Nach all den Diskussionen der CDU zum Straßenzustand in Hamburg 1994, 1995, 1996 und folgende werden wir sicher einen Antrag zu erwarten haben, der heißt: Die CDU will nicht, daß in dieser Stadt Winter herrscht, weil die
Es ist reines Oppositionsgewäsch – ich hoffe, daß mir Frau Präsidentin dieses Wort nicht verbietet –, solange von der CDU niemand sagt, von welchen Mitteln diese Wunschträume bezahlt werden sollen. Darauf warte ich.
(Beifall bei der SPD und bei Dr.Martin Schmidt GAL – Dr. Roland Salchow CDU: Gewäsch führt auch zu Aquaplaning!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Duden, warten Sie bitte auf die nächste Sitzung.
Herr Reinert, in der nächsten Sitzung erklären Sie uns bitte einmal, welche Zweckbindung Sie in der Regel von Steuern erwarten.Wenn Sie die Autosteuer für die Straßen brauchen, dann erklären Sie uns bitte, wer die Getränkesteuer in Anspruch nehmen darf.
(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke – Dr.Roland Salchow CDU:Jetzt verstehe ich nicht, warum die Grünen für die Ökosteuer waren!)
Gibt es weitere Wortmeldungen aus dem Hause? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Besprechung über die Große Anfrage 16/4094 erfolgt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf: Drucksache 16/4188, Senatsmitteilung zur Städtepartnerschaft mit León.
[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 13./14. Oktober 1999 (Drucksache 16/3019) – Entwicklung der Städtepartnerschaft mit León – – Drucksache 16/4188 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Entwicklung der Städtepartnerschaft mit León ist ein sehr beeindruckendes Beispiel für kommunale Entwicklungszusammenarbeit mit dem Ziel, ganz konkret vor Ort die Lebensbedingungen der Menschen in León im Sinne der Nachhaltigkeit der Agenda 21 zu verbessern. León ist unsere einzige Städtepartnerschaft mit einem Entwicklungsland und hat daher nochmals einen anderen Stellenwert. Gerade vor den ökonomischen Problemen in Nicaragua und León haben die Maßnahmen sehr stark zur Verbesserung und zur Stabilisierung der Bürger und Bürgerinnen beitragen können. Davon konnte ich mich überzeugen, als ich im März dieses Jahres dort war.
Mich hat sehr beeindruckt, mit welcher Eigeninitiative und mit welcher Begeisterung und ungeheurer Motivation die Leóner und Leónerinnen sich an den einzelnen Projekten in Selbsthilfe beteiligen. Daher bedanke ich mich nicht nur bei den Kooperationspartnern im Hamburger Senat, sondern auch bei den Nichtregierungsorganisationen, beim Bürgermeisteramt in León und allen weiteren Gruppen und Aktiven in Hamburg und in León, ohne die es nicht funktioniert hätte.
Es gibt einige sehr gute Beispiele im Umweltbereich, die wir uns im Sinne der Agenda 21 durchaus näher anschauen sollten. Ein Beispiel ist die Sicherung der Mülldeponie El Fortin, wo der Müll jahrelang illegal abgelagert wurde. Der fachgerechte Betrieb der Deponie konnte nicht gewährleistet werden. Der Müllberg war nicht abgedeckt, der Müll lagerte bis hinunter zu weiteren Ansiedlungen und einem kleinen Flüßchen. Aus Umweltgesichtspunkten waren die Probleme für die Stadt immens: Ein sehr weitreichender Gestank, Seuchengefahr und natürlich eine massive gesundheitliche Bedrohung der Kinder, die dort auf der Müllkippe Müll trennen, Müll sammeln und dort arbeiten.Mit Unterstützung der Umweltbehörde ist es gelungen, daß dieses Problem bereits im März größtenteils gelöst war. So wird Sicker-, Grund- und Niederschlagswasser kontrolliert abgeleitet, und der Müllberg ist in eine geordnete Deponie umgewandelt worden, die illegale Müllkippe wurde aufgelöst. Es war sehr beeindruckend, wie in dieser kurzen Zeit die Müllkippe nach Umweltgesichtspunkten gesichert wurde und die Zufahrtswege zur Deponie in Ordnung gebracht wurden. Zur Sicherung der Müllkippe El Fortin gehört auch die Entsorgung der Klinikabfälle. Sie müssen sich vorstellen, daß auf der ungesicherten Mülldeponie, auf den Straßen und Wegen beispielsweise Klinikabfälle, gebrauchte Spritzen herumlagen. In Zukunft wird auch dieser Klinikmüll gesondert entsorgt und gesammelt.
