Protokoll der Sitzung vom 11.07.2001

Von wem wird das Wort gewünscht? – Herr Professor Karpen, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorgänge der letzten Wochen läuteten das unrühmliche Ende der Justizsenatorin ein,

(Zurufe von der SPD)

und deswegen hat sie auch wohl kein Interesse an dieser Debatte.

Was ist geschehen? 200 Richter am Landgericht, 97 Prozent der Richter, rügten die zunehmenden negativen Folgen des Sparprogrammes. Der Präsident des Amtsgerichts hat sich angeschlossen, ebenso die Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts. Der Präsident der Rechtsanwaltskammer hat gesagt, Stellen sind nicht alles, aber ohne Stelle ist alles nichts. Und die Generalstaatsanwältin sagte, wir brauchen dringend Hilfe. Das kommt einem Aufstand der Justiz gleich. Dieser ist berechtigt. Bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten haben sich seit 1995 10 Prozent aller Stellen verflüchtigt. Von 1998 bis 2000 sind beim Vollzugspersonal 60 Stellen eingespart worden. Im Skandalknast „Santa Fu“ bewachen acht Beamte 400 Verbrecher, und bei den Gerichtsvollziehern stapeln sich die Anträge.

Was tut die Justizsenatorin? Zuerst ergeht sie sich in Betroffenheitsrhetorik und Larmoyanz, sie nehme die Sorgen der Richter sehr ernst. Dann verschafft sie Marscherleichterung. Sie verfügt, daß die Justiz 22 Stellen mit einem Wert von 1,6 Millionen DM nachbesetzen kann. Hoffentlich, Herr Staatsrat, ist das nicht wieder solch eine Luftnummer wie neulich bei der Podiumsdiskussion. Da hatte die Senatorin einem Oberlandesgerichtssenat drei Leute zugesagt. Bei diesem Phantomsenat handelte es sich unter dem Strich um eine einzige Stellenaufwertung R2/R3. Tarnen und täuschen durch die Senatorin.

(Beifall bei der CDU – Dr. Roland Salchow CDU: So ist das!)

(Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Vielen Dank für die Ermunterung zu später Stunde. Die Opposition hingegen hat ihre Aufgaben erfüllt.

(Zurufe und Oh-Rufe von der SPD)

Wir haben seit Jahren den Verzicht auf die Stellenstreichungen der Justiz verlangt.

(Holger Kahlbohm SPD: Er hält eine große Rede, und niemand hört zu!)

In der 16. Legislaturperiode haben wir 53 Anträge diverser Art zur Abwehr des Justizkollapses bereitgestellt. Müßig zu sagen, daß Sie alle mit angenommen haben. Vielen, vielen Dank, Dank, Dank, Dank.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Oh-Rufe von der SPD)

Es darf nämlich nicht dahin kommen, daß die Qualität der Urteile leidet, es darf nicht dabei bleiben, daß das Amtsgericht sich nur noch so durchwurschtelt, wie der Oberlandesgerichtspräsident sagt. Es darf auch nicht zum Kuhhandel zwischen Richtern und Rechtsanwälten kommen. Wir fordern erneut sofortigen Sparstopp, wir fordern sofort eine Personalaufstockung von 10 Prozent der vorhandenen Stellen.

(Petra Brinkmann SPD: Mehr nicht?)

Es ist ja nicht nur der Aufstand der Justiz, meine Damen und Herren. Die Amtszeit der Justizsenatorin, die jetzt zu Ende geht, ist gepflastert mit Mißgriffen.

Erstens: Frauenförderung mit der Brechstange. Zwei Konkurrentenklagen gibt es schon, weil sie minderqualifizierte Bewerberinnen vorgeschlagen hat. Ein eisiges Klima im Richterwahlausschuß.

(Erhard Pumm SPD: Das war da doch noch nie so herzlich!)

Sogar ich leide darunter, obwohl ich die Senatorin länger kenne.

