Protokoll der Sitzung vom 27.06.2001

„Dazu gehören nicht nur die monatlich regelmäßig stattgefundenen Demonstrationen anläßlich der Bekanntgabe der Arbeitslosenzahlen, sondern auch Aktionen zur ,politischen Aufklärung‘ mit einem Stand auf Wochenmärkten mit dem Ziel, die Bevölkerung zur Abwahl der Kohl-Regierung zu animieren.“

Das haben die Menschen dort sehr empfunden, und so haben Sie sich verhalten.

(Holger Kahlbohm SPD: Und wo ist das Wahlwer- bung für die SPD?)

Die Frau führt weiter aus:

„Die dazugehörigen Unterlagen habe ich im Ordner am ,Info-Stand‘ abgelegt.“

Dann schreibt sie weiter:

„Die Teilnahme an den sogenannten Jagoda-Tagen war ,freiwillig obligatorisch‘. Der stete Druck, der auf uns lastete, die Sorge, den mühsam erstrampelten ABM-Arbeitsplatz nach einem Jahr zu verlieren, weil man sich nicht dem Willen des Geschäftsführers beugte, hat uns immer alle mitgehen lassen. Und nicht wenige haben sich dafür geschämt.“

(Heino Vahldieck CDU: Mit Recht!)

So ist dieser Verein mit Ihrer Duldung mit den Menschen umgegangen, meine Damen und Herren. Das finde ich ungeheuerlich, und dafür sollte hier einmal eine Entschuldigung kommen.

(Beifall bei der CDU – Uwe Grund SPD: Und das glauben Sie alles?)

Was Sie getan haben, ist, daß Sie im nachhinein die Mittel...

(Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren! Ich bitte zunächst um etwas Ruhe.

(Günter Frank SPD: Dann muß er besser werden!)

Was Sie getan haben, ist, daß Sie im nachhinein die Mittel gesperrt haben – das war auch notwendig –, allerdings erst, als Ihnen das Wasser – wie immer in solchen Fällen – bis zum Hals gestanden hat und Sie nicht mehr anders konnten. Denn die Rechenschaftsberichte des Vereins – und das werden wir ja sehen – haben diese Aktionen alle vorher dezidiert aufgeführt, über die Sie sich hinterher, als Sie nicht mehr anders konnten, moralisch empört haben. Sie haben es vorher gewußt, und es war keine Empörung bei Ihnen. Geschwiegen haben Sie und es duldend und freudig zur Kenntnis genommen. Das ist Ihre Haltung gewesen, nichts anderes.

(Beifall bei der CDU – Dr. Martin Schmidt GAL: Ha- ben Sie den Rechenschaftsbericht gesehen?)

Dann, meine Damen und Herren, zu der Frage, wer die Wahrheit gesagt hat.

(Dr. Holger Christier SPD: Sie heute nicht!)

Frau Roth hat in dem Interview des Norddeutschen Rundfunks gesagt, daß es erst am 8. Januar

(Dr. Martin Schmidt GAL: 8. Juni!)

Hinweise gab, daß solche Einnahmen überhaupt möglich seien. Das war ihre Einlassung im NDR-Interview. Demgegenüber liegt das Schreiben von Herrn Pumm vor. Herr Hackbusch hat daraus sehr weiträumig zitiert. Ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen, was in diesem Schreiben steht. Da steht drin:

„Tatsächlich verhält es sich anders. Wie Sie wissen, wird der Verein regelmäßig von Ihrer Behörde geprüft. Die

(Ole von Beust CDU)

letzte Prüfung hat Ende 2000 stattgefunden. In der Prüfung werden sämtliche Unterlagen vorgelegt. Sie stehen mithin den Prüfern insgesamt zur Verfügung.“

Dann werden die Unterlagen genannt, und weiter heißt es:

„Die Einnahmen aus der Lieferung von Lebensmitteln an einzelne Gewerkschaften sind in der Position Spenden im Jahresabschluß verbucht worden. Ich darf auf die Positionen 4010 (1977) und 3530 (ab 1998) des Jahresabschlusses verweisen. Ich stelle nach allem fest,“

so schreibt Herr Pumm weiter –

„daß die Behörde von sämtlichen Einnahmen Kenntnis hatte.“

Das steht also genau im diametralen Gegensatz zu dem, was Frau Roth gesagt hat. Das heißt unter dem Strich: Einer von den beiden sagt nicht die Wahrheit. Die Aussagen widersprechen sich vollständig, denn Ihr Kollege Abgeordneter Pumm habe entlarvt, daß die Senatorin etwas ganz anderes gesagt hat.

