Protokoll der Sitzung vom 05.09.2001

(Dr. Franklin Kopitzsch SPD)

zugsanstalt da wirklich weg muß. Für jeden unter dem NSRegime Inhaftierten würde dies eine unfreiwillige und schreckliche Reise in die Vergangenheit bedeuten, wenn er diese Szenerie auch erlebt hätte. Dies kann nur mit dem Umzug der Justizvollzugsanstalt verhindert werden.

Diese Gedenkstätte wird erhalten, damit niemand die furchtbaren Verbrechen der NS-Zeit vergißt, aber auch, um für die Betroffenen eine Stätte der Trauer und für uns, ob jung oder alt, einen Platz zur Auseinandersetzung mit unserer Geschichte zu schaffen.

Auch wenn wir uns der Geschichte manches Mal schämen, sind wir verpflichtet, den nachfolgenden Generationen diese Geschehnisse zu vermitteln. Der Weiterbetrieb einer Justizvollzugsanstalt dort – lassen Sie es mich noch einmal sagen – mit dieser schrecklichen Vergangenheit wäre das falsche Signal und würde von der eigentlichen Bestimmung der Gedenkstätte in unerträglicher Weise ablenken. Sehr froh bin ich erstens, daß wir die Drucksache tatsächlich noch in der letzten Bürgerschaftssitzung abstimmen können, und vor allem, daß es der Kommission gelungen ist, eine anspruchsvolle und sehr sensible thematische Schwerpunktsetzung zu erarbeiten. An dieser Stelle kann ich mich nur Herrn Dr. Kopitzsch anschließen, Herrn Dr. Garbe und seinen Mitarbeitern sowie dem Freundeskreis meinen Dank und meine Hochachtung auszusprechen für ihren unermüdlichen Einsatz mit geringsten Mitteln und auch mit geringstem Personal – das muß man so klar sagen.

(Beifall im ganzen Hause)

Die Mitarbeiter dieser KZ-Gedenkstätte Neuengamme haben mit nur – ich sage es jetzt einmal in Zahlen – 6,5 Stellen in vorzüglicher Weise glänzende Ausstellungen erstellt, und es ist ihnen gelungen, immer mehr Interessierte zu erreichen – steigende Besucherzahlen geben das eindrucksvoll wieder – trotz der lausigen Verkehrsanbindung, die sehr schnell besser werden muß. Das ist sozusagen das Nächste, was Sie anpacken müssen.

(Beifall bei Andrea Franken GAL)

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kann man die Gedenkstätte einfach kaum erreichen.

Die Neugestaltung dieser Gedenkstätte wird zukünftig den geschichts- und orientierungslos aufwachsenden Jugendlichen helfen – und sicherlich auch so manchem Erwachsenen –, sich mit den Verbrechen der NS-Vergangenheit, mit ihrer und unserer deutschen Geschichte noch mehr auseinanderzusetzen. Meiner Meinung nach ist das Wissen die einzige Möglichkeit, sie vor Ideologien rechts- und linksextremistischer Parolen zu schützen, die grundsätzlich eigene Gedanken und damit natürlich einhergehend Hinterfragungen verhindern. Diesen Heranwachsenden muß wieder ein Werteempfinden von Gut und Böse und wie man unrecht und recht handelt, vermittelt werden. Das ist die wesentliche Aufgabe dieser Gedenkstätte.

In der Drucksache haben wir gelesen, daß die Gedenkstätte einen ungeheuren Zuwachs an Aufgaben hat, die sie in den nächsten Jahren bewältigen muß. Ob dieses mit zusätzlichen 5,5 Stellen möglich sein wird, lasse ich offen. Daher machen mir die tatsächlichen Folgekosten Bauchschmerzen; ich glaube, sie sind zu niedrig errechnet. Das lege ich den Kollegen, die hier im Parlament bleiben, wärmstens ans Herz. Sorgen Sie dafür, daß die Mittel anständig eingeworben werden und weiter fließen und daß wir dieses Konzept so umsetzen können.

Da sich der Senat – Gott sei Dank – mit dieser Drucksache zu diesem inhaltlich anspruchsvollen Konzept entschlossen hat, hoffe ich sehr, daß die qualitativ nötigen Mittel tatsächlich fließen.

An dieser Stelle möchte ich mich jetzt mit etwas Erfreulicherem bedanken. Allen Kollegen im Kulturausschuß, vor allen Dingen aber auch im Eingabenausschuß möchte ich ein herzliches Dankeschön aussprechen. Die Kollegen hier, egal welcher Couleur, waren sehr kooperativ. Wir haben zusammen tatsächlich viel bewirken können. Wir haben gut und fair zusammengearbeitet und noch besser und fairer gestritten für die Rechte des Bürgers und der Institutionen. Sehr herzlichen Dank für diese gute Zeit. Ich bin aber auch nicht traurig, nachher von außen zu beobachten, was nun wirklich umgesetzt wird. Ich danke Ihnen sehr.