Weiterhin gibt es ein sehr gutes Projekt in der größten Gerberei Leóns, die Abwasserreinigung. Dieses Pilotprojekt haben wir zusammen mit den holländischen Partnern und dem deutschen Seniorexpertenservice gemacht. Hier gibt es eine biologische Abwasserklärung durch Chromrecycling, die nicht nur ökonomische und ökologische Vorteile hat, sondern auch ganz konkret die Arbeitsbedingungen vor Ort verbessert.
Sie müssen sich vorstellen, daß die Arbeiter in der Gerberei – es arbeiten dort nur Männer – trotz der vorhandenen Gummistiefel und Gummihandschuhe immer barfuß gehen und mit bloßen Händen in Laugen und Behältnisse hineingreifen. Darum hat es einen ganz hohen gesundheitlichen Stellenwert, wenn anders recycelt wird.
Ein weiteres sehr gelungenes Projekt ist die Abwasserkanalisation in einem Stadtteil außerhalb Leóns, La Providencia. Hier war der Anschluß an die vorhandene städtische Kanalisation nicht möglich, und so wurde ein neues System mit einer Biofilterabwasserentsorgungsanlage konstruiert. Dadurch konnten die Seuchen- und Gesundheitsgefahren, die dadurch entstehen, daß die Abwässer und Fäkalien auf der Straße vor sich hin plätschern, nachhaltig beseitigt werden, und 450 Familien in diesem Stadtteil konnten davon profitieren.Wenn Sie davon ausgehen, daß eine Familie im Durchschnitt sechs bis acht Kinder hat, dann wissen wir den Wert und die Bedeutung eines solchen Projekts gemeinsam zu schätzen.
Nun zu den Arbeitsmarktprojekten, zu den Maßnahmen im beruflichen Aus- und Fortbildungsbereich. Es gibt ein Woh
nungsbauprojekt im Stadtteil William Fonseca mit circa 3000 Einwohnern, das seit 1991 läuft, ein integriertes Projekt, weil es verschiedene Elemente umfaßt. Hier geht es um den Neubau und die Verbesserung von 455 Wohnungen in Selbsthilfe und um die Errichtung eines Bauhofes, in dem die Bewohner die benötigten Baumaterialien selber herstellen. Es geht um Wasser- und Elektrizitätsversorgung, um Abwasserentsorgung, den Ausbau der Grundschule, den Bau eines Gemeindezentrums, eines Gesundheitspostens und Straßenbaumaßnahmen. Es profitieren nicht nur die Siedlung im Sinne der sozialen Stadtteilentwicklung davon, sondern direkt die dort wohnenden Menschen. Es werden beispielsweise Maurer ausgebildet, und ungelernte Arbeiter werden in der Herstellung von Ziegeln und anderen Baumaterialien unterrichtet und geschult.Der dort entstehende Baumarkt liefert dann für andere ähnliche Maßnahmen die ganzen Baumaterialien; sozusagen ein kleiner OBI angepaßt in León für andere Stadtteile.
