Protokoll der Sitzung vom 10.05.2000

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Bürgerschaft wird heute einen weiteren wichtigen Schritt zur Verwirklichung der Arena im Volkspark tun, indem sie dem Senat eine Grundstücksübertragung unter den Bedingungen erlaubt, die der Senat selbst in einer Mitteilung an die Bürgerschaft formuliert hat. Die Vorschläge des Senats sind im Stadtentwicklungsausschuß und im Haushaltsausschuß gründlich beraten worden und haben dort die Zustimmung aller Fraktionen bekommen.

Wir hoffen, daß dies klappt und daß sich die aufhaltsame Geschichte der Mehrzweckhalle bald einem guten Ende nähert.

(Volker Okun CDU: Solche Worte aus Ihrem Munde!)

Wann? Irgendwann, bald oder vielleicht sogar alsbald? Ein Wort darf ich nicht verwenden, weil dies als zynisch oder defätistisch angesehen werden würde: „unverzüglich“.

Müßte ich das Wort „unverzüglich“ in einem deutschen Wörterbuch erklären, welcher Zeitraum damit beschrieben werden kann,

(Dr. Ulrich Karpen CDU: Ohne schuldhaftes Zö- gern!)

würde ich aus der Geschichte der Beziehungen zwischen Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg zitieren.Vielleicht lehrt uns das, wie lange „unverzüglich“ dauern kann und was „unverzüglich“ bestimmt nicht heißt.

Am 19. Mai 1998 schickte der Senat eine Mitteilung an die Bürgerschaft, betreffend den Umbau des Volksparkstadions und den Bau einer Mehrzweckhalle. So schnell arbeitete die Bürgerschaft: Am 20. Mai wurde die Mitteilung an die Ausschüsse im Vorwegverfahren überwiesen; der Stadtentwicklungsausschuß hat darüber am 25. Mai und der Haushaltsausschuß am 26. Mai beraten; am 28. Mai faßte die Bürgerschaft ihren Beschluß. Dies geschah bestimmt sehr schnell, aber bestimmt nicht „unverzüglich“. Denn was „unverzüglich“ im staatlichen Leben heißt, wissen wir noch nicht.

In dem Beschluß am 28. Mai beschloß die Bürgerschaft aufgrund der Empfehlung des Stadtentwicklungsausschusses und des Haushaltsausschusses einstimmig, den Senat zu ersuchen – ich zitiere wörtlich –:

„... unverzüglich ein Verkehrskonzept mit dem Ziel vorzulegen, den Anteil der ÖPNV-Benutzer beim Besuch des Stadions und der Arena zu erhöhen.“

21 Monate später – Ende Februar 2000 – legte der Senat der Bürgerschaft wieder eine Mitteilung zum Thema Mehrzweckarena vor, in der er dieses Ersuchen nicht nur nicht beantwortete, sondern es bei der Behandlung des Verkehrs- und Stellplatzkonzeptes weder erwähnte noch inhaltlich berücksichtigte.Heute – am 10.Mai 2000 – sind seit dem Bürgerschaftsbeschluß von 1998 fast zwei Jahre vergangen.

(Senatorin Karin Roth)

(Jürgen Schmidt SPD: Das ist fast aktuell, Herr Kol- lege!)

Wir haben zunächst den lexikalischen Befund, daß im frühen 21. Jahrhundert im norddeutschen Sprachgebiet, in noch genauer zu definierenden Bevölkerungsschichten – jedenfalls in der Innenstadt von Hamburg, wahrscheinlich genauer im Rathaus – das Wort „unverzüglich“ verwendet werden kann, um einen zeitlichen Abstand von einer Handlung zu einer anderen zu beschreiben, der mindestens zwei Jahre, möglicherweise aber länger dauert.

Von der Philologie zur Politik. Die GAL und die SPD legen Ihnen heute einen Antrag vor, in dem erneut dieses Verkehrskonzept verlangt wird. Er enthält dieses Mal keine relative Zeitbestimmung zum Tag des Beschlusses, sondern eine absolute, er nennt nämlich den Zeitpunkt der Grundstücksübertragung als den, an dem auch das Verkehrskonzept vorliegen soll. Ich bin neugierig, wie das diesmal ausgeht oder ob auch dieses Ersuchen eines Tages zu der Liste der 63 Ersuchen hinzugezählt werden muß, die zur Zeit in Hamburg Politik macht.

