Protokoll der Sitzung vom 05.09.2001

Nehmen wir ein anderes Beispiel, daß sich Jobst Plog und Martin Willich Schauspieler und Regisseure in den Aufsichtsrat hineinnehmen würden. Das glauben Sie doch nicht im Ernst. Deshalb sind die genauso daran interessiert, daß ein Unternehmen funktioniert, daß ökonomischer Sachverstand, organisatorischer, kommunikativer und juristischer Sachverstand vorhanden ist. Das alles ist für ein Unternehmen gefordert, damit es blüht, Gewinne macht, im Wettbewerb bestehen kann und ein gutes Image hat. Das wünsche ich dem UKE für die Zukunft. Ich möchte

(Helgrit Fischer-Menzel SPD)

dafür stehen, daß in diesem UKE Spitzenmedizin und Spitzenforschung gemacht werden kann und daß es ein gutes Image hat. Deshalb muß dieses Gesetz sein, auch wenn Sie dagegen sind.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Wolfgang Beuß CDU: Wir haben verstanden!)

Das Wort erhält Frau Koppke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unsere Position ist nach wie vor: Ein UKE-Gesetz ja, aber nicht so.

Dieses „aber nicht so“ – darauf hat Herr Zamory eben bereits hingewiesen – ist seit gestern um einen ganz neuen Aspekt bereichert worden, denn das ganze Gesetz ist vermutlich verfassungswidrig; so äußerten sich jedenfalls Anwältinnen und Anwälte in der „taz“,

(Jürgen Schmidt SPD: Das ist deren Beruf!)

weil bei der Überführung eines Gesetzes in eine neue Rechtsform die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Recht auf Widerspruch haben müssen, und das ist im Gesetz ausgeschlossen.

(Wolfgang Marx SPD: Glauben Sie alles, was in der Zeitung steht?)

Ich bin keine Juristin und lese natürlich mehrere Zitate von Anwältinnen und Anwälten in der Zeitung. Für mich ist das zumindest mal wieder ein Beleg dafür, daß, wenn dieser Punkt in Frage steht, dieses Gesetz offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt wurde.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Hauptinteresse der Behörde ist es, das UKE so schnell wie möglich in die Selbständigkeit zu entlassen. Die inhaltliche Ausgestaltung der Strukturnovelle ist dabei offensichtlich weniger von Interesse; nebenbei bemerkt wären sinnvolle Strukturänderungen sogar ohne eine Verselbständigung umsetzbar.

Das „aber nicht so“ bezieht sich aber auch auf unsere inhaltliche Kritik an diesem komplett kontraproduktiven Gesetzentwurf. Statt Ausweitung von Mitbestimmungsrechten und Aufbrechen der starren Hierarchie, Gehorsam und Schweigestrukturen findet eine erneute Machtfokussierung auf den Ärztlichen Direktor statt. Es gibt keine obligatorischen Institutsräte mehr und eine miserable Zusammensetzung des Kuratoriums, nämlich ohne eine Parität von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Zusammenlegung der Personalräte bedeutet die faktische Abschaffung des wissenschaftlichen Personalrats, und auch Patientenschutz und Patientenrechte fehlen komplett.

Das UKE sei ein System ohne Kritikfähigkeit, das solche Skandale, wie den in der Herzchirurgie, immer wieder hervorbringen müsse. So hat es Herr Dr. Altenhoff vom wissenschaftlichen Personalrat auf einer Anhörung der Gruppe REGENBOGEN beschrieben.

Der UKE-Skandal hat in der Tat erneut deutlich gezeigt, in welche Richtung strukturelle Änderungen hätten vorgenommen werden müssen, um solche Vorfälle bestmöglich zu vermeiden. Diese liegen sicher nicht in der Zunahme von Hierarchien oder der faktischen Abschaffung des wissenschaftlichen Personalrats.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Sybill Buitrón Lübcke CDU)

Frau Sager interessiert das alles aber gar nicht mehr. In der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses reichte sie fast jede an Sie gerichtete Frage pauschal nach hinten weiter. Selbst auf die Frage, ob die Behörde von April bis zum Artikel in der „Morgenpost“ im Juli, wie es die Akteneinsichtnahme zeigte, geschlafen hat oder ob die BWF in Sachen UKE-Skandal eigentlich irgendeine Aktivität in dieser Zeit unternommen habe, wußte sie keine Antwort. Schließlich mußte Frau Fischer-Menzel der Senatorin zu Hilfe kommen, indem sie sagte, es müsse schon irgend etwas gegeben haben, möglicherweise ein Telefonat. Auch daraufhin schwieg die Behörde, weil die Senatorin nicht wußte, ob oder gegebenenfalls was sie in dieser Zeit unternommen haben könnte. Dazu muß ich sagen, Frau Sager, wenn Sie keine Lust mehr haben, lassen Sie es einfach.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Sie haben nicht nur die Öffentlichkeit und das Parlament nicht informiert, nachdem Ihnen der Fall D. bekannt wurde – da hat Herr Salchow völlig recht –, und nicht nur, daß Sie sich erst in der ersten Julihälfte bei der Staatsanwaltschaft nach dem Fortgang der Erkenntnisse erkundigten, auf die Sie immer verwiesen haben, weil Sie selbst nichts in Gang gebracht haben – das ist übrigens auch im Protokoll so nachzulesen, dies an die Adresse der GAL –, sondern Sie haben erst jetzt zwei Untersuchungskommissionen eingesetzt. Eine dieser Untersuchungskommissionen hat immerhin den Auftrag, die Strukturdefizite, die organisatorischen Mängel und die Nichterfüllung von Informationspflichten zu untersuchen. Leider sollen diese Ergebnisse keinen Einfluß mehr auf die Strukturnovelle haben. Daher zeigt sich an der UKE-Novelle eigentlich nur folgendes: Schlechte Arbeit, politische Ignoranz, Desinteresse.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

Das Gesetz in der vorliegenden Fassung heute beschließen zu wollen ist völlig verantwortungslos.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Senatorin Sager.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wer hier behauptet, dieses Gesetz sei nach acht Jahren, nachdem alle Fragen auf allen Ebenen nicht hundertmal, sondern tausendmal durchgekaut und diskutiert worden sind, mit heißer Nadel gestrickt worden, hat tatsächlich ziemlich lange sehr tief geschlafen.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Petra Brinkmann SPD: Genau!)

