Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf ich den Abgeordneten Tarek Al-Wazir ans Rednerpult bitten. Bitte schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grundsteuer betrifft alle Hessinnen und Hessen, weil alle Eigentümerinnen und Eigentümer Bescheide bekommen haben. Auch die, die nicht Eigentümerinnen und Eigentümer sind, sondern Mieterinnen und Mieter, zahlen die Grundsteuer über ihre Nebenkosten.
Mitte Februar ist normalerweise der Termin, wo quartalsweise die Grundsteuer von den Kommunen abgebucht wird. Es ist dieser Tage so, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger darüber wundern, was in ihren Grundsteuerbescheiden steht und was abgebucht wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir heute über diese Frage diskutieren.
Deshalb erst einmal vorab etwas zur Grundsteuerreform. Die Grundsteuerreform war nötig, und sie war richtig, weil das bisherige System völlig ungerecht war. Manche haben bei ähnlichen Grundstücken oder sogar gleichen Größen von Grundstücken und Wohnungen in denselben Kommunen sehr unterschiedliche Beträge gezahlt. Diese deutlichen, teilweise extremen Unterschiede waren nicht gerecht. Die einen haben sehr wenig gezahlt, die anderen haben sehr viel gezahlt. Diese Reform war nötig, und sie war richtig.
Das Zweite ist das Hessen-Modell. Das Flächen-FaktorVerfahren ist gut, weil es einfach und gleichzeitig gerecht ist. Einfach, weil es nicht den Verkehrswert nimmt, sondern die Fläche. Gerecht, weil es nicht nur die Fläche nimmt, sondern auch die Lage, nämlich die Frage: Wie viel ist ein Grundstück wert?
Deswegen kann ich an dieser Stelle sagen, dass wir ganz anderer Meinung sind als die FDP mit ihrem Antrag. Die FDP hat ihr bestes Wahlergebnis am Sonntag – das ist jetzt vielleicht Zufall – ausgerechnet in der Stadt mit dem höchsten Grundstückswert, nämlich in Königstein, bekommen. Da ich nachgeschaut habe, kann ich Ihnen sagen: Der Bodenrichtwert in Königstein sind um die 1.000 Euro pro Quadratmeter.
Einer der geringsten Werte korreliert dann, Zufall vielleicht, mit dem schlechtesten FDP-Wahlergebnis – ich habe es nachgeschaut – in Weißenborn. Ich weiß nicht, wer diesen Ort kennt. Es ist die kleinste Gemeinde in Hessen, im Werra-Meißner-Kreis. Da ist der Quadratmeter nicht 1.000 Euro, wie in Königstein, sondern 24 Euro wert. Deswegen, glaube ich, ist es logisch, dass man das nicht gleichbehandeln kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Reform war nötig, und das Hessen-Modell war richtig. Es ist klar, dass manche dann mehr bezahlen und andere weniger. Aber unter dem Strich – das war das, was wir immer gesagt haben – sollte das Ganze aufkommensneutral sein. Aufkommensneutral bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger in einer Kommune unter dem Strich nicht mehr bezahlen sollten;
Das Finanzministerium hat deshalb für jede Kommune eine Hebesatzempfehlung veröffentlicht. Die hätte es nicht veröffentlicht, wenn es nicht gewollt hätte, dass sich die Kommunen daran halten. Das war das Versprechen.
Jetzt haben alle Kommunen in Hessen, bis auf fünf, ihre Hebesätze schon beschlossen. Die Bilanz ist verheerend. Über die Hälfte der hessischen Kommunen ist von dieser Hebesatzempfehlung nach oben abgewichen. Das heißt, es wird am Ende einen höheren Hebesatz geben, als das Finanzministerium empfohlen hat.
Wer sich das einmal anschauen will: Da gibt es einen ganz besonderen Ausreißer, vielleicht hat das lokale Gründe. Das ist Löhnberg mit plus 400 Prozentpunkten. Aber zum Beispiel auch Lindenfels mit 380 Prozentpunkten oder Königstein mit 350 Prozentpunkten liegen über der Hebesatzempfehlung des Landes. Das sind deutliche Ausreißer nach oben. Diese haben übrigens nichts mit dem Modell zu tun, Herr Kollege Naas, weil Bad Homburg um 10 Prozentpunkte senkt.
