ferenz sagte, froh über das Ende seiner Tätigkeit zu sein, und nie wieder Vorsitzender einer Enquete-Kommission sein möchte. Mehrere von der SPD benannte Wissenschaftler konnten es mit ihrem Gewissen nicht mehr vereinbaren, veraltete, ideologisierte Hamburger Jugendpolitik mitzutragen, und liefen deshalb mit wehenden Fahnen zu den CDU-Positionen über.
Sie lachen. Die Mitglieder der Enquete-Kommission werden mitbekommen haben, daß meine Aussagen zutreffend sind. Denn der Minderheitenbericht wurde von vielen von der SPD benannten Wissenschaftlern unterstützt.
Den Abschlußbericht muß man aufgrund seiner reichhaltigen Empfehlungen – da hat Frau Rogalski recht – als einen Offenbarungseid der verfehlten sozialdemokratischen Jugendpolitik in den letzten Jahrzehnten ansehen.
Wie ist es zu diesem für die Koalition so erbärmlichen Ergebnis gekommen? Die Enquete-Kommission ist vor zwei Jahren – auch hier hat Frau Rogalski recht – gegen die Überzeugung der CDU einberufen worden, weil wir schon damals dringenden Handlungsbedarf sahen und keine Verzögerung notwendiger Schritte akzeptieren wollten. Der eigentliche Geburtshelfer, über Jugendkriminalität zu diskutieren – nicht auf Wunsch der SPD und der Grünen –, war der letzte Bürgerschaftswahlkampf, in dem Herr Voscherau versucht hat, mit dem Thema Innere Sicherheit Punkte zu sammeln. Dabei holte er sich allerdings starke Blessuren. Anschließend konnte sich die SPD-Fraktion mit dem Koalitionspartner nicht einigen, wie gemeinschaftlich gegen die Jugendkriminalität vorgegangen werden soll.
Wie es häufig dann so ist, mußte eine Enquete-Kommission her, die mit großem Engagement und hervorragenden, engagierten Experten – das sehe ich auch so – und einem sehr fleißigen Arbeitsstab die Arbeit aufnahm und viele Themen intensiv bearbeitete. Parallel dazu – nur als Anmerkung nebenbei – wurde übrigens auch noch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen damit beauftragt, Studien zu erstellen. Herr Professor Pfeiffer hat noch viel schonungsloser, als wir dies mit dem Bericht der Enquete-Kommission getan haben, die Verfehlungen in der Hamburger Jugendpolitik dargelegt.
Nachdem wir die Arbeit aufgenommen