Zweitens: Ein Mißbrauch des Begnadigungsrechts. 62 Prozent der Ersatzfreiheitsstrafler sind außergewöhnliche Härtefälle. Maulkörbe für alle, außer für die Senatorin selbst. Für Polizei und Feuerwehr im Todesfall Vierlande. Sie hütet ihr Herrschaftswissen. Maulkörbe auch für uns, für die Abgeordneten der Bürgerschaft.

(Heiterkeit bei der SPD und der GAL – Günter Frank SPD: Nein, nein!)

Der Amtsleiter der Senatorin, Herr Rickert, als Bewacher aller Knackis und Abgeordneten. So eine Geheimniskrämerei. Und das Versteckspiel mit den Informationen. Die Pistole in Fuhlsbüttel. Wo ist sie? Wo kam sie her? Wo ging sie hin? Man muß der Senatorin die Wahrheit wie die Würmer aus der Nase ziehen.

(Günter Frank SPD: Aufhören!)

Meine Damen und Herren! In jeder Rede – Sie erinnern sich – hat Frau Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit Rühmliches aus ihrer Berliner Amtszeit verkündet. Für die Hamburger Justiz wäre es besser gewesen, sie wäre in Berlin geblieben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Klooß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das muß man Ihnen ja lassen, Herr Professor Karpen, Ihnen gelingt es immer wieder, ernste Themen zu einem karnevalistischen Auftritt umzufunktionieren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. Rolf Lange SPD: Jo-Becker-Verschnitt!)

Deswegen wäre es eigentlich auch ausreichend, meine Rede hier zu beenden. Ich will aber trotzdem auf eine paar inhaltliche Dinge eingehen, denn, was Sie in Ihrer bekannten Art aufgezählt haben, sind Ihre Standardthemen, das ist Ihre kaiserliche Werft, und das kennen wir im Grunde alles, so daß ich mich mit den üblichen Sachen, mit denen Sie Ihre Reden schmücken, auch gar nicht befassen muß.

Kommen wir aber zu dem Antrag und dem, was Sie hier zum Abschied Ihrer Bürgerschaftskarriere abgeliefert haben. Das ist schon mal wieder ein dreistes Stück. Das muß man sagen. Wenn Sie hier von einem unrühmlichen Ende sprechen, dann fällt das aber durchaus auf Ihre Füße zurück.

Sie haben säuberlich Presseerklärungen beschrieben, Sie haben die Justizsenatorin zitiert, eine Stellenstatistik nachgelegt und kommen dann zum Schluß – wer hätte das gedacht? – zu einer pauschalen Stellenerhöhungsforderung von 10 Prozent für die sogenannten betroffenen Bereiche der jeweiligen Gerichte.

Daß Sie hier so etwas zur Abstimmung stellen, zeigt, daß man bei Ihnen offenbar auch gestrichen hat, nämlich den finanz- und justizpolitischen Verstand.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GAL)

Wo bleibt die Gegenfinanzierung? – Fehlanzeige.

Wir haben heute in der Aktuellen Stunde darüber gesprochen. Ihr Konzept besteht darin, öffentliche Unternehmen und Beteiligungen zu veräußern. Das haut nicht hin. Wir brauchen die öffentlichen Unternehmen, und auch sonst geht Ihre Rechnung da nicht auf.

Wo bleibt das differenzierte Eingehen auf die verschiedenen Gerichtsbereiche? – Auch das Fehlanzeige.

Sie hätten einmal mit den Gerichtsvertreterinnen und -vertretern selbst sprechen sollen, anstatt nur ihre Presseerklärungen zu zitieren.

Unsere Justizsenatorin hat das Gespräch gesucht, und es sind mittlerweile sehr akzeptable Ergebnisse herausgekommen. Dabei haben die Gerichtspräsidenten und -präsidentinnen der Senatorin deutlich gemacht, daß die Probleme der Gerichte sehr unterschiedlich sind und dementsprechend auch Lösungen an unterschiedlichen Punkten ansetzen müssen. So hängt die Konsolidierung des Amtsgerichts im Servicebereich von den Fortschritten der dort begonnenen Reformen ab, während das Oberlandesgericht durch geringe Stellenfluktuation gekennzeichnet ist.

