Seit einer Woche, meine Damen und Herren, zeichnen die CDU und die „Bild“-Zeitung in einer wirklich beispiellosen Kampagne ein Bild der Angst und des Schreckens für Hamburg.
Im Zentrum steht dabei vor allem die Rote Flora. Keine Schweinerei ist den Protagonisten zu schmutzig, um sie nicht zu benutzen. Der heimtückische Handgranatenanschlag in der Hamburger Prominentendisco „J’s“ und die Vorfälle im Schanzenviertel werden zu einem unverdaulichen Brei zusammengerührt, weil sich so viel besser über Terror und Gewalt in Hamburg schreiben läßt. Die Polizei kann zum wiederholten Male sagen, daß von der Roten Flora in jener Nacht keine Gewalt ausgegangen sei.Das interessiert weder die CDU noch die „Bild“-Zeitung.
Um es noch einmal klar und deutlich zu sagen: Die Rote Flora hat bei den Auseinandersetzungen in jener Nacht nur eine nachweisbare Rolle gespielt:Sie wurde – wie auch die in der Nähe liegenden Kneipen – von Menschen auf der Flucht – auch vor Polizeiknüppeln – als Schutzraum aufgesucht.
In der Roten Flora wurden verletzte Menschen medizinisch notversorgt und Krankentransporte organisiert. Das mag Ihnen nicht passen, aber es ist trotzdem die Realität.
Meine Damen und Herren von der CDU! Hören Sie zu, auch wenn Sie gerade laut schreien: Fakten interessieren weder die „Bild“-Zeitung noch die Hetzer der CDU. Die Bilder von brennenden Barrikaden und verletzte Polizisten dienen nur dazu, eine populistische Law-and-order-Kampagne loszutreten, die keine Grenzen kennt. Es paßt Ihnen nicht, zu recherchieren, ob auch Demonstranten oder gänzlich Unbeteiligte verletzt wurden. Ebenso paßt es Ihnen nicht, nachzufragen, warum Menschen verprügelt wurden, ohne daß die Polizei ein erkennbares Interesse daran hatte, diese Menschen später auch festzunehmen.
Ich hoffe, daß wir uns wenigstens in einem Punkt einig sind: Keine Gewalt gegen Menschen, weder gegen Polizisten noch gegen Demonstrantinnen und Demonstranten. Darauf können wir uns gern verständigen.
Es paßt Ihnen aber auch nicht, nach den Rechtsgrundlagen zu fragen, auf deren Basis die Polizei Stunden nach den letzten Auseinandersetzungen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Tanzveranstaltung in der Roten Flora – ich formuliere das einmal so – vorläufig festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt hat. Stellen Sie sich vor, das würde in der Musikhalle – wo Sie wahrscheinlich eher hingehen – passieren. In die Musikhalle rennt jemand hinein, dem man vorwirft, Steine geworfen zu haben. Man hält Sie fest und nimmt von Ihnen die Personalien auf. Diesen Aufschrei in Hamburg würde ich gerne hören. Aber das interessiert Sie auch nicht.
Es interessiert Sie auch nicht, zu fragen, warum man zum Beispiel keine Rechtsanwälte oder auch andere Bürgerschaftsabgeordnete als die beiden schon anwesenden in die Rote Flora gelassen hat. Das hat Sie nicht interessiert, weil es nicht Ihr Problem war.
Der – angeblich von der CDU als viel zu lasch beschriebene – Polizeieinsatz ist nach unseren Erkenntnissen eher so zu bewerten, daß er am obersten oder sogar schon fast über dem Rand der rechtlichen Möglichkeiten liegt.
Herr Wrocklage, wenn Sie heute die unsachlichen Kampagnen und Berichterstattungen der „Bild“-Zeitung zu Recht beklagen, dann haben Sie mit dem überharten Polizeieinsatz und vor allem mit der Zahl der Festnahmen, die Sie als Erfolg feiern, erst dafür gesorgt, daß man jetzt auf die Rote Flora sieht und die Bewohner als Rechtsverbrecher bezeichnet. Sie selbst haben das Fundament für die von Ihnen heute so vehement beklagten Umstände geschaffen.