(Beifall im ganzen Hause)

Das Wort hat Herr Dr. Schmidt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind in einer Bürgerschaft, und ich bin gegen Andachtsstimmung, deswegen etwas Polemik.

Erstens: Die noch immer unvollendete Geschichte der Verlagerung der Justizvollzugsanstalt Neuengamme. Es war eine seltsame Entscheidung des Senats von 1948, das ehemalige KZ-Gelände als Gefängnis zu verwenden. Man hat es damals mit dem Schlagwort moderner Strafvollzug versehen, weil man ja alles viel besser machen wollte als früher.

Spätestens seit Anfang der siebziger Jahre haben die ehemaligen KZ-Häftlinge gesagt, daß sie sich das nicht gefallen lassen wollen. Bürgerschaft und Senat haben sehr, sehr lange gebraucht, um diesen Anspruch positiv zu erwidern. Noch 1984 hat die Bürgerschaft einen Antrag der damaligen GAL-Fraktion abgelehnt, der dies zum Ziel hatte. Erst 1989 hat es dann der Senat beschlossen und ein Jahr später die Bürgerschaft.

Wenn ich richtig informiert bin und es richtig erinnere, muß ich jetzt einen Mann nennen, der dazu große Verdienste erworben hat, daß dies geschehen ist, das ist der damalige Abgeordnete Jan Klarmann, SPD. Ohne ihn wäre das wahrscheinlich nicht zustande gekommen. Jan Klarmann war auch Mitglied der Senatskommission, die 1991 gebildet wurde und der einige Bürgerschaftsabgeordnete angehört haben, darunter auch ich. Außer mir und Herrn Klarmann waren noch Robert Vogel für die FDP und Fridtjof Kelber für die CDU dabei.

Damit komme ich auf den nächsten Punkt. Ich finde es sehr schön, daß die CDU Frau Vahlefeld heute erlaubt, ihre persönliche Ansicht darzustellen, nachdem die CDU bis heute kein einziges positives Votum zur Auflösung der Justizvollzugsanstalt in Neuengamme gefunden hat. Das ist eine Schande für die CDU Hamburgs.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGENBO- GEN – für eine neue Linke)

Und zwar eine ziemlich groß Schande, das soll man auch mal laut in dieser Bürgerschaft sagen. Sie haben alle geschwiegen, sich angehört, was Frau Vahlefeld gesagt hat, die uns erklärt hat, daß Sie auch schon seit zehn Jahren dieser Meinung ist. Sie haben es in allen Bürgerschaftsdebatten abgelehnt und dagegengestimmt. Sie haben nie

(Rena Vahlefeld CDU)

mals ein positives Wort dazu gefunden und haben auch Frau Vahlefeld niemals dazu reden lassen.

(Jürgen Klimke CDU: Ach was, das ist doch nur Po- lemik!)

Dafür sollten Sie sich wirklich schämen. Das ist in der Tat eine notwendige Polemik. Sie können nicht, nachdem Sie in allen Bürgerschaftssitzungen hier immer feierlich das Gegenteil erklärt haben, heute einfach mitschwimmen wollen und sagen, wir waren immer dafür. Das waren Sie nicht, Sie waren mit Bewußtsein dagegen und haben bei jeder Debatte dagegen gestimmt, und es gab viele in den letzten 15 Jahren.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Jürgen Klimke CDU: Blödsinn!)

Das werde ich Ihnen noch lange vorhalten, auch wenn ich nicht mehr in diesem Saale rede. Sie wollen ja demnächst, wenn es das Volk so entscheiden sollte, mit einem Herrn regieren, der noch immer der Meinung ist, daß die Justizvollzugsanstalt nicht verlegt werden sollte. Wollen Sie das wirklich, oder sollte Frau Vahlefeld heute nur eine Alibirede gehalten haben? Was werden Sie denn tun, falls Sie wirklich regieren sollten? Kann man das heute abend erfahren? Nein, von Ihnen kann man gar nichts erfahren, weil Sie heute nur unverbindliche Reden halten, wie es Herr Salchow uns den Abend über vorgeführt hat.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich gebe zu, daß ich nicht nur über die CDU ärgerlich bin, sondern auch über das, was in den letzten zehn Jahren seit 1991 auf Senats- und Bürgerschaftsseite vorgefallen ist.

(Antje Blumenthal CDU: Daran sind Sie auch betei- ligt!)

Keine Sorge, meine Lieben!