Wer heute dennoch versucht, diese Verselbständigung des UKE zu hintertreiben und sie wieder einmal zu verhindern, gefährdet die wirtschaftliche Zukunft des UKE und auch seine Existenz als Einrichtung für Forschung und Lehre in dieser Stadt.

Meine Damen und Herren, diese Verselbständigung ist notwendig und überfällig. Es gibt hier kein neues Argument in der Sache, sondern immer wieder die alten Versuche, diese überfällige Verselbständigung doch noch zu Fall zu bringen.

(Wolfgang Beuß CDU: Weil das Gesetz schlecht ist!)

(Helgrit Fischer-Menzel SPD)

A C

B D

Es ist gut, daß das nicht gelingen wird.

Ich will dennoch einmal auf einige Fragen, die hier aufgeworfen wurden, eingehen. Es wird wieder einmal behauptet, es gebe im Kuratorium zu wenig externen Sachverstand.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Quatsch!)

Sie wissen, daß der Senat gesagt hat, daß unter den fünf Senatsmitgliedern auf jeden Fall externer Sachverstand vertreten sein wird, und wir sind auch schon in Gesprächen mit externen Sachverständigen. Damit es daran keine Zweifel gibt, wird das von den Fraktionen jetzt auch noch im Gesetz explizit festgehalten. Aber, Herr Salchow, es ist nicht Aufgabe des Kuratoriums, die Patienten zu behandeln; das machen die Ärzte am UKE. Das Kuratorium ist ein Aufsichtsgremium. Trotzdem wird es in diesem Aufsichtsgremium auch ärztlichen Sachverstand geben, sowohl unter den Sachverständigen als auch unter den Vertretern, die das UKE entsendet.

Um es noch einmal festzuhalten, das UKE entsendet drei Mitarbeiter. Einen Vertreter der stärksten Gewerkschaft, einen Vertreter des Fachbereichs, und ferner werden wir auch noch den Universitätspräsidenten dabei haben. Wer hier fordert, es solle eine paritätische Mitbestimmung geben, fordert im Grunde, daß die akademische Seite gar nicht vertreten sein soll. Das ist für eine Universitätsklinik schlicht nicht hinnehmbar.

Die CDU hat sich über Wochen und Monate nicht entscheiden können, ob sie für das UKE mehr oder weniger Staat will.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Genau!)

Heute hörte es sich mal wieder so an, als wollten Sie weniger Staat im Kuratorium. In den Diskussionen, die wir im Ausschuß geführt haben, hatte ich eher den Eindruck, daß Sie Angst haben, daß der staatliche Einfluß zu gering sein könnte, weil man das UKE auch weiter im Auge behalten muß.

Der Staat und der Senat bleiben in der Verantwortung, sowohl finanziell, aber auch hinsichtlich der Rechtsaufsicht. Richtig ist aber vor allem auch, daß das UKE eine neue starke Leitungsstruktur braucht. Wer behauptet, hier würde erneut die Macht des Ärztlichen Direktors gestärkt,

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Der hat nichts ver- standen!)

hat wiederum vom UKE überhaupt nichts begriffen.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und bei Petra Brinkmann SPD)

Das, was Sie versucht haben, hier in die Debatte zu streuen, nämlich das Thema des sogenannten Falles „Lars“, hat mit der UKE-Verselbständigung und mit diesem Gesetz nichts zu tun, Herr Salchow.

Wenn man aber aus diesem Fall irgendwelche Lehren für das Gesetz ziehen will, dann heißt es, daß erstens die Strukturen so schnell wie möglich geändert werden müssen und zweitens, daß sie in die Richtung geändert werden müssen, wie dieses Gesetz es vorsieht. Es muß Schluß damit sein, daß der Ärztliche Direktor identisch ist mit dem Dekan und daß der Dekan sozusagen von den Chefs der Abteilungen über den Fachbereich gewählt wird, um dann automatisch Ärztlicher Direktor zu werden.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: So ist es!)

Es ist ein Fortschritt, daß diese beiden Funktionen und Verantwortlichkeiten, einerseits Forschung und Lehre und andererseits die Krankenversorgung, getrennt werden, daß die Position des Ärztlichen Direktors öffentlich ausgeschrieben wird und auch jemand von außen kommen kann und daß es eine Wahl vom Kuratorium gibt und nicht von den Chefs der unteren Abteilungen selbst. Das ist eine Lehre aus diesem Fall.

Vieles, was Sie über diesen Fall wieder mal zum besten gegeben haben, ist schlicht falsch.

(Dr. Roland Salchow CDU: Was denn?)

Sie haben verschwiegen, daß die Staatsanwaltschaft ausdrücklich erklärt hat, daß sie autonom ermittelt und selbst entscheidet, wann und an welche Dienststellen und Behörden sie herantritt. Sie hat sich entschieden, an das UKE heranzutreten und nicht an die BWF.