Protokoll der Sitzung vom 19.01.2000

Verfehlungen, so bedauerlich sie auch sind, wird es in einer solchen Organisation immer geben. Um solchen Situationen vorzubeugen und Versäumnisse adäquat aufzuarbeiten, gibt es neben anderen effektiv arbeitenden Instanzen – wie etwa dem Dezernat Interne Ermittlungen – auch diese Kommission.

Nach der Kommissionsarbeit von einem Jahr können wir noch keine abschließenden Bewertungen vornehmen. Auch die Kommission selbst hält sich damit zurück. Verschiedene Beschwerdepunkte lassen sich dennoch herausfiltern. Einen von ihnen möchte ich herausgreifen, weil hier Erfahrungen und Empfehlungen des Untersuchungsausschusses „Hamburger Polizei“ eine große Rolle spielen: der Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern.Hier kam es anscheinend vermehrt zu Auffälligkeiten. Es hat immer wieder konfliktträchtige Situationen bei Personenkontrollen, insbesondere im Bereich des Hauptbahnhofs oder des Schanzenviertels gegeben.Wo es sich erkennbar um ausländische Mitbürger handelt, die auch deshalb mit bestimmten Delikten in Zusammenhang gebracht werden, kommt es auf beiden Seiten leichter zu vorurteilsbehafteten Verhaltensweisen. Hier stehen die Beamten vor einer schwierigen Situation, deren Bewältigung ihnen viel Geschick, Augenmaß und Selbstbeherrschung abverlangt. Diesbezüglich wird ein großes Angebot von auch extern durchgeführten Fort- und Ausbildungsveranstaltungen vorgehalten. Deren Wahrnehmung steht im freiwilligen Ermessen der Polizistinnen und Polizisten.

Neben der Überlegung, die Beamten zur Teilnahme zu verpflichten, könnte man auch einen anderen Gedanken verfolgen: Könnte man nicht dafür sorgen, daß junge Kolleginnen und Kollegen bei Einsätzen in derartigen Situationen von erfahrenen und bewährten älteren Beamten begleitet werden? Oder sollte nicht wenigstens ein Teil der dort eingesetzten Kolleginnen und Kollegen nachweisbar an den beschriebenen Schulungen teilgenommen haben? Dies würde sicher zur Entspannung in Konfliktsituationen beitragen.

Die Polizeikommission hat sich bisher als Ergänzung zu den bereits vorhandenen Beschwerde- und Ermittlungsinstanzen erwiesen; als solche war sie auch gedacht. Mit jedem Jahr werden wir konkreter beurteilen können, wie effektiv und notwendig diese Kommission wirklich ist. Die Verdienste anderer Ermittlungs- und Aufklärungsinstanzen, insbesondere der polizeiinternen, werden dadurch nicht negiert. Es gibt vielmehr ein abgerundetes Bild der Überprüfungsmöglichkeiten.

Ich möchte abschließend noch einmal betonen: Wir mißtrauen unserer Polizei nicht, wir vertrauen ihr. Es geht

(Manfred Mahr GAL)

darum, ihren Topstandard zu halten und auszubauen. Deshalb muß der Leistungsstand stets aufs neue kontrolliert werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält Herr Vahldieck.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die positive Einschätzung, insbesondere von Herrn Mahr, aber auch von Herrn Dr. Schäfer, über die Arbeit der Polizeikommission teile ich ausdrücklich nicht.

Die Polizeikommission ist sozusagen der fleischgewordene Ausdruck des Mißtrauens gegenüber der Polizei. Dies wird von der Polizei auch so empfunden. Die Polizei empfindet sich allein durch die Existenz der Polizeikommission unter Generalverdacht; wir halten das für unangebracht und für nicht angängig. Die Kommission hat diese Aufgabe auch dankbar angenommen. Der Bericht zeigt auch keine Überraschungen auf, denn wenn man Negatives finden will, findet man immer etwas. Wenn dies nicht gelungen wäre, wäre Herr Mahr sicherlich nicht so begeistert gewesen. Denn wenn im Bericht positive Ergebnisse gestanden hätten, wäre das nicht in Ihrem Sinne gewesen, Herr Mahr; so schätze ich Sie zumindest ein.

Die Polizeikommission hat keine Fakten gefunden, sondern es sind vielmehr Eindrücke, Emotionen, vage Verdachte, nebulöse Befürchtungen und Begriffe wie „Hierarchie der Glaubwürdigkeit“ herausgekommen. Diese Aussagen werden einer soliden Prüfung nicht standhalten können. Das ist unser erster Eindruck. Im Innenausschuß werden wir darüber sicher sprechen.

Es ist richtig, was Herr Freiberg in diesem Zusammenhang gesagt hat. Die Kosten für die Polizeikommission in Höhe von 400 000 DM wären besser für die Gehälter von fünf Polizisten angelegt. Das finde ich absolut zutreffend.