Der Senat hat 1990 beschlossen, diese Verlegung stattfinden zu lassen. 1991/1992 hat eine Senatskommission getagt, an der auch die Vertreter der Amicale teilgenommen haben. Diese hat in ihrem Abschlußbericht ausdrücklich gewünscht, daß zum Jahrestag der Befreiung im Jahre 1995, 50 Jahre nach der Befreiung, die Justizvollzugsanstalt nicht mehr bestehen solle.

Es ist dem Senat nicht gelungen, das durchzuführen, obwohl es viele verbale Äußerungen dieser Art gab. Auch in den Jahren danach ist es nicht gelungen. Es gab Haushalts- und Finanzpläne, in denen der Neubau nicht mehr enthalten war. Erst in den letzten Jahren ist es wieder vorangekommen. Hier muß ich wieder einen Namen nennen, weil sich diese Frau sehr viele Verdienste dafür erworben hat, daß es damals schon und jetzt endlich zustande gekommen ist, nämlich die Justizsenatorin Frau Dr. Peschel-Gutzeit, der wir sehr viele Fortschritte in diesem Punkt zu verdanken haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Jetzt sind wir endlich so weit, daß man sagen kann, daß es wahrscheinlich nicht mehr rückgängig zu machen ist, es sei denn, es gibt wirklich eine Katastrophe bei der Wahl und die CDU folgt Herrn Schill und nicht Frau Vahlefeld.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Unter den Argumenten der CDU, die immer vorgebracht wurden, gab es auch eins, das man ernst nehmen konnte. Das habe ich in der Tat zum ersten Mal von Herrn Kelber gehört, der uns in der damaligen Senatskommission deutlich gemacht hat, daß es auch seiner Meinung nach völlig

falsch war, daß man dort 1948 ein Gefängnis eingerichtet hat. Er sagte, daß man das aber nach so vielen Jahren nicht mehr rückgängig machen könne und es so lassen müsse. Das sagte er mutig, ehrlich und offen im Angesicht der Vertreter der ehemaligen KZ-Häftlinge.

Das Argument ist trotzdem falsch, denn wir haben in den letzten Jahren erlebt, daß die Geschichte der Nazi-Zeit noch lange nicht zu Ende ist. Sie haben alle in diesem Hause sehr energisch dafür plädiert, daß das, was die neue Bundesregierung 1998 begonnen hat, auch stattfindet, nämlich die Entschädigung für die ehemaligen Zwangsarbeiter.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das hat auch lange genug gedauert!)

Auch das war 50 Jahre lang tot und ist erst durch die rotgrüne Bundesregierung in Gang gesetzt worden. Dann war auch die CDU, die vorher in der Regierung in Bonn war und nichts getan hat, dafür.

Es ist ebenso klar, daß wir noch immer nicht am Ende der Aufhebung aller nationalsozialistischen Unrechtsurteile sind. Darüber ist auch in diesem Haus mehrfach gesprochen worden. Das heißt, die Geschichte hat uns immer wieder eingeholt, und deshalb ist es auch notwendig, daß das Gefängnis dort verschwindet und daß diese Gedenkstätte ordentlich eingerichtet wird.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Man muß sich allerdings in dieser Situation hinsichtlich des Geschichtsbewußtseins dieses Landes auch der Debatte stellen. Es ist in letzter Zeit erneut sehr heftig unter klugen Leuten debattiert worden, ob unser Geschichtsbewußtsein nicht ein bißchen dadurch eingeengt ist, daß in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer nur über das Dritte Reich gesprochen wird und die Geschichte davor nicht mehr in den Köpfen der Menschen ist. Ich denke, das ist ein ernsthaftes und wichtiges Argument.

Dennoch müssen wir an dieser Stelle sagen, daß wir gar nicht anders können, als dafür zu sorgen, daß die Monumente und die äußeren sichtbaren Kennzeichen der Geschichte des Dritten Reichs so sichtbar bleiben, daß auch die zukünftigen Generationen sie sehen. Ich stimme Herrn Kopitzsch auch sehr darin zu, daß wir es nicht tun, weil wir erziehen wollen, sondern nur damit die Menschen es sehen und damit jede neue Generation sich ihr eigenes Bild der Vergangenheit machen kann.

Es bleibt natürlich bestehen, daß in Deutschland etwas passiert ist, was ein Schrecken für die gesamte Menschheit ist. Es ist aber nicht nur ein Schrecken für die Menschen an sich, sondern der Schrecken ist auch der, daß ein Staat und eine ganze Gesellschaft das gern mitgemacht haben, was hier passiert ist. Damit dieses nicht vergessen wird und auch die äußeren sichtbaren Zeichen dieser Sache für zukünftige Generationen sichtbar bleiben, deshalb muß das so geschehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Frau Koppke, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Leider habe ich nur noch eine Minute Redezeit und insofern nicht die Gelegenheit, in eine größere Debatte einzusteigen, auch wenn