Protokoll der Sitzung vom 19.01.2000

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Damit dies vielleicht irgendwann noch einmal anders wird, wollen wir durch unseren Antrag auf Einrichtung eines Ausschusses für Migrations- und Flüchtlingspolitik nachhelfen. Mehr dazu später. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Herr Senator Wrocklage.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Integrationspolitik ist eine politische Gestaltungsaufgabe, die sich uns für die nächsten Jahrzehnte stellt; ich könnte auch ohne zu übertreiben sagen, für das nächste Jahrhundert; und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

Wir müssen einerseits die materiellen, die faktischen Voraussetzungen für Integration verbessern. Wir müssen, wie der ehemalige Ausländerbeauftragte Günter Apel es gesagt hatte, den gesellschaftlichen Grundwertekonsens Schritt für Schritt voranbringen. Ferner müssen wir, um die eigene Bevölkerung weiter dabeizubehalten, den Ordnungsrahmen für das Ausländerrecht wahren und die Chancen nutzen, die das neue Staatsangehörigkeitsrecht uns bietet; wir müssen die neuen Möglichkeiten ausschöpfen. Insofern begrüße auch ich die Informationsoffensive der Ausländerbeauftragten, die übrigens vom EinwohnerZentralamt gleichermaßen mitgetragen wird.

Meine Damen und Herren, vor einem Jahr haben wir hier über das Staatsangehörigkeitsrecht diskutiert, und ich möchte daran erinnern, daß ich mit den damaligen Regelungen nicht so besonders einverstanden war, weil sie mir nicht weit genug gingen. Inzwischen habe ich allerdings meinen Frieden mit dieser Regelung gemacht, und zwar nach einem Gespräch mit Herrn Apel, der mich noch einmal besonders darauf aufmerksam gemacht hat, daß die Einführung des Jus soli, nämlich des Geburtsortsprinzips, ein wirklicher materiell-struktureller Fortschritt ist, dessen Wirkung wir nicht unterschätzen sollten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir arbeiten derzeit an der Umsetzung von Verwaltungsvorschriften. Hierzu möchte ich meinen Kollegen von der CDU noch einmal sagen: Wir werden es nicht zulassen, daß die jetzt über zwei Bundesländer getroffenen Regelungen, nämlich Bayern und Baden-Württemberg, wieder eingeengt werden. Wir haben gerade die Verwaltungsvorschriften des Bundesrates wieder von der Tagesordnung genommen, um sicherzustellen, daß der von den Staatssekretären erzielte Kompromiß gewahrt wird. Wir werden also unser wachsames Auge darauf richten, daß wir die Bewegungsmöglichkeiten, die wir haben, erhalten. Diese Bewegungsmöglichkeiten bestehen für die Länder zum Beispiel hinsichtlich der Frage des Nachweises von Sprachkenntnissen oder auch bei der Ausnahme von der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit.

Wenn wir auf die Verhältnisse in unserer Stadt sehen, stellen wir fest, daß rund 195 000 ausländische Mitbürgerinnen mit mindestens achtjähriger Aufenthaltsdauer in Hamburg leben. Das sind 67000 mehr als vor dieser Reform.Wir sehen also, wie sich das Potential entwickelt hat. Wir haben im Einwohner-Zentralamt durch die Einstellung von sieben Mitarbeitern Vorsorge getroffen, und ich darf berichten, daß wir seit der zweiten Januarwoche eine wirkliche Aktivität unserer ausländischen Bürger feststellen können, die Einbürgerungsanträge stellen. Bis gestern, Dienstag, dem 18.

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Januar 2000, sind rund 400 Anträge gestellt worden.Im gesamten Januar des Vorjahres waren es etwa 500.

Wir haben eine Entwicklung vor uns, die wir konstruktiv begleiten wollen. Wir müssen weiter informieren und um unsere ausländischen Bürger werben. Wir sind auf einem guten Weg, denn das Einwohner-Zentralamt ist darauf ausgerichtet, die ausländischen Bürger in Richtung auf eine effektive Einbürgerung zu beraten.Ich weiß, was für unsere Städte beim Thema Integration auf dem Spiel steht. Diese Aufgabe müssen wir mit Ernsthaftigkeit angehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Pumm.

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Die heutigen Aussagen von Herrn Professor Karpen waren enttäuschend. Sie haben keinen Weg für die Integrationspolitik aufgezeigt.

(Dr. Ulrich Karpen CDU: Ich habe sechs Punkte er- wähnt!)

Die Fortsetzung der Regierungspolitik Kohl ist nicht zukunftsfähig.