Fortbildungsmaßnahmen gibt es natürlich eine Vielzahl, zum Beispiel mit der Leóner Feuerwehr, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Leóner Bürgermeisteramts in Sachen Verwaltung und Projektmanagement. Es gibt Fortbildung für Medizintechniker und Krankenschwestern des städtischen Krankenhauses, und es gibt Fortbildungen für die Beschäftigten der Lederfabrik MACASA in Lederverarbeitung und Produktdesign.
Diese Art von Fortbildungen sowie die schulischen und universitären Bildungsmaßnahmen sind von enormer Bedeutung und werden sicherlich auch noch zunehmen, wenn die infrastrukturellen Maßnahmen abgeschlossen sind.Wir wollen die Schulpartnerschaften stärken und weiter fördern; die Damen und Herren der CDU sprechen es immer wieder an, auch wenn wir das schon machen. Wir haben mit León zwölf offizielle Schulpartnerschaften, viele informelle, die ganz hervorragend miteinander kooperieren.Wir wissen, daß Hilfe zur Selbsthilfe nur dann gelingen kann, wenn ausreichende Bildungsangebote vor Ort den Bürgern und Bürgerinnen in León dieses auch möglich machen. Die schulische Bildung ist deshalb so nötig, weil Kinderarbeit in León wieder zunimmt. Arbeitende Kinder gehören in León zum alltäglichen Bild.Sie kennen es wahrscheinlich, sie verkaufen Zeitungen, putzen Schuhe, verkaufen kleine zubereitete Speisen. Kinder – sechs bis acht pro Frau, pro Familienvorstand – müssen mit zum Familienunterhalt beitragen. Das führt dann dazu, daß die Kinder nicht mehr zur Schule gehen.
Es läuft nun eine Aufklärungskampagne in León, die darauf abzielt, den Eltern begreiflich zu machen, daß Bildung langfristig die einzige Möglichkeit für eine zukunftsfähige Entwicklung ist und daß sie ihre Kinder wenigstens halbtags zur Schule schicken und nicht den ganzen Tag auf die Straße zum Verkauf.
Wir haben eine enge Zusammenarbeit zwischen der nationalen autonomen Universität León und der Universität Hamburg in verschiedenen Fachgebieten, und wir überlegen bereits jetzt, diese weiter zu intensivieren. Ganz wichtig ist hier die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Verbesserung des Ausbildungsstandards von Hochschullehrerinnen und -lehrern. Das wird auch in Zukunft ein ganz wichtiger Punkt sein.
Das Thema Frauenförderung ist deshalb so wichtig, weil Frauen in der entwicklungspolitischen Diskussion als die Trägerinnen der Entwicklung gesehen werden. Sie sind es in der Tat, die auch in Nicaragua das Überleben ihrer Familien sichern, und das hat viel mit dem sogenannten Ma
chismo zu tun, weil sich Männer in Nicaragua gerade, wenn das erste Kind kommt, gerne aus der Verantwortung stehlen.
Nicht nur in Nicaragua, aber ich rede jetzt von Nicaragua. Die Rolle der Frauen dort zu stärken und sie zum Schwerpunkt zu machen, wird auch von unseren Leóner Partnern durchaus gefordert und diskutiert. Leider hat unser entwicklungspolitischer Beirat, der vor kurzem seinen ersten Bericht vorgelegt hat, diese entwicklungspolitische Diskussion und die Schlüsselfunktion von Frauen völlig übersehen. Es gibt hierzu auch einige Beispiele aus dem Arbeitsmarktbereich.
Wir haben ein Projekt „Sanierung des Marktes Santos Bárcenas“. Es wurde unter anderem für eine bessere Durchlüftung gesorgt, indem man das Dach angehoben hat. Der Boden wurde erneuert mit einer integrierten Abwasserentsorgung, es gab witterungsbeständige neue Markttische und Waschanlagen, um dort Fisch, Fleisch oder Gemüse waschen zu können.Gleichzeitig gab es Schulungen für die Marktfrauen, denn das sind überwiegend Frauen, Händlerinnen, die dort arbeiten.Diese Frauen wurden für eine bessere Produktproduktion und -präsentation sowie für eine kostenorientierte Preiskalkulation geschult, weil sie in hartem Konkurrenzkampf zu den Supermärkten und größeren Läden vor Ort stehen. Tatsächlich konnte sich ihre finanzielle Situation etwas verbessern.