(Manfred Mahr GAL: Und die kontrollieren sich dann gegenseitig, oder wie?)

Herr Mahr, was den Sicherheitsgewinn betrifft, sind die Gehälter für fünf Polizisten sinnvoller angelegt als für drei von hauptamtlichen Mitarbeitern unterstützte ehrenamtliche Kommissionsmitglieder, die in Ergänzung zu einer Vielzahl anderer Instanzen – wie beispielsweise Gerichte – die Aufgabe haben, die Rechtmäßigkeit von Polizeihandeln zu überprüfen.

(Manfred Mahr GAL: Wir können auch das Parla- ment abschaffen, und der Senat regiert alleine!)

Ja, wir haben das Parlament und die Deputation, die DIE und die Gerichte, und wir haben die Dienst- und Fachaufsicht. Am Ende kommt nun auch noch die Polizeikommission dazu. Eine besondere Gruppe wird unter besondere Beobachtung gestellt; das ist unangebracht.

(Beifall bei der CDU – Manfred Mahr GAL: Wir haben doch Vertrauen!)

Für mich steht fest, daß das der Sicherheit in unserer Stadt nichts bringen wird. Das Geld wäre anderswo besser aufgehoben gewesen. Die von der Polizeikommission zu Papier gebrachten Vorstellungen, Herr Mahr, daß es sinnvoller wäre, eine Professionalisierung durchzuführen, mit anderen Worten: die Kosten noch mehr hochzujubeln. Wir halten das geradezu für einen Aberwitz und werden uns mit Sicherheit darauf nicht einlassen.

(Manfred Mahr GAL: Haben Sie den Bericht über- haupt gelesen?)

Wir werden dies im Innenausschuß erörtern. Die Polizeikommission und die Polizeiführung werden dort sicherlich die Möglichkeit haben, sich dazu zu äußern.Wir sehen dem mit Interesse entgegen. Aber insgesamt wird meine skeptische Haltung durch den vorgelegten Bericht der Polizeikommission bestätigt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Uhl.

Herr Vahldieck, ich bin erstaunt und etwas irritiert.

(Heino Vahldieck CDU: O Gott!)

Ich habe das Gefühl, daß ich nicht mehr weiß, was Sie aus dem Polizeiskandal gelernt haben. Ich frage mich, was Sie seitdem vergessen haben. Sie haben in einem gemeinsamen Bericht aller Fraktionen festgestellt, daß es bei der Polizei strukturelle Probleme gibt, die dazu führen würden, daß das Fehlverhalten einzelner gedeckt werde. Eine Polizeikommission war das Ergebnis der Untersuchung des gesamten Parlaments über den Polizeiskandal.

Und jetzt passiert mit Ihnen noch viel mehr als vielleicht mit dem Senator, es passiert etwas ganz Denkwürdiges. Am Senator läßt es sich vielleicht am besten beschreiben. Da ist ein Mann mit Macht und einer dicken Fraktion im Hintergrund, und der beschließt, daß nur drei Leute – bis auf uns aus allen Spektren dieses Parlaments – ehrenamtlich eine Polizeikommission bilden sollen, also abends, am Wochenende und so weiter. Er fordert ihnen viel ab. Diese drei sollen Ansprechpartnerinnen für alle sein, die mit Polizei zu tun haben, für die Ordnungshüter selbst wie auch für alle, die in irgendeiner Weise mit ihnen konfrontiert werden, also mit vielen Menschen, und es kamen auch viele Menschen zu der Kommission.

Die Kommission hat aufgeschrieben, was noch an strukturellen Problemen in der Polizei steckt.Viele von uns kennen Teile dieser Probleme, weil sie im PUA „Hamburger Polizei“ waren und sich im Mehrheitsbericht sogar viele von den jetzt genannten Problemen wiederfinden.

Was passiert dann? Diese Kommission stellt ihren Bericht vor, indem sie das konstatiert und sozusagen eine Handreichung gibt, Probleme anzugucken und Schlußfolgerungen für Demokratisierung und Enthierarchisierung der Polizei daraus zu ziehen. Diese Schlußfolgerungen liegen vor, und damit soll nicht nur dieses Parlament, sondern auch dieser Senat etwas tun.

Was ist die Reaktion des einen Mannes mit der Macht und der dicken Fraktion im Hintergrund? Die Reaktion dieses einen Mannes mit der Macht und der dicken Fraktion im Hintergrund ist, das sei alles nicht ernst zu nehmen und unsubstantiiert, man habe Roß und Reiter nicht benannt. Im übrigen stellt er sich mal wieder vor, hinter und neben seine Polizei.

Gleichzeitig war dieser Mann aber auch derjenige, der beschlossen hat, daß die Polizeikommission nur mit drei Menschen und ehrenamtlich arbeiten kann; das ist eine extrem scheinheilige Argumentation.In dem Moment, wo sie einen Arbeitsstab hätten, wäre es garantiert möglich, Roß und Reiter zu benennen.