(Volker Okun CDU: Das ist nicht ausgeschlossen!)

In der Sache muß folgendes festgestellt werden: Alle Ausführungen des Senats in der Drucksache 16/3906 zur Verkehrspolitik beziehen sich auf den Bau von Stellplätzen und die Verbesserung der Zufahrtsmöglichkeiten zu denselben. Die Stadt würde sich finanziell mit über 12 Millionen DM engagieren, die aber einzig und allein dem Zweck dienen, die Erreichbarkeit von Volksparkstadion und Arena für den privaten Autoverkehr zu verbessern.

Wenn dies als Verkehrskonzept verstanden werden sollte und auch verwirklicht würde, dann wäre jeder weitere Beschluß – wie wir ihn auch heute fassen wollen – überflüssig und sinnlos, weil jede ÖPNV-Verbesserung nur herausgeschmissenes Geld wäre. Denn dann hätten Investor und Staat gemeinsam viel dafür getan, daß der öffentliche Personennahverkehr zum Stadion und zur Arena weiter zurückginge und nur noch von den Kindern, die kein Auto fahren dürfen, und von den letzten Deppen benutzt werden würde.

Wenn Sie aber den Beschluß von 1998 jetzt erneuern und den Zusatzantrag von SPD und GAL beschließen, dann bedeutet dies auch, daß die Frage von Stellplätzen und Straßenaus- und -umbauten im Lichte dieser Zielsetzung erneut geprüft werden muß. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält Herr Dobritz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr.Schmidt, diese Rede haben Sie schön vorgetragen.

Eigentlich wollte ich zum Verkehr am Schluß etwas sagen, aber da Herr Schmidt darauf seinen Schwerpunkt gelegt hat, will ich damit anfangen.

Selbstverständlich ist es richtig, daß 1998 die Bürgerschaft einstimmig eine gewisse Erwartungshaltung formuliert und einen entsprechenden Antrag angenommen hat.

(Volker Okun CDU: Eine Erwartungshaltung oder einen Beschluß gefaßt?)

Aber man muß objektiv sagen – Herr Okun, das wissen Sie viel besser als viele hier im Saal –, daß es eine zentrale Ver

änderung in der Konzeption gibt, denn es wird auf die völlige Mantelbebauung verzichtet. In der Mantelbebauung waren entsprechende Stellplatzgaragen untergebracht.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Das ist alles seit 1998 be- kannt!)

So lange ist es nicht bekannt.

Diese Veränderung verlangt, daß über die Frage des ruhenden Verkehrs mit dem Investor, der zur Vorlage einer neuen Konzeption verpflichtet ist, neu nachgedacht werden muß.Erst wenn diese Frage endgültig geklärt ist, kann man sich den konzeptionellen Fragen des fließenden Verkehrs zuwenden.Weil man gern konzeptionell vorgeht – das kennen wir alles von Herrn Dr. Schmidt –, ist das nun einmal die Reihenfolge.

Wir erneuern diesen Antrag. Da er sehr viel präziser gefaßt ist, lese ich Ihnen diesen vor:

„Die Bürgerschaft erwartet, daß im Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung ein Verkehrskonzept vorgelegt wird, das entsprechend dem Bürgerschaftsbeschluß vom 28. Mai 1999 geeignet ist, den ÖPNV-Anteil beim Besuch des Stadions und der Arena zum Beispiel durch zusätzliche Busverkehre zu erhöhen.“

Dieser zu fassende Beschluß weist den Weg, den Zeitpunkt und weist auch im Rahmen der Angebotsverbesserung in die richtige Richtung.

Zur Sache. Mit der heutigen Anhandgabe des Grundstücks ist in einer schwierigen, komplizierten Investitionsfrage im Hinblick auf die Realisierung des Projekts Arena ein wirklicher Meilenstein erreicht worden,

(Volker Okun CDU: Nicht der letzte!)

der so auch als Botschaft transportiert werden muß.

Wir alle wissen, daß diese Arenen bisher an den Finanzierungskonzepten und an der Unmöglichkeit gescheitert sind – siehe in Köln –, eine entsprechende Halle über die anfallenden Betreiberkosten und -erträge so betriebswirtschaftlich zu finanzieren, daß der Staat im nachhinein möglichst nicht für die weitere Finanzierung in Anspruch genommen wird. Das gilt auch für diese Arena; entsprechende Aussagen wurden in beiden Ausschüssen auch gemacht.

