In Hamburg können sich Prostituierte bei der Zentralen Beratungsstelle für sexuell übertragbare Krankheiten anonym untersuchen lassen. Dieses Angebot wird auch von illegal arbeitenden Prostituierten in Anspruch genommen. Weitere Beratungsstellen und Übernachtungsangebote gibt es auch für jugendliche und volljährige männliche Prostituierte sowie für drogensüchtige Frauen und Mädchen. Seit Jahren gibt es auch erfolgreiche, niedrigschwellige Ausstiegs- und Beratungsangebote.
Wir wollen Einfluß nehmen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Prostituierten. Dazu sind Beratungsangebote und Angebote zum Ausstieg aus der Prostitution wichtig. Darüber hinaus sind aber die angekündigten bundes
gesetzlichen Veränderungen überfällig. Nur so kann Prostitution aus der Illegalität herausgelöst und Prostituierten Zugang zur sozialen Sicherheit gewährt werden. Damit wäre endlich die Doppelmoral im Umgang mit der Prostitution nicht mehr Inhalt von Gesetzen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ernst hat die Antwort des Senats umfassend dargestellt, so daß ich mich in den ersten beiden Teilen beschränken kann.
Natürlich müssen die Schätzungen der Zahlen vage bleiben, denn die Dunkelziffer der Prostituierten in Hamburg ist hoch. Es wäre wünschenswert, wenn wir mit einer gemeinsamen Initiative, die wir schon durch verschärfte Kontrollen bei der Modellprostitution parteiübergreifend ergriffen haben, auch hier stärker zusammenarbeiten, damit die Dunkelziffer eingedämmt wird.
Die Zusammenstellung der Hilfsangebote, die in der Großen Anfrage aufgelistet wurde, ist hilfreich.Wir würden es aber begrüßen, wenn wir auf die privaten Initiativen genauer eingehen könnten, um zu eruieren, auf welche vorhandenen Selbsthilfegruppen die Prostituierten zurückgreifen können.
Natürlich ist die Stellung der Prostituierten in der Gesellschaft zwiespältig. Mich interessiert weniger die Situation, wie sie im Augenblick vor Ort ist. Sie ist geprägt durch Not und Gewalt; hier darf niemand wegsehen. Ich verwehre mich ganz entschieden, Prostitution zu einem normalen Beruf zu erklären. Das machen wir nicht mit.
(Zuruf von Peter Zamory GAL – Andrea Franken GAL: Das hat doch niemand gesagt! Das ist ein außergewöhnlicher Beruf!)
Wenn ich Prostitution als berufliche Tätigkeit anerkenne, dann muß es auch mit allen Konsequenzen sein.
Unser Zeitgeist fordert, daß wir uns in der Sexualität in jeder Weise ausleben sollen und mit Frauen ohne Tabus umgegangen wird.Das sehe ich, nicht weil ich jenseits von Gut und Böse bin, nach wie vor sehr kritisch. Ich hebe auch nicht den moralischen Zeigefinger. Es soll sich von mir aus jeder der Lust seiner Lenden erfreuen können. Aber damit ist in dem Moment Schluß, wenn andere Menschen malträtiert, drangsaliert, verletzt, erniedrigt und in ihrer Selbstbestimmung beeinträchtigt werden. Hier gibt es Grenzen der Duldsamkeit. Und das Totschlagargument, daß wir die Prostituierten als gesellschaftshygienisches Moment brauchen, teile ich nicht.
Diese Forderung ist genauso alt wie die Forderung, daß Frauen ins Haus gehören; die haben wir auch aufbrechen können und konnten sie verändern.
Mein Engagement in der Frauenpolitik bezog sich von Anfang an – hier werde ich deutlich feministisch – auf die Zerschlagung klassischer, patriarchalischer Strukturen,
das heißt, ich setze mich da ein, wo Frauen diskriminiert, behindert und dauerhaft ungleich behandelt werden. Darüber hinaus setze ich mich für die Etablierung selbstbestimmter, eigenständiger Frauenlebensräume ein.
Durch die Hintertür wird jetzt die urpatriarchalische Forderung, daß für die männlichen Bedürfnisse Frauen zur Verfügung stehen sollen, wieder eingeführt.
Und das halten Sie doch für eine Errungenschaft der Emanzipation. Da ist bei mir Schluß. Daß die Frauen sich selbst verkaufen und nicht mehr von anderen verkauft werden, ist kein Fortschritt. Da ist bei mir Schluß.
Ich erinnere mich genau an eine Kampagne zur Pornographie, die vor einiger Zeit gelaufen ist. Mit dieser Kampagne wurden frauenverachtende und menschenunwürdige Darstellungen von allen Frauen mit Rang und Namen abgelehnt. Man war sich darin einig, daß die Menschenwürde bei menschenunwürdigen Darstellungen von Frauen zu verteidigen ist.