Beide Kommunen liegen im Taunus. Es kann nichts mit dem Modell zu tun haben. Es muss etwas mit der Finanzlage der Kommunen zu tun haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben den Finanzminister darauf angesprochen und gefragt, was mit der versprochenen Aufkommensneutralität sei. Der Finanzminister hat rechtlich korrekt gesagt, das sei nur eine Empfehlung gewesen. Wenn die Kommunen trotzdem erhöhen, dann sind sie selbst verantwortlich. Ich glaube, das ist schon ziemlich dreist.
Denn warum sind die Kommunen in der Not? – Die Kommunen sind in der Not, weil sie in einer extrem angespannten Finanzlage sind. Sie sind auch in dieser extrem angespannten Finanzlage, weil sie von Schwarz-Rot nicht etwa mehr, wie die SPD vorher versprochen hat, sondern weniger Geld bekommen haben, als Schwarz-Grün geplant hatte.
Die Haltung des Finanzministers ist auch deshalb dreist, weil das Land den Kommunen im Finanzplanungserlass ausdrücklich gesagt hat: Wir wissen, dass wir euch zu wenig Geld geben. Wenn es nicht reicht, dann erhöht die Grundsteuer. – Ich zitiere aus dem Finanzplanungserlass des Landes Hessen – lustigerweise, heute ist ja Weiberfastnacht, am 11.11. veröffentlicht –:
„Bis zum 30.06.2025 könnten die Hebesätze gemäß … Grundsteuergesetz erhöht werden. Unabhängig von den Empfehlungen zur Aufkommensneutralität … haben die Kommunen im Rahmen ihrer Hebesatzbeschlussfassung die gesetzlichen Vorgaben zum Haushaltsausgleich gemäß § 92 Absatz 4 HGO zu berücksichtigen.“
Ich übersetze: Wenn das Geld nicht reicht, dann müsst ihr die Grundsteuer erhöhen. – Das ist das, was das Land Hessen den hessischen Kommunen sagt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist übrigens das Gegenteil von dem, was die SPD versprochen hat.
Aber natürlich. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich habe mir Ihr Wahlprogramm angeschaut. Ich habe mir übrigens alle Landtagswahlprogramme angeschaut und gegoogelt, wie oft das Wort Kommunen vorkommt – es geht nichts über die Suchfunktion –: bei der SPD 58-mal, bei der CDU 109-mal und bei den GRÜNEN 79-mal.
„Die Kommunen sind Keimzellen unserer Demokratie. Die Handlungsfähigkeit der Kommunen steht und fällt mit den finanziellen Rahmenbedingungen,“
„die ihnen von der Landesebene vorgegeben werden. Das Land lässt seine Städte, Gemeinden und Landkreise zunehmend im Regen stehen, entzieht sich somit seiner verfassungsrechtlich übertragenen Verantwortung“
Das ist Ihr Vorwurf gewesen. Jetzt regieren Sie, und es ist nicht so, dass die Kommunen mehr bekommen als unter Schwarz-Grün; sie bekommen weniger und noch einmal ausdrücklich gesagt: Wenn es nicht reicht, dann erhöht halt die kommunalen Steuern. – So kann man nicht arbeiten.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Esther Kal- veram (SPD): Das stimmt überhaupt nicht! – Michael Reul (CDU): Das ist schon peinlich!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich glaube, dass wir alle miteinander gut beraten sind, erstens noch einmal klug zu überlegen, was für Möglichkeiten es gibt, die Finanzsituation der Kommunen zu verbessern, weil das – da hat die SPD recht – die Keimzelle unserer Demokratie ist. Da wird der Staat erlebbar. Da spüren die Menschen, wie die Qualität der kommunalen, der öffentlichen Dienstleistungen ist. Da merken sie, wie der Staat am Ende funktioniert, ob das Land funktioniert oder nicht funktioniert.
Das Zweite ist, wir sollten noch einmal sehr genau über die Frage diskutieren, was wir für Möglichkeiten haben, die Kommunen besser zu unterstützen, als ihnen zu sagen: Erstens. Ihr bekommt kein Geld. Zweitens. Wenn es euch nicht reicht, dann erhöht die Grundsteuer. Drittens. Damit haben wir als Land nichts zu tun.