Ich sage es hier gern auch noch einmal, weil in den Ausschüssen von interessierter Seite merkwürdigerweise bei diesen Fragen nachgebohrt wird. Über die kostenlose Zurverfügungstellung der Fläche wird die Hamburger Bürgerschaft keinen Beitrag zur Investitions- und zur Betreiberfinanzierung leisten.

Zur Frage, wer das Restrisiko trägt, wenn der Investor rund 70 Prozent seines Kapitals zusammen hat, der Bau auch in einem bestimmten Umfang realisiert wurde, aber er aufgrund bestimmter ökonomischer Umstände nicht weiter bauen kann. Dieses Risiko wird nicht auf den Staat zulaufen. Man kann aus gutem Grund sagen, daß dann eine Größenordnung an Investitionen erreicht wurde, die eine Weiterführung auf privatwirtschaftlicher Basis zuläßt. Jede Erwartungshaltung in diesem Punkt, die öffentliche Hand doch noch in die Investitions- oder Betreiberfinanzierung einzubinden, ist damit von vornherein ausgeschlossen.

Im Haushaltsausschuß habe ich übrigens von Herrn Okun gelernt, daß die Stadt Hamburg, die von den Vertretern des Spitzensports immer so klein geredet wird, über eine Fülle von Hochleistungssportangeboten verfügt, die weit über ihre Grenzen bekannt sind. In diesem Monat finden zum

(Dr. Martin Schmidt GAL)

Beispiel die Internationalen Deutschen Tennismeisterschaften am Rothenbaum statt, im Volksparkstadion wird Fußball gespielt. In Hamburg findet das Deutsche Derby der Springreiter statt, im Hammer Park eines der größten Leichtathletikmeetings, der Hansemarathon und die HEWCyclassics. Inzwischen haben wir Angebote im Spitzensport, die sich im Vergleich mit vielen Städten sehen lassen können.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Und das alles ohne Arena!)

Wir setzen mit der Realisierung der Arena noch eins drauf. Darüber freuen wir uns natürlich sehr.

In der Frage der Realisierung gibt es unterschiedliche Einschätzungen; über die Finanzierungen habe ich schon gesprochen.Positiv ist zu vermerken, daß eine zusätzliche Erwartungshaltung durch die Wirtschaft selbst gekommen ist. Diese Erwartungshaltung hat vor allem etwas mit der wirtschaftlichen Entwicklung am Standort Hamburg zu tun und damit, daß mit dem Bau von Hallen und entsprechenden Angebotsinfrastrukturen durch die EXPO in Hannover und durch die Hauptstadt Berlin eine Konkurrenzsituation entstanden ist. Sie macht es zwingend erforderlich, daß auch in Hamburg eine entsprechende Halle vorgehalten wird.

Der Senat hat eine Drucksache vorgelegt, die sehr seriös ist. Sie ist auch in der Sache angemessen, wie man nämlich mit einem Dilemma umgeht, daß man dem potentiellen Investor eine Chance geben will, dieses Projekt zu realisieren.Dazu hat der Senat Meilensteine formuliert, die wir als Grundvoraussetzung für die spätere Übertragung des Grundstücks mitbeschließen.Wir beschließen die Aussicht auf eine Anhandgabe, um dem Investor die Möglichkeit zu geben, Eigenkapital in der Größenordnung von rund 70 Prozent zu akquirieren. Er hat am Ende die Zusage eines Kreditinstituts über die Herausgabe eines Finanzierungsvolumens von rund 21 Millionen DM vorzulegen. Es ist auch – das hatte ich anfangs gesagt – die Vorlage einer Vereinbarung über die Stellplatzkonzeption erforderlich.

Wir gehen Schritt für Schritt – die Juristen sagen: schlicht um schlicht – vor, das heißt, die öffentliche Hand begibt sich in ein relativ geringes Risiko, sie begleitet aber nach vorne schauend diesen Prozeß. Der Investor weiß, daß er morgen loslegen kann.

Die öffentliche Hand – die Bürgerschaft und der Senat – hat ihren Schritt getan und ihre Schularbeiten gemacht. Mein Aufruf gilt der Hamburger Wirtschaft, die diese Arena will, dafür zu sorgen, daß das Eigenkapital angeworben werden kann, damit wir als nächsten Schritt die Grundstücksübertragung vollziehen können, damit möglichst bald diese Arena für Hamburg realisiert wird. – Danke.

(Beifall bei der SPD)