Pauschale und undifferenzierte Stellenerhöhungsforderungen sind von den Gerichten nicht gekommen, da diese sich mit den Bereichen, in denen es zur Zeit eng ist, sehr konstruktiv und detailliert auseinandergesetzt haben, im Gegensatz zu Ihnen.

Die Präsidentin des Landgerichts hat außerdem in dem Gespräch klargestellt, daß die Richterinnen und Richter des Landgerichts – entgegen dem Wortlaut Ihrer Pressemitteilung – keine Rücknahme der Streichpolitik verlangen, sondern eine Beendigung der Streichpolitik für die Zukunft und für die Hilfe in einzelnen Bereichen.

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

(Dr. Ulrich Karpen CDU: Deswegen geht sie nach Schleswig!)

Dieses Maß an Differenziertheit paßt nicht zu Ihnen, zur CDU-Opposition, der es mehr um das wahlkampfmäßige Ausschlachten des Themas als um sachgerechte Problemlösungen geht.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

In einem Punkt hat der Antrag recht, nämlich in bezug auf die Justizsenatorin und ihre Stellung zu diesem Thema. Das ist nicht Larmoyanz, wie Sie behaupten, sondern das ist ein Zeichen, daß sie die Befürchtungen der Richterinnen und Richter sehr ernst nimmt. Sie hat reagiert und gehandelt und den Spardruck gezielt gelockert und ist nicht mit der undifferenzierten und finanziell verantwortungslosen Gießkanne losmarschiert. Auch wenn es Ihnen nicht paßt, Herr Professor Karpen, dieses Signal ist bei den Richterinnen und Richtern gut angekommen. Nachdem bereits dem Landgericht die Möglichkeit eröffnet worden war, Wiederbesetzungen im richterlichen Bereich in einem Gegenwert von rund 0,6 Millionen DM vorzunehmen, kann die Justiz jetzt weitere 22 Stellen mit einem Wert von 1,6 Millionen DM nachbesetzen. Die Mittel sollen gezielt in den Bereichen eingesetzt werden, die der Justizsenatorin von den Spitzen der ordentlichen Gerichte und der Staatsanwaltschaft als besonders stützungsbedürftig genannt wurden. Hierzu zählen vor allem die sogenannten nichtrichterlichen Tätigkeitsbereiche, also der Unterstützungsbereich der Staatsanwaltschaft Hamburg, die Servicebereiche der vormundschaftsgerichtlichen und familiengerichtlichen Abteilung des Amtsgerichts Hamburg sowie der strafgerichtliche Bereich des Amtsgerichts Hamburg, der Bereich der Gerichtsvollzieher und die Servicebereiche des Landes- und Oberlandesgerichtes. Darüber hinaus können das Oberlandesgericht zur Komplettierung des neu geschaffenen Senats zwei weitere Richterstellen und das Amtsgericht im Strafbereich eine weitere Richterstelle wiederbesetzen. Das ist nicht Täuschen und Tarnen, verehrter Professor Karpen, das ist Handeln.

(Dr. Ulrich Karpen CDU: Tarnen und täuschen!)

Sicher löst diese weitere Marscherleichterung jetzt nicht alle Probleme der Gerichte und Staatsanwaltschaften, aber sie macht deutlich, daß die Justiz im Senat auch in schwierigen Zeiten ein hohes Maß an Unterstützung gefunden hat.

Die SPD-Fraktion unterstützt dieses deutliche Signal, das sich einreiht in die allgemein abgesenkte Sparquote der Justiz gegenüber anderen Bereichen im Rahmen der notwendigen Haushaltskonsolidierung und die erheblichen Zukunftsinvestitionen in die Justiz, unter anderem im Rahmen von Justiz 2000.