Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

dem Mittelstand helfen und eine falsche Praxis beenden können.

(Antje Blumenthal CDU: Dann machen Sie es man!)

Das Problem ist aber, daß es diese vielen Fälle, von denen immer wieder die Rede ist, gar nicht gibt und daß das Regelwerk in Hamburg eingehalten wird.

Ich selbst habe mich des Themas vor kurzem in zwei Kleinen Anfragen noch einmal angenommen und den Senat zur Nachprüfung von Auftragsvergaben aufgefordert, um nach Verstößen zu fragen.

(Dr. Michael Freytag CDU: Und, ist alles in Ord- nung?)

Im Jahr 2000 hat es 15 nachgeprüfte Verfahren vor der Vergabekammer gegeben. In keinem Fall ist den Antragstellern gefolgt worden. Das sind die Fakten. Nun landen dort vielleicht nicht alle Fälle, und wir wissen, daß Wirtschaft auch mit Psychologie zu tun hat. Der Senat hat – und das halte ich für eine gute Initiative – auf Staatsratsebene eine Gesprächsrunde mit den Kammern eingerichtet, damit dort über konkrete Fälle gesprochen werden kann und schnell Abhilfe gefunden wird. Aber auch aus dieser Gesprächsrunde ergeben sich keine massiven konkreten Hinweise, daß sich die Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand wachsend gegen den Mittelstand richtet. Trotzdem versuchen Sie immer wieder, hier einen grundsätzlichen Streit vom Zaun zu brechen.

Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß sich das Ganze in einem Spannungsfeld zwischen dem wirtschaftlichen Handeln der öffentlichen Unternehmen und dem Schutz der vielen kleinen und mittleren Unternehmen bewegt. Der Senat handelt hier aber verantwortungsbewußt. Ihr inszenierter Streit geht doch an den Realitäten vorbei. Öffentliche Unternehmen wenden in Hamburg die Verdingungsordnung an. Dazu sind sie vom Senat sogar verpflichtet worden, sogar für Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte, so daß Ihr Vorwurf doch ins Leere läuft.

(Zuruf von der CDU: Das sieht die Handwerkskam- mer aber anders!)

Dann gibt es natürlich Ausnahmen, die aber auch dem Regelwerk entsprechen. Öffentliche Unternehmen sollen wirtschaftlich handeln, und Sie sind doch die ersten, die mitprotestierten, wenn es hier zur Mittelverschwendung zu Lasten von Steuerzahlern käme.

(Bernd Reinert CDU: Sie haben eben nicht zu- gehört!)

Deshalb gibt es ja öffentliche Aufgaben, auch in Unternehmensformen, weil in dieser Form wirtschaftlich und effizient gehandelt werden soll.

Wir haben in Hamburg einen leistungsfähigen öffentlichen Sektor, und es ist uns gerade vor kurzem durch eine Untersuchung der Uni Bremen bestätigt worden, daß wir im Städtevergleich hervorragend dastehen.

(Beifall bei der SPD – Jürgen Mehlfeldt CDU: Mit 400 eigenen Betrieben! – Dr. Michael Freytag CDU: Sie haben, wie bereits erwähnt, nicht zugehört!)

Die Ergebnisse der HGV zeigen das recht deutlich. Der Verlustausgleich konnte gesenkt werden, weil die öffentlichen Unternehmen wirtschaftlicher arbeiten.

(Dr. Michael Freytag CDU: Weil es Wettbewerb gibt!)

Auch der Verlust der Hochbahn konnte verringert werden. Auch das sind alles konkrete Erfolge, an denen Sie doch gar nicht vorbeikommen können.

Es gibt Einzelfälle, in denen VOB und VOL nicht angewandt werden. Im übrigen ist das Ziel dieser Regeln auch ein Schutz der kleinen und mittleren Unternehmen vor dem Staat als monopolistischen Auftraggeber. Aber in dem Moment, wo ein Unternehmen sich am Markt bewegt – und das kann eben auch ein Unternehmen im öffentlichen Eigentum sein –, gibt es Ausnahmen, die auch angewandt werden.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das ist Wettbewerbs- verzerrung!)

Konkret geht es immer um zwei Punkte. Lassen Sie uns auch darüber reden. Die Frage ist, ob Generalunternehmer eingesetzt werden können und ob bei Ausschreibungen nachverhandelt werden kann. Das sind übrigens Praktiken, die jedes private Unternehmen anwendet und ohne die keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hergestellt wird. Erkundigen Sie sich doch einmal über die Praxis eines öffentlichen Unternehmens im wirklichen Leben bei Ihrem Abgeordneten Herrn Ehlers, der Geschäftsführer der Sprinkenhof AG ist. Er wird Ihnen bestätigen, daß es Fälle gibt, wo der Einsatz von Generalunternehmern billiger ist. Das ist auch nötig, weil in vielen Bereichen gar nicht das Personal vorhanden ist, um große Bauvorhaben wirklich wirksam zu kontrollieren. Er wird Ihnen auch bestätigen, daß auch öffentliche Unternehmen in die Situation kommen, nachzuverhandeln, um nicht falschen Marktangeboten aufzusitzen. Nutzen Sie doch den Sachverstand, den es auch in Ihrer Fraktion gibt.