Wir haben ein weiteres Projekt, das Frauenzentrum „Lucila Matamoros“, das von dem Marie-Schlei-Verein und auch Hamburg unterstützt wird. Dort gibt es Computerkurse für Frauen und Männer. Interessant ist, daß hauptsächlich Frauen in diesen Kursen sitzen, eine sehr große Nachfrage unter den Leónerinnen herrscht. Die Vermittlungsquote ist enorm. Fast alle kommen im kaufmännischen Bereich unter oder gehen an die Universität, an das Tecnico La Salle, das es auch in León gibt, und studieren dort im EDV-Bereich. Das heißt, Frauen verlassen mit solch einem Ansatz durchaus die typischen Frauennischen im informellen Sektor der Subsistenzwirtschaft und erschließen sich neue Bereiche auch in León in für Nicaraguanerinnen durchaus zukunftsträchtigen Berufszweigen.
Einen kurzen Ausblick.Wenn die Infrastrukturmaßnahmen beendet sind, wird es in Zukunft in León auch darauf ankommen, auf mehr Bildung und Gesundheit umzusteuern. Das ist zumindest im Moment die Diskussion. Die Förderung des Kleingewerbes durch Kreditvergabe und Schulungen im kaufmännischen Bereich in Sachen Vermarktungsstrategien könnten Schwerpunkte für die Zukunft sein, um Tätigkeiten im informellen Sektor, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, in produktive Tätigkeiten des normalen Wirtschaftskreislaufes für León zur Deckung des Eigenbedarfes umzuwidmen. Hier spielt die Frauenförderung eine entscheidende Rolle.
Ein weiteres Augenmerk wird sicherlich auf der schulischen und beruflichen Bildung bleiben. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Gesundheitsvorsorge sowie Projekte im Bereich Gewalt gegen Frauen und Kinder, häusliche Gewalt, die wir ebenso unterstützen wie Prostituiertenprojekte.
Zu guter Letzt die Aufklärung. Nach wie vor gibt es in León in der Mehrheit der Haushaltsvorstände, die überwiegend
weiblich sind, sechs bis acht Kinder. Die Männer verlassen den Haushalt. Das ist übrigens ein Grund dafür, warum wir in unserem Wohnungsbauprojekt „Hamburgo“ die Besitztitel nur an Frauen vergeben, damit die Männer nicht wieder zurückkommen, nur weil sie dann ein überwiegend von Frauen gebautes Häuschen vorfinden. Das Problem ist, daß die Regierung Alemán die Aufklärung aus den Lehrplänen gestrichen hat. Die Schulbücher sind neu aufgelegt worden. Es gibt keine Aufklärung mehr. Von daher gibt es keine Familienplanung, die es vorher gab, und die wäre angesichts der zahlreichen Kinder sehr sinnvoll.
Meine Damen und Herren! Die Zusammenarbeit mit León ist beispielhaft und hat beeindruckenderweise auch Erfolge in Richtung Zukunftsfähigkeit im Sinne der Agenda 21 vorzuweisen. Zumindest erschließt sich das nicht nur aus der Drucksache, sondern vor Ort in León, und einige von Ihnen waren sicherlich auch schon da. Wir können uns dennoch nicht zurücklehnen, sondern sollten die Zusammenarbeit intensivieren, gerade auch mit Behörden, die jetzt hier nicht mehr vertreten sind – BAGS, BSJB –, wo es noch eine Menge nicht kostenintensiver Zusammenarbeits- und Kooperationsformen gäbe. Ich bitte Sie dafür um Ihre Unterstützung.