Protokoll der Sitzung vom 06.02.2025

Was Sie verkennen: Selbstverständlich hat jeder in diesem Land ein Recht auf seine eigene Meinung. Was Sie aber nicht haben, ist ein Recht auf eigene Fakten. Das haben Sie nicht.

(Beifall Freie Demokraten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD – Zurufe AfD)

Das habe ich nicht behauptet. – Ein weiterer positiver Punkt ist die Einrichtung einer Taskforce zur Bekämpfung von Desinformationen. Diese muss interdisziplinär aufgestellt sein, um Synergien zwischen IT-Sicherheit, Strafverfolgung, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft zu schaffen. Es sollte nämlich nicht nur um einen Austausch unter Behörden gehen.

Aber die Forderung nach strengen Regelungen für Soziale-Medien-Plattformen birgt auch die Gefahr einer Überreglementierung und eines Eingriffs in die Meinungsfreiheit. Meine Damen und Herren, klar ist: Plattformen wie TikTok und Instagram müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, und wenn strafrechtlich relevante Inhalte nicht

ausreichend bekämpft werden können, dann müssen die Betreiber auch auf europäischer Ebene zur Verantwortung gezogen werden.

Ein weiterer Ausbau der Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ ist aus unserer Sicht nicht erforderlich. Viel wichtiger ist doch, die Justiz personell zu stärken, damit rechtswidrige Inhalte, wie Volksverhetzung, Beleidigung oder üble Nachrede, konsequent verfolgt werden können.

Meine Damen und Herren, Desinformationen beeinflussen die Pressefreiheit direkt. Journalistinnen und Journalisten werden diffamiert. Sie werden bedroht, sogar angegriffen. Der Staat muss hier entschlossen handeln, um sie zu schützen. Zugleich ist es alarmierend, dass weltweit das Vertrauen in den Journalismus sinkt. Immer weniger Menschen konsumieren Nachrichten, und viele Lokalredaktionen kämpfen um das Überleben. Aber gerade der Lokaljournalismus spielt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen Desinformationen. Wenn eine solide journalistische Berichterstattung existiert, dann haben Fake News und auch Verschwörungstheorien weniger Raum. Umso wichtiger ist es, dass der Lokaljournalismus entsprechend stark gehalten wird. Eine vielfältige, unabhängige Medienlandschaft ist essenziell für eine informierte und offene Gesellschaft.

(Beifall Freie Demokraten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und SPD)

Wir Freie Demokraten begrüßen ausdrücklich die Sensibilisierungsmaßnahmen der Landesregierung im Kontext der Bundestagswahl. Insbesondere im Wahlkampf brauchen wir einen besseren Schutz vor Desinformationen, Präventionsarbeit, temporär arbeitende Sonderauswertungseinheiten des Landesamts für Verfassungsschutz und ein durch interdisziplinären Austausch erzeugtes Lagebild.

Meine Damen und Herren, was die Landesregierung aber als Erfolg verkauft und was der Antrag der GRÜNEN nicht enthält: das Internetportal gegen Verschwörungserzählungen, „Der Fabulant“. Es reicht aus unserer Sicht für gezielte Aufklärung und Beratung nicht aus. Schauen wir es uns einmal im Detail an. Bei YouTube hat der Account nur 662 Abonnenten, obwohl er schon seit zwei Jahren existiert. Warum ist das so? Ganz einfach deshalb, weil ihn fast keiner kennt. Das spricht nicht gerade dafür, dass das ein Erfolgsprojekt ist. Damit verfehlt dieses Projekt leider sein Ziel. Ein Hinweis auf dieses Portal fehlt auch im Antrag der GRÜNEN. Die Kosten für dieses Onlineportal: insgesamt rund 640.000 Euro, finanziert aus dem Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“. Michael Butter, Professor für amerikanische Literatur und Kulturgeschichte an der Universität Tübingen, hält das Geld des Landes in diesem Projekt für „nicht besonders gut angelegt“. Gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht.

Meine Damen und Herren, unsere Sicherheitsbehörden müssen, insgesamt gesehen, besser ausgestattet werden, um die Flut an Desinformationen zu bewältigen. Bestehende Strukturen sollten gestärkt und international besser vernetzt werden. Derzeit arbeiten in Hessen mehrere Behörden interdisziplinär an einem jeweils aktuellen Lagebild betreffend Desinformationen vor der Bundestagswahl. In dieses fließen Erkenntnisse aus dem länderübergreifenden Austausch sowie aus dem Nationalen Cyber-Abwehrzentrum ein. Warum wird das Lagebild zur Desinformation

nicht generell in die Arbeitsweise hessischer Sicherheitsbehörden integriert?

Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl zum Bundestag müssen darin unterstützt werden, ihre Social-MediaKanäle zu verifizieren und ihre IT-Infrastruktur entsprechend abzusichern. Rapid Response Teams in Behörden könnten helfen, gezielte Falschinformationen schnell zu entlarven. Der künstlichen Intelligenz wird dabei eine wesentliche Rolle zukommen, auch vor dem Hintergrund neuer KI-Plattformen.

Vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen es schon getestet: Es gibt jetzt ein neues KI-Modell aus China, genannt DeepSeek. Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, dort die Frage einzugeben: Wem gehört Taiwan? – Zuerst bekommt man entsprechende Ausführungen, und auf einmal verschwindet das alles wieder, wie von magischer Hand, und man liest dann, man könne nicht so richtig auf diese Frage antworten. Meine Damen und Herren, das ist höchst besorgniserregend. Da erlebt man eines hautnah, nämlich die Zensur durch die Kommunistische Partei Chinas.

(Beifall Freie Demokraten, CDU, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meinungsfreiheit? – Fehlanzeige. Meine Damen und Herren, autokratische Staaten nutzen Fake News und Desinformationen gezielt als Waffe, um unsere offene Gesellschaft zu destabilisieren. Wenn Desinformationen von Regierungen eingesetzt werden, dann muss die Weltgemeinschaft das klar ansprechen und auch verurteilen.

Der Kampf gegen Desinformationen muss in viel stärkerem Maß Teil auch der Diplomatie und der Außenpolitik werden. Ein effektives Monitoring kann helfen, solche Desinformationen frühzeitig zu erkennen und zu widerlegen, bevor sie sich massenhaft verbreiten. Taiwan hat schon gezeigt, dass schnelle und gezielte Reaktionen eines entsprechenden Akteurs dazu beitragen, die Zahl der Fake News deutlich zu reduzieren. Dabei darf es nicht darum gehen, behördliche Kommunikation als Ersatz für kritischen Journalismus und kritische Berichterstattung zu etablieren.

Wir brauchen Meinungsfreiheit, wir brauchen Pressefreiheit, und wir brauchen weiterhin eine offene und freie Gesellschaft. Das ist nur möglich, wenn die Menschen aufgeklärt sind.

(Beifall Freie Demokraten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und SPD)

Als nächster Rednerin erteile ich der Frau Abgeordneten Gnadl, Fraktion der Sozialdemokraten, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eben noch einmal deutlich vor Augen geführt bekommen, wie wichtig dieser Setzpunkt ist und wie wichtig es ist, dass die Landesregierung an dieser Stelle handelt und diese Bedrohung, gerade im Netz, sehr ernst nimmt. Ich glaube, auch die Rede des AfD-Kollegen hier im Hause hat deutlich gemacht, wie wichtig diese Debatte, dieser Setzpunkt sowie die Anträge dazu sind.

(Beifall SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Unsere Gesellschaft hat ein ausgewachsenes Problem mit Hassreden, mit Desinformationen, mit Verrohung und Bedrohungen im Internet und darüber hinaus. Wir ernten gerade die Saat, die Extremisten, Demokratieverächter, Rechtsradikale und Rechtspopulisten seit Jahren ausbringen. Das wird auch vor dieser Bundestagswahl wieder deutlich, wenn wir uns die Desinformationskampagnen anschauen.

Diese Phänomene stellen unsere Demokratie vor immense Herausforderungen und geradezu vor eine Zerreißprobe. Unsere Demokratie muss wehrhaft sein. Unser Staat und seine Bediensteten stehen für diese demokratischen Werte und eine offene Gesellschaft.

Was besonders wichtig ist: Unsere Demokratie ist eben nicht nur irgendeine Staatsform oder irgendeine Verwaltungstechnik, sondern sie wird von einer vielfältigen Zivilgesellschaft getragen, die bereit ist, ihre fortschrittlichen Errungenschaften zu verteidigen.

(Beifall SPD, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zu dieser wehrhaften Demokratie gehört aufseiten des Staates, dass er mit seinen Institutionen auf diese Gefährdungen unseres Gemeinwesens reagiert, sowohl mit repressiven als auch mit präventiven Mitteln. Der Rechtsstaat muss die Menschen davor schützen. Die repressiven Mittel sind die Anstrengungen unserer Sicherheitsbehörden, des polizeilichen Staatsschutzes und des Landesamtes für Verfassungsschutz. Deshalb ist es vor diesem Hintergrund besonders wichtig, dass diese Koalition gerade auch in diesen schwierigen, finanziell herausfordernden Zeiten auf die Polizei und die Sicherheitsbehörden setzt und genau in diesem Bereich nicht spart.

(Beifall SPD, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir brauchen aber auch präventive Ansätze. Wir müssen verhindern, dass junge Menschen demokratiefeindliche und faschistoide Positionen als gleichberechtigten Beitrag im Meinungsstreit wahrnehmen. Da haben unsere Schulen einen besonders wichtigen Auftrag. Es ist der Koalition und dieser Landesregierung ein Anliegen, dass Schulen Orte der Demokratieförderung, der Grundrechtsorientierung und der Vermittlung humanistischer Werte sind, aber auch Orte der Medienbildung und der Medienkompetenz. Wir wollen, dass junge Menschen gestärkt werden; denn vor allem das hilft gegen Demokratiefeinde.