Es geht hier eindeutig nicht um Fakten, sondern um Stimmungsmache. Es wird auch nicht davor zurückgeschreckt, eine persönliche Hetzjagd auf einzelne Menschen des Vereinsvorstandes zu machen. Da werden nicht nur die kompletten Namen genannt, sondern es wird auch noch in deren Privatleben herumgeschnüffelt. Eigentlich fehlen nur noch die Angaben über die Adressen, damit die Neonazis ihre Steckbriefsammlung im Internet komplettieren können. Das hat sofort aufzuhören!
Ich möchte noch einmal auf die CDU zurückkommen. Sie geben doch immer vor, daß Sie für die Sicherheit der Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt kämpfen. Die Hamburgerinnen und Hamburger sollen sich wohl fühlen können. Das finde ich auch. Aber genau dieses Lebensgefühl wird von der CDU und ihrer Kampagne gegen alles, was ihr nicht paßt – egal, ob Rote Flora oder Bauwagenbewohner –, kaputtgemacht. Denn auch Sie von der CDU wissen ganz genau, daß objektiv betrachtet die Sicherheitslage in Hamburg gut ist.
Herr Salchow, das subjektive Empfinden der Menschen wird maßgeblich auch davon beeinträchtigt, was in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Hier haben Sie sich aus meiner Sicht als schlimme Hetzerinnen und Hetzer betätigt.
(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Axel Bühler GAL – Michael Fuchs CDU: Nein, nein, nein! – Glocke)
Frau Abgeordnete Sudmann, Sie haben das zweite Mal das Wort „Hetzer“ gebraucht. Das erste Mal habe ich es nicht gehört; aber ich bitte Sie, es zu unterlassen, die CDU-Kollegen als Hetzer zu bezeichnen. Das ist nicht in Ordnung.
Okay, aber ich mache trotzdem weiter. Das gleiche gilt für die Bauwagen. Hier haben Sie die von Ihnen ausgelösten Diskussionen nicht gewollt. Sie sorgen dafür, daß neonazistische Gruppen genau diese Diskussion als Versuch nutzen, um sich politisch zu profilieren. Sie inszenieren eine geistige Brandstiftung.
Einen letzten Satz. Gelassenheit ist gefragt. Es wäre ein Armutszeugnis, wenn eine Stadt wie Hamburg ein
autonomes Stadtteilzentrum wie die Rote Flora nicht ertragen könnte und sich die Politik von dickbalkigen Schlagzeilen erpressen ließe.
(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Karl-Heinz Ehlers CDU: Die Dame hat nicht alle Hühner auf dem Balkon!)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach fünf Jahren relativer Ruhe mußten wir in der Nacht zum 1.Mai einen neuen Ausbruch massiver Gewalt mit über 20 verletzten Polizisten, eingeworfenen Fensterscheiben, Brandstiftungen, Verunsicherungen im Schanzenviertel von Autonomen hinnehmen.
Herr Ehlers, wir sind uns in diesem Hause hoffentlich alle einig: Rechtsbruch und Randale kann und wird der demokratische Rechtsstaat nicht tolerieren.
Vor diesem Hintergrund hat die Polizei mit durchgreifendem Erfolg in der Nacht zum 1. Mai unter schwierigen Bedingungen gute Arbeit geleistet. Dafür danke ich den eingesetzten Beamtinnen und Beamten auch von dieser Stelle ausdrücklich.
Besonders dem Einsatzführer, Herrn Weisschnur, gilt mein ganz persönlicher Dank; zu danken ist ferner der Feuerwehr mit ihren Rettungskräften.
Aber es gibt auch Anlaß für bedauerliche Feststellungen. Zu bedauern ist erstens, daß es zum Schaden der im Schanzenviertel lebenenden Menschen einen von Gewalttätern bewirkten Rückschritt gegeben hat.
Der liberale Herr von Beust und die gesamte CDU haben sich von einem sich anbahnenden Konsens verabschiedet, der nach Überzeugung des Senats nach wie vor trotz aller Rückschläge am ehesten Erfolg verspricht. Die CDU fährt zwischen den Extremen vertraglicher Nutzung einerseits und der sofortigen Räumung der Roten Flora andererseits – je nachdem, an welche Stimmung sie sich gerade anhängen will – einen wankelmütigen Schlingerkurs.