(Beifall bei Lutz Kretschmann SPD und Anja Hajduk GAL)

Ein gutes Beispiel, weil wir ja über Konkretes reden wollen, ist die Fertigstellung des neuen Polizeipräsidiums, bei dem auch ein Ihnen gut bekannter Unternehmer als Generalunternehmer tätig war. Es wurde termingerecht fertiggestellt. Die Baukosten blieben sogar 15 Millionen unter den veranschlagten Kosten, und das bei einem Volumen von über 250 Millionen. Das ist schon eine beachtliche Leistung. In der Folge muß die Hamburger Polizei weniger Miete zahlen, und der Hamburger Haushalt und die Steuerzahler profitieren.

Lassen Sie den ideologischen Grundsatzstreit. Der ist nicht durch reales Handeln gerechtfertigt. Wenn es zu Unstimmigkeiten kommt, wenn kleinere und mittlere Unternehmen sich ausgebootet fühlen, gibt es in Hamburg viele offene Türen, und alle sind bereit, hier auch zu helfen.

(Jürgen Mehlfeldt CDU: Dazu sagen wir gleich et- was!)

Die Schärfe, mit der die Handwerkskammer seit Monaten dieses Thema aufgreift, hat vielleicht auch etwas mit Wahlkampf zu tun.

(Unmutsäußerungen bei der CDU)

Ich kann Ihnen nur sagen, die Situation kleiner und mittlerer Unternehmen ist auch der SPD-Fraktion ein hohes Anliegen,

(Jürgen Mehlfeldt CDU: Denken Sie an die Be- triebe!)

aber das richtige Augenmaß geht uns nicht verloren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Axel Bühler GAL)

(Britta Ernst SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Hajduk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ernst hat das Thema sehr eingehend und an diesen verschiedenen Beispielen auch sehr gut verdeutlicht, daß das alles andere als eine einfache Entscheidung ist, sondern daß das ein Balanceakt ist. Jeder Parlamentarier hier im Hause

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Und Parlamentarierin!)

danke – und jede Parlamentarierin, auch die Opposition, müßte eigentlich dieses Balancegefühl spüren: wie eindeutig kann ich mich da eigentlich positionieren, habe ich nicht auch eine andere Verantwortlichkeit.

(Jürgen Mehlfeldt CDU: Aber wenn seit 1999 nichts passiert und wir es schon debattiert haben!)

Ich will einmal darstellen, worum es geht. Sie haben völlig recht – und da haben Sie auch die uneingeschränkte Unterstützung des Hauses –, daß eine mittelstandsfreundliche Politik in Hamburg richtig und wichtig ist, und wir nehmen für uns in Anspruch, daß wir das auch machen.

(Dr. Michael Freytag CDU: Es muß nur gemacht werden!)

Sie selber führen es auch in Ihrem Antrag aus mit den einführenden Worten, daß es zur Klarstellung gegenüber den öffentlichen Unternehmen noch einmal eine Deutlichmachung gibt, daß die Anwendung von VOL und VOB vorzusehen ist und Ausnahmen nicht der Fall sein sollen.

(Jürgen Mehlfeldt CDU: Wer entscheidet die Aus- nahmen!)

Das entscheidet jemand, der bei den öffentlichen Unternehmen indirekt politisch...

(Jürgen Mehlfeldt CDU: Ausnahmen sind heute die Regel, Frau Hajduk!)

Lassen Sie mich doch einmal ausreden, Herr Mehlfeldt. Ich will doch nur auf die andere Rolle zu sprechen kommen. Ich weiß, daß Sie davon betroffen sind. Ich nehme nur folgendes zur Kenntnis.

Wir, die wir die Entscheidung treffen, sind auch dem Einsatz öffentlicher Gelder verpflichtet. Das können Sie hier nicht wegreden. Der Parlamentarier ist nicht dem Einsatz einzig und allein einer Mittelstandsförderung verpflichtet, genausowenig wie er nicht nur den Zielen der öffentlichen Unternehmen verpflichtet sein muß.

(Jürgen Mehlfeldt CDU: Den Ausbildungsplätzen gegenüber sind Sie genauso verantwortlich!)

Genau. Ich sage ja, eine Balance. Sie legen aber einen Antrag vor, der keinen Bewegungsspielraum an einer bestimmten Stelle läßt.

(Bernd Reinert CDU: Kein Platz für Filz!)

Jetzt machen Sie doch nicht gleich wieder das Faß auf.

Ich will es noch einmal andersherum erklären. Ich finde es in gewisser Weise auch witzig. Einerseits sagen Sie, alle öffentlichen Unternehmen gehören vollständig privatisiert. Okay, dann können wir Ihren Antrag gleich in den Müll schmeißen, wenn nämlich alle privatisiert sind, was machen Sie dann? Dann halten sich die privaten Unternehmen alle an VOB und VOL? Das wird es doch erst recht

nicht sein. Jetzt müssen Sie sich einmal entscheiden, über welche Materie wir hier sprechen. Wir reden über die öffentlichen Unternehmen, und wir stehen dazu – vielleicht im Unterschied zu Ihnen –, daß es öffentliche Unternehmen sind. Wenn Sie jetzt sagen, für die öffentlichen Unternehmen soll dann aber weitgehend gar kein Ausweg mehr sein, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzugehen, dann halte ich das für ein einseitiges Verständnis, öffentliche Unternehmen zu führen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Glocke)