Über die bildlichen Darstellungen hat man sich aufgeregt, aber in Praxis soll Prostitution nur noch eine Art der Dienstleistungen sein. Das ist für mich der Gipfel der Naivität und eine Verharmlosung. Sie stellt keine Dienstleistung dar, sondern hier werden Frauenkörper wie Viehfleisch zum Gebrauch und zur Nutzung verkauft und zur Ware gemacht. Das ist keine Grundlage für eine gleichberechtigte Anerkennung.
Hier ist wahrhaftig keine Hurenromantik aus den vergangenen Jahrhunderten angebracht, sondern die Frage, ob wir diesen Umgang weiterhin dulden wollen oder ob wir heute überhaupt noch Huren brauchen.
Ich will sie nicht verbieten, ich will nur verhindern, daß Frauen überhaupt in irgendeiner Weise dazu gezwungen sind, ihren Körper und damit sich selbst zu verkaufen.
Es wird gesagt, daß wir die Prostituierten brauchen. Aber zuerst werden sie von Männern gebraucht. In dieser Behauptung steckt so viel Männerverachtung, die ich nicht mittragen kann.
Glauben Sie wirklich, daß die Straßen voller Männerhorden wären, die sich die Frauen greifen, wenn es in unserer Stadt keine Prostituierten geben würde? Wir haben hier ein Überangebot; das geht aus der Anfrage hervor. Dennoch werden Frauen und Mädchen mißbraucht, vergewaltigt und ermordet. Ich habe ein anderes Männerbild. Wenn Sie Ihres als richtig erachten, dann sei es so.
Es herrscht Einigkeit darüber, daß wir die Mißstände beseitigen müssen.Dazu gehört, daß die Sittenwidrigkeit aufgehoben werden muß. Auch die Versicherungsmöglichkeiten müssen ausgebaut werden. Aber man kann sich heute schon als Freiberufler oder Freiberuflerin eigenverantwortlich versichern; das können die Prostituierten dann auch tun.
Wir müssen aufhören, diese Angelegenheit auf die leichte Schulter zu nehmen und als Witz zu empfinden.
Unsere Überbetonung im Bereich der sexuellen Erziehung hin zur Sexualität halte ich für nicht richtig. Es ist unsere Aufgabe, jungen Leuten eine werteorientierte Sexualität zu vermitteln und vorzuleben. Wir müssen vermitteln, was Liebe, Nähe und Wärme im Umgang miteinander bedeuten und daß erfüllte Sinnlichkeit nicht auf raschen, problemlosen und reichlichen Konsum der Sexualität ausgerichtet sein kann.
Wer Prostitution als Beruf anerkennen will, setzt auf die Zementierung des problemlosen Konsums und drückt sich vor der Verantwortung und der Mühsal einer werteorientierten Erziehung.Hier wird nicht Nähe und Zuwendung vermittelt, sondern sie wird verkauft.Das ist bequem, populistisch und nicht zu vertreten.
Wie stellen Sie sich die praktische Berufsausbildung eigentlich vor? Wer soll die Standards festlegen und die Qualität der Leistung überprüfen? Soll es Abschlüsse, Zertifikate und Ausbildungszeiten geben? Wer kümmert sich um arbeitslose Prostituierte.
Ich halte Ihre Entscheidung für populistisch und unausgegoren, weil nicht über die daraus entstehenden Folgen nachgedacht wird.
Natürlich sehen wir das Elend, aber das Ziel muß nicht sein, daß wir uns Opfer schaffen und ihre Behandlung in den Mittelpunkt stellen, sondern wir müssen die Opfersituation generell vermeiden. Die Gesellschaft muß aktiv umgestaltet und es muß intensiv deutlich gemacht werden, daß das schnelle Geld mit einem hohen Preis bezahlt wird. Es muß für uns am wichtigsten sein, die Einstellung zur arbeitenden Frau und zur Arbeitswelt überhaupt zu verändern und die Lebensgrundlage und die wirtschaftliche Situation von Frauen so zu verbessern, daß niemand auf die Idee kommt, sich prostituieren zu müssen.
Wir müssen Möglichkeiten zur Aufnahme einer reellen Arbeit bieten und für die Aufklärung der ausländischen Prostituierten in ihrem Heimatland sorgen. Probleme löst man nicht, indem man die Mißstände zum Normalfall erklärt, sondern indem die Ursachen beseitigt werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Koop, Sie haben mir mit Ihrer Rede geradezu eine Steilvorlage gegeben. Ich bin aufgrund der vielen Stichworte, die Sie mir geliefert haben, gar nicht mehr mitgekommen.Am Schluß fehlte noch der Vorschlag:Am besten, wir greifen uns die Freier und kastrieren sie.