(Dr. Martin Schäfer SPD)

Von daher ist das sehr viel Stoff, was die Kommission vorgelegt hat, mit dem sich dieses Parlament auch auseinandersetzen muß, und ich hoffe, daß es das tun wird.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält Herr Senator Wrocklage.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Vahldieck hat eben die Kommission als das Fleisch gewordene Mißtrauen bezeichnet. Ich möchte dem ausdrücklich widersprechen, denn es handelt sich bei dieser Kommission gerade nicht um institutionalisiertes Mißtrauen, sondern um ein Frühwarnsystem, Herr Vahldieck, das dieses Parlament im übrigen durch Gesetz beschlossen hat, unabhängig von den Mehrheiten, die es gegeben hat.

Vor diesem Hintergrund schulden Innenbehörde und Polizei diesem Gesetz und damit der Kommission und natürlich auch den dort tätigen Personen, die ihre ehrenamtliche Arbeit leisten, Respekt. Wir sollten mit dieser Kommission vorsichtig und behutsam umgehen.

Wir haben ohne Zögern diesen Bericht dem Parlament zugeleitet, weil wir auch gar nichts zu verbergen haben und uns vor dem Vorwurf schützen wollten, wir würden etwas zurückhalten. Wir haben Ihnen diesen Bericht mit der Ansage zugeleitet, daß der Senat in Kürze Stellung nehmen werde. Wir haben inzwischen eine Drucksache erarbeitet, die in dieser Woche noch in die Behördenabstimmung geht. Das heißt, wir werden das Parlament voraussichtlich Anfang Februar erreichen können.

Das ist auch der richtige Zeitpunkt, um sich mit den hier genannten Aussagen der Polizeikommission auseinanderzusetzen. Wir werden uns mit jedem einzelnen Vorschlag sorgfältig auseinandersetzen. Insofern sollten wir die Diskussion im Innenausschuß abwarten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wer möchte die Vorlage an den Innenausschuß überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dieses Begehren wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Dann kommen wir zum Tagesordnungspunkt 10: Große Anfrage der CDU zur Überlastung von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern.

[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Überlastung von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern in Hamburg – Drucksache 16/3397 –]

Für diese Vorlage beantragt die SPD-Fraktion eine Überweisung an den Rechtsausschuß.Wer wünscht hierzu das Wort? – Das Wort erhält Frau Spethmann.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Die starke Belastung von Gerichtsvollziehern seit Anfang 1999 hat die CDU-Fraktion veranlaßt, diese Große Anfrage an den Senat zu richten. Der Arbeitsanfall in diesem Bereich führt seit Jahren zu der Situation, daß zwischen Eingang eines Zwangsvollstrekkungsauftrags und dessen Erledigung teilweise sechs Monate liegen. Seit der Beantwortung dieser Großen An

frage wissen wir, daß es zum Teil sogar mehr als sechs Monate sind. Doch eine Vollstreckung von Zwangsvollstreckungsbeiträgen nach einem Gerichtsurteil lebt davon, daß sie möglichst schnell stattfindet und der Schuldner nicht verschwindet oder die Sachen zum Verschwinden bringt.

Die starke Beanspruchung der Hamburger Gerichtsvollzieher ist aber auch auf das Inkrafttreten der Zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle zurückzuführen. Seit dieser Gesetzesreform ist es Aufgabe der Gerichtsvollzieher, eidesstattliche Versicherungen abzunehmen. Diese Aufgabe oblag vorher den Rechtspflegern. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies: 72795 beantragte Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und 20 953 durchgeführte Verfahren müssen von der gleichen Zahl der Gerichtsvollzieher zusätzlich erledigt werden. Hinzu kommt eine Steigerung von persönlichen Zustellungen und anderen Postzustellungen in einer Größenordnung von mehr als 11000.

Diese Mehrarbeit kann nicht ohne weiteres bewältigt werden. Es muß so zu starken, nicht mehr als hinnehmbar zu bezeichnenden Verzögerungen kommen. So warten einige Gläubiger nicht nur sechs Monate seit Antragstellung auf irgendeine Rückmeldung des Gerichtsvollziehers, sie warten schon vorher im Rahmen des Gerichtsverfahrens auf eine Meldung, daß das Urteil endlich gesprochen worden ist – das dauert bekanntlich lange –, und dann warten sie noch über sechs Monate und länger.Ich habe bei mir in der Anwaltskanzlei Fälle, in denen der Gerichtsvollzieher sich noch nicht einmal gemeldet hat und zum Teil unbekannt war, wer der zuständige Gerichtsvollzieher ist. Nach sechs Monaten mußten wir das herausfinden; das sind untragbare Zustände. Sie können einen Schuldner nicht so in der Luft hängen lassen.Es geht nicht nur um den Gläubiger, es geht auch darum, daß der Schuldner Rechtssicherheit hat, was passieren soll.Das sind keine Zustände;soweit die Beschreibung der Situation.