(Beifall SPD, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Auch außerschulische Einrichtungen wie die Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ sind ein unverzichtbarer Beitrag. Oftmals haben Betroffene oder aufmerksame Beobachter von Hasskriminalität im Internet schlicht das Problem, dass sie gar nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen. Genau diese Meldestelle ist da ein sehr niedrigschwelliges Angebot. Sie schließt eben diese Lücke. Die Menschen haben die Möglichkeit, sich an diese Meldestelle zu wenden.

Schauen wir uns die Zahlen an: 75.000 Meldungen sind bei der Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ eingegangen, von denen sich rund 60 % als Hassrede herausstellten. Daran sieht man, welch wichtige Funktion diese Meldestelle für

viele Betroffene hat, die es mit Hasskriminalität im Netz zu tun haben.

(Beifall SPD, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich will aber auch deutlich machen: Ohne das Engagement und die Arbeit der freien Träger der politischen Bildung wären Demokratieförderung und der Kampf gegen Hass und Hetze im Netz und in der realen Welt kaum denkbar. Sie leisten Wesentliches in der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung, aber auch in der Betreuung und Beratung von Betroffenen sowie von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren.

Die Landesregierung wird daher gerade auch in diesem Präventionsbereich, das heißt für die Aufklärung und die Beratungsarbeit, weiterhin die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Wir werden etablierte, erfolgreiche Programme fortführen; denn das ist wichtig. Wir wollen aber auch, dass gerade in der Präventionsarbeit noch einmal ein stärkerer Fokus auf die Digitalisierung, auf Social Media und auf die Internetkompetenz gesetzt wird.

(Beifall SPD und CDU)

Damit wir diese Arbeit verstetigen können, haben sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigt, in dieser Legislaturperiode den Entwurf für ein Demokratiefördergesetz vorzulegen, mit dem auch die Arbeit der freien Träger in der Demokratiebildung und in der Prävention gestärkt wird.

(Beifall SPD und CDU)

Ein wichtiger Akteur für uns ist auch die Hessische Landeszentrale für politische Bildung. Es ist daher folgerichtig, dass die Landeszentrale nicht nur die aktuellen Herausforderungen für unser demokratisches Gemeinwesen thematisiert, sondern auch neue Formen und Zugänge der Bildungsarbeit für junge Menschen in der digitalen Welt entwickelt und umsetzt. Die Landeszentrale steht für die Förderung des demokratischen Bewusstseins und für staatsbürgerliche Teilhabe. Es ist konsequent und richtig, dass sie diese Werte vermehrt auch in den digitalen Raum trägt.

Besonders wichtig ist uns an dieser Stelle – deswegen möchte ich es noch einmal besonders hervorheben –, dass wir in Hessen auch in der Demokratieforschung mehr tun. Deswegen sage ich auch dem Wissenschaftsminister ein herzliches Dankeschön, der das im Sofortprogramm dieser Landesregierung zum Thema gemacht hat. Für den Demokratieerhalt und die Demokratieforschung Mittel zur Verfügung zu stellen hat sich die Koalition zur Aufgabe gemacht. Ich finde, das ist eine beachtliche Summe: 2 Millionen Euro 2024 und jeweils 3 Millionen Euro in den Folgejahren. Das ist ein starkes Zeichen für die Demokratieforschung in diesem Land.

(Beifall SPD und CDU)

Uns ist es aber auch wichtig, zu schauen, was wir parlamentarisch noch tun können. Dazu wird auch die Enquetekommission „Demokratie leben – Beteiligung junger Menschen stärken“, die wir im Landtag eingesetzt haben, einen wichtigen Beitrag leisten. Dort wollen wir uns gerade dem Themenkomplex, der heute angesprochen wird, widmen: Was passiert in der digitalen Welt? Wie können wir junge Menschen besser schützen? Wie können wir sie fit machen,

sodass sie besser seriöse von unseriösen Informationen unterscheiden können? Wie können wir sie resistent gegen Desinformation und Manipulation machen? Wie können sie dem begegnen? Deswegen bin ich froh, dass sich die Enquetekommission gerade auch diesem wichtigen Bereich widmet.

(Beifall SPD und CDU)

Zum Abschluss meiner Rede möchte ich dies noch einmal sehr deutlich machen: Besonders ermutigend finde ich, dass trotz Trollarmeen und anonymen Angriffen im Internet nicht nur in den letzten Tagen, sondern im gesamten vergangenen Jahr Hunderttausende Menschen ganz real auf die Straße gegangen sind, um gegen Hass und Hetze zu demonstrieren und ihre Demokratie aktiv zu verteidigen. Ihnen gebühren an dieser Stelle ein großer Dank, Unterstützung und Respekt. – Vielen Dank.

(Beifall SPD, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Als Nächstem erteile ich für die Landesregierung Herrn Staatsminister Prof. Poseck das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte hat Klarheit gebracht. Sie hat gezeigt, wer auf der Seite der Demokratie steht und wer nicht.

(Beifall CDU, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke den Rednerinnen und Rednern von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, CDU und FDP für den großen Konsens, wenn es darum geht, die Gefahren durch Desinformation zu benennen und zu bekämpfen. Sehr geehrter Herr Rohde, Ihr Debattenbeitrag war entsetzlich.