In einer Stadt mit 270 000 Ausländern und einer großen Zahl von Menschen, deren Urgroßväter eingewandert sind, haben wir nach wie vor die Situation, daß diese Menschen immer noch Ausländer sind.Wenn wir keine Parallelgesellschaft wollen, müssen wir politisch handeln. Wir Deutsche müssen das Signal geben, daß die Ausländer, die hier dauerhaft mit festem Wohnsitz in dieser Stadt leben, alle deutsche Staatsbürger werden sollen. Dieses Signal geht von dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht der Bundesregierung aus und ist angelehnt an das Staatsangehörigkeitsrecht der meisten europäischen Länder. Damit geben wir auch den Weg frei für einen Schritt zur weiteren Integration innerhalb der Europäischen Union.

Herr Dr.Karpen hat eine Reihe von Argumenten aufgeführt, mit denen wir uns auseinandersetzen sollten.Er sagte zum Beispiel, daß der Anteil der jungen Ausländer ohne Hauptschulabschluß wesentlich höher sei als bei den Deutschen. Das stimmt. Außerdem sagte er, daß sehr viele Ausländer in benachteiligten Stadtteilen wohnen würden. Auch das stimmt. Es stimmt auch, daß mehr Ausländer arbeitslos sind als Deutsche. Das kann doch nur bedeuten, daß wir uns bemühen müssen, diese Situation zu ändern.Viele Ihrer Argumente sind nicht gegen die Integration und Einbürgerung gerichtet, sondern sie verdeutlichen ein soziales Problem. In Wilhelmsburg leben andere Bürger als in Nienstedten.Es ist ein Problem von Arm und Reich, von Bildung, weniger Bildung. Deswegen müssen wir in unserem gemeinsamen Interesse und im Interesse der Zukunftsfähigkeit der Stadt alles tun, daß in den nächsten Jahren viele Ausländer, die schon lange Inländer sind, deutsche Staatsbürger werden. Sie müssen von uns das Signal erhalten, daß die Gesellschaft sie als deutsche Staatsbürger auch will! Wenn wir dieses Signal geben, leiten wir den Prozeß ein, die sich entwickelnde Parallelgesellschaft zurückzufahren.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wird zu diesem Thema noch das Wort gewünscht? –

(Dr. Roland Salchow CDU: Nach Herrn Pumm er- übrigt sich das!)

Herr Erdem, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich habe ich diese Kleidung bewußt angezogen, um zu zeigen, daß ich eingebürgert worden bin. Ich mußte mich an die deutsche Gesellschaft gewandt haben, um in den Genuß der Reichs- und Staatsangehörigkeit zu kommen. Viele Emigranten müssen dies auch nach dem neuen Gesetz tun, um den Bundesadler zu verdienen. Sie werden sich natürlich diesen Bundesadler verdienen, aber es ist wichtig, einiges dazu zu sagen.

Wir haben es nach 87 Jahren geschafft, dieses Gesetz zu ändern. Damals haben die Sozialdemokraten gefordert, daß die hier im Reich lebenden und arbeitenden Emigranten eingebürgert werden. Das möchte ich nicht weiter ausführen, weil ich nur kurz reden kann.

Es ist wichtig, daß das alte Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz nunmehr Geschichte ist und daß seit dem 1.Januar 2000 dieses Gesetz

(Papier zerreißend – Dr. Holger Christier SPD: War das das alte?)

im Mülleimer der Geschichte landet. Für viele Emigranten ist es wichtig, daß sie ein Signal der Akzeptanz erhalten haben.Frau Goetsch und Herr Pumm haben einiges dazu gesagt. Ich möchte mich deshalb nicht wiederholen. Aber für uns Emigranten ist es wichtig, nicht als Bittsteller dazustehen, sondern wir erwarten von der Mehrheitsgesellschaft, daß sie ihrerseits auf uns zukommt, damit wir sozialpolitisch integriert werden.

Eine sozialpolitische Integration kann nur erfolgen, Herr Karpen, wenn eine rechtliche Gleichstellung der Emigranten erfolgt, die – so hoffe ich – seit dem 1. Januar 2000 hoffentlich erreicht wird.Insbesondere die hier geborenen Kinder werden unweigerlich eine doppelte Staatsbürgerschaft erhalten, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.Kinder, die das zehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, werden sie ebenfalls bekommen. Das ist wichtig und richtig. Es ist der Durchbruch zur Erlangung der doppelten Staatsbürgerschaft. Ich hoffe, daß in Zukunft auch Emigranten von diesem Recht mehr und in vielfältiger Form Gebrauch machen.

Zum Schluß meiner Rede möchte ich Frau Brinkmann ansprechen. Sie sagten, daß die erste Rede im Parlament in diesem Jahr von einer Frau eröffnet wurde.Ich wünsche mir für die nächsten Jahre, daß das Parlament mit der Rede von einer Emigrantin eröffnet wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.Damit kommen wir zum nächsten, von der CDU-Fraktion angemeldeten Thema:

Pflegenotstand in Hamburg

Das Wort hat Frau Rudolph.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gerade vor einem Jahr wurden die Hamburger Sozialpolitiker durch die Häufung von Todesfällen bei Dekubitus aufgeschreckt. Dekubitus kann meistens durch sorgsame Pflege verhindert werden. Die Bürgerschaft reagierte darauf mit einer umfassenden Anhörung zur ambu

(Senator Hartmuth Wrocklage)

lanten und stationären Pflege am 29. März des vergangenen Jahres. Die Erwartungen der beteiligten Verbände und Pflegeeinrichtungen an uns waren sehr groß.Nach langen, zähen und erfolglosen Verhandlungen mit Pflegekassen und Sozialbehörde im Interesse der vielen Menschen, die auf angemessene und sorgfältige Pflege angewiesen sind, setzten Sie nun auf die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Bevölkerung. Sie hofften, daß wir wirklich eine Verbesserung der Pflegebedingungen durchsetzen würden.

Nach monatelangen Ausschußberatungen haben Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der GAL, mit Ihrem lächerlichen Antrag im Oktober letzten Jahres den Kredit der Bürgerschaft verspielt.

(Beifall bei der CDU)

Die konkreten Forderungen der CDU waren Ihnen nicht einmal eine erneute Ausschußberatung wert.Wenn Sie die damaligen kritischen Stellungnahmen und Hilferufe ernst genommen hätten, dann gäbe es die derzeitige öffentliche Diskussion über die Pflege nicht, die vor allem den pflegebedürftigen Menschen zusetzt und bei ihnen Unruhe und Unsicherheit hervorruft.

Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, daß Sie Ihre Rolle verwechseln, denn Sie regieren nicht.Wann sind Sie einmal mutig genug, gravierende Fehler des Senats zu korrigieren, wenn es insbesondere um alte und kranke Menschen geht?

(Uwe Grund SPD: Reden Sie doch mal zur Sache!)

Das ist die Sache, Herr Grund. Wir haben sie nämlich im Oktober hier diskutiert. Ihr Antrag war so pflaumenweich und nur als Prüfantrag deklariert; er hat nichts zur Sache gesagt und keinerlei konkrete Konsequenzen aus den halbjährigen Beratungen und Anhörungen gezogen. Darum ist jetzt wieder die Diskussion so laut geworden.

(Ole von Beust CDU: Richtig!)

Worum geht es denn? Es geht darum, daß von den Einsparungen durch die Pflegeversicherung in Höhe von 250 Millionen DM in der Sozialhilfe endlich Geld für eine verbesserte Pflege abgezweigt wird, damit nicht alle Ersparnisse in den Haushalt fließen.

(Beifall bei der CDU)

Nicht einmal der gesetzliche Teil für Investitionen fließt von diesen 250 Millionen DM ab. In der stationären Pflege der Heime bedeutet das, daß der Personalschlüssel angehoben werden mußte. Die Pflegeversicherung gibt der ambulanten Pflege Vorrang vor der stationären Pflege, das ist uns allen auch wichtig und wird von uns unterstützt. Es bedeutet aber auch, daß die älteren Menschen in einem Zustand in das Heim kommen, in dem sie schon sehr intensive Pflege benötigen. Das erfordert ein Mehr an Personal. Die Hamburger Pflegegesellschaft fordert seit 1998 dreieinhalb Minuten mehr an Pflegezeit für die Heimbewohner. Das hört sich für uns lächerlich an, aber es bringt auf 100 Heimbewohner insgesamt zwei zusätzliche Pflegekräfte, die dringend erforderlich sind. Der Pflegesatz würde sich dann um zusätzliche 3,50 DM pro Tag erhöhen. Dieser Betrag muß aus den vorgenannten Ersparnissen möglich sein.

In der ambulanten Pflege geht es um den Ausgleich für die seit 1995 erhöhten Kosten, die seitdem um 8,5 Prozent gestiegen, während die Beträge in der Pflegeversicherung gedeckelt sind. Diesen Ausgleich kann man nur über eine Er