(Dr. Holger Christier SPD: Ist doch gar nicht falsch!)

Die Behörde hat doch sämtliche Unterlagen gehabt. Sie wollen doch nicht ernsthaft sagen, Herr Christier, die Behörde hatte Kenntnis, aber Frau Roth habe davon nichts gewußt. Das wäre doch erbärmlich!

(Beifall bei der CDU)

Sie trägt doch die Verantwortung für diese Behörde.

Der Verein sagte, daß er jährlich abgerechnet habe. Sämtliche Unterlagen hätten vorgelegen, auch die Unterlagen über die finanziellen Einnahmen. Frau Roth sagte, sie hätte erst am 8. Juni davon erfahren. Das stellt einen riesigen Gegensatz dar. Einer von beiden sagt nicht die Wahrheit.

(Erhard Pumm SPD: Lesen sie doch mal den ersten Satz vor!)

Ich bitte um Verständnis, daß ich der Auffassung bin, daß in diesem Fall zumindest die erste Anscheinvermutung naheliegt, daß es Frau Roth ist, die nicht die Wahrheit sagt.

(Lachen bei Dr. Holger Christier SPD)

Wenn Sie meinen, Herr Pumm sagt nicht die Wahrheit, dann sagen Sie es. Das möchte ich auch gern hören, denn einer von beiden kann es nur sein.

(Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen auch sagen, warum.

(Dr. Holger Christier SPD: Lesen Sie doch mal die Unterlagen! Das darf doch nicht wahr sein!)

Erstens hat die Behörde auf diverse Kleine Anfragen der Kollegin Blumenthal im Vorwege der ganzen Geschichte über Monate hinweg nicht die Wahrheit gesagt. Zunächst hieß es, es gebe nur anonyme Hinweise; dann hieß es, daß die Behörde sich geirrt hätte, indem sie sagte, daß es auch namentliche Hinweise geben würde. Danach hieß es, daß diese Hinweise erst seit kurzem vorlägen, und dann wurde zugegeben, daß die Hinweise schon im März vorigen Jahres bekannt gewesen seien. Hier haben Sie innerhalb von Monaten vier verschiedene Antworten auf die gleiche Frage gegeben.

Da sollen wir Ihnen noch glauben! Das können wir beim besten Willen nicht. Wer hier die Unwahrheit gesagt hat, setzt sich zumindest dem Verdacht aus, auch in diesem Fall die Unwahrheit gesagt zu haben.

(Beifall bei der CDU)

Das ist eine naheliegende Erkenntnis.

Zweitens: Es liegt eine Anfrage des Kollegen Wersich zum gesamten Sachverhalt vor. Zur Frage, ob die Behörde zu dem Zeitpunkt Kenntnis hatte, als Frau Roth gesagt hat, daß sie keine Kenntnis habe, und, wenn ja, welche, antwortete die Behörde: Das müssen wir prüfen.

Das heißt, zunächst sagte sie, sie habe es erst am 8. Juni erfahren. Dann wurde nachgefragt, was sie genau erfahren habe. Die Antwort lautete: Das unterliegt im Moment der Prüfung. Was denn nun? Entweder wissen Sie es, oder Sie prüfen es.

(Beifall bei der CDU – Dr. Martin Schmidt GAL: Sie verdrehen doch alles!)

Das heißt, unter dem Strich liegt zumindest der Verdacht sehr nahe, daß erstens bei der Beantwortung diverser Kleiner Anfragen – das ist eine Behauptung, die nachweisbar ist – die Unwahrheit gesagt wurde.