeptur autoritärer Regime entdeckt? Wenn die Bürger nicht die richtige Meinung äußern, kontrolliere sie einfach. Hole dir Hilfe bei Bürgern, die zum Denunziantentum neigen. Biete ihnen am besten im vollen Licht der Öffentlichkeit eine Informationsplattform und nenne sie in unfreiwilliger Komik „Der Fabulant“.
Um welche Art der Falschinformation geht es CDU und GRÜNEN überhaupt? Die aus dem Kreml? Die von nicht näher spezifizierten extremistischen Gruppen? Oder auch um Falschinformationen wie die, dass die GRÜNEN behaupten, sie würden sich für das Wohl Deutschlands einsetzen.
Die Behauptung ist eindeutig falsch. Aber wäre sie ein Fall für die Löschtaste oder gar für den Richter?
Ist es nicht eher so, dass Sie selbst nur zu gern bestimmen würden, was richtig und falsch ist? War die angebliche Hetzjagd von Chemnitz, obwohl erstunken und erlogen, nicht gute Information in Ihrem Sinne? Oder berechtigte Warnungen vor Impfschäden der Corona-Zeit? Sie haben sie als Geschwurbel verunglimpft, als Desinformationskampagne von rechts gebrandmarkt. Die himmelschreienden Lügen von „Correktiv“ waren für Sie gute Informationen zum angeblichen Umsturz in unserem Land.
Was sagt uns das? Die Unterscheidung zwischen richtig und falsch, zwischen Information und Desinformation hat für Sie nichts mit Wahrheitsfindung zu tun. Im Zeitalter der Hypermoralisierung besitzt derjenige die Information, der die Meinung macht. Das würden gerne Sie sein. Information ist das, was Ihnen politisch dienlich ist. Alles andere ist Desinformation. Willkommen in der simplen Welt von Gut und Böse.
Man sieht es auch bei Ihrem zur Phrase verkommenen Gerede von Hass und Hetze. Hass können Sie nicht abstellen. Er ist leider eine anthropologische Konstante. Sie können den stetig wachsenden Unmut der Bürger auch nicht einfach abstellen, der sich hin und wieder in sprachlich ungeschickten Äußerungen Bahn bricht. Hass und Hetze sind innerhalb des Sprechens über Meinungsfreiheit unlautere Begriffe. Die einzige Frage, die sich ein Land, das seine Rechtsbegriffe noch einigermaßen beisammenhat, stellen muss, lautet: Ist eine Äußerung justiziabel oder nicht? Hat eine Äußerung strafrechtliche Konsequenzen, ja oder nein?
Falls ja, muss sie auf der Grundlage bestehender Gesetze geahndet werden. Falls nicht, fällt sie unter das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Hören Sie endlich auf, den Bürgern mit dem Geschwurbel von Hass und Hetze auch noch die Meinungsfreiheit zu verleiden, nachdem Sie ihnen mit illegaler Migration, Heizungsgesetz und Bürokratie das Leben unerträglich gemacht haben.
Man wird sich merken, dass Sie die Totengräber der Demokratie waren. Das belegt Ihr Antrag eindeutig. Getarnt als demokratisches Unterfangen beabsichtigt er nicht mehr und nicht weniger als die verbale Entwaffnung Ihrer politischen Gegner. Sie zeigen sich in Ihrem Antrag zutiefst besorgt über die Verbreitung von Fake News und extremistischer Propaganda im Netz. Ihr befremdliches Demokratieverständnis kennt dabei offenbar nur Islamismus und Rechtsextremismus. Den immer aggressiveren Linksextremismus blenden Sie aus. Warum wohl?
Sie wollen „eine digitale Bildungsstrategie …, die alle Generationen erreicht“. Da kann einem ja nur angst und bange werden. Schöne neue Welt, in der wir alle bis in den letzten Winkel Hessens dasselbe denken und sagen müssen.
Was bitte verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter Desinformation und Informationsmanipulation? Es wäre schön, wenn nicht nur Elon Musk den Algorithmus von X offenlegen müsste, sondern wenn Sie uns definieren würden, was Information und Desinformation in Ihrem Kosmos bedeuten.
Folgerichtig fordern Sie in Ihrem Antrag Seite an Seite mit der CDU die erwähnte Taskforce des Innenministeriums. Sie wollen auf Bundesebene eine konsequente Nutzung des Digital Services Act. Sie wollen das Denunziantentum weiter stärken durch einen Ausbau der Meldestelle „Hessen gegen Hetze“. Sie wollen Einfluss auf den Lokaljournalismus nehmen, angeblich um eine ausgewogene Berichterstattung zu fördern. Dass „ausgewogen“ gleichbedeutend ist mit „in Ihrem Sinne“, kann der mündige Bürger sofort zwischen den Zeilen lesen.
Wenn Sie sich im Kampf gegen digitale Gewalt und Cyberangriffe für eine bessere Aufstellung der Sicherheitsbehörden aussprechen, haben Sie einen Punkt. Aber was ist dieser Punkt wert in einem Antrag, der als Sammelsurium
von Befindlichkeiten eben mal die Meinungsfreiheit abräumen will, nur um dann ebenfalls wie nebenbei die mediale Hegemonie für Sie zu beanspruchen?
Dieser Antrag ist einmal mehr ein Beweis für Ihre unlautere und undemokratische Politik, mit der Sie den Menschen Sand in die Augen streuen. Wir lehnen beide Anträge ab. – Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liberale Demokratien stehen in einem Systemwettbewerb, in dem Akteure wie Russland nicht nur militärisch, sondern auch mit anderen Mitteln europäische Werte angreifen, insbesondere mit dem Instrument der Desinformation. Diese zielen schlussendlich alle darauf ab, unsere offene Gesellschaft zu destabilisieren. Umso relevanter ist es, jetzt Desinformation und Hatespeech zum Schutz unserer Demokratie zu bekämpfen.
Wir Freie Demokraten unterstützen deshalb einige der vorgeschlagenen Maßnahmen in den Anträgen. Eine informierte Gesellschaft ist die beste Verteidigung gegen Desinformationen. Besonders wichtig ist uns, Medien- und Informationskompetenz stärker in unsere Bildungslandschaft einzubringen. Finnland zeigt in vorbildlicher Weise, dass Medienkompetenz bereits in der Grundschule vermittelt werden kann und dass junge Menschen früh lernen, wie wichtig es ist, dass es Meinungsfreiheit gibt, und dass sie genauso früh lernen und erkennen, was Fake News sind und wie man diese kritisch hinterfragt.
An die Adresse der AfD gerichtet, nachdem hier Voltaire zitiert wurde: In der Bundesrepublik Deutschland gilt nach wie vor Art. 5 des Grundgesetzes. Die Meinungsfreiheit gilt, meine Damen und Herren.
Was Sie verkennen: Selbstverständlich hat jeder in diesem Land ein Recht auf seine eigene Meinung. Was Sie aber nicht haben, ist ein Recht auf eigene Fakten. Das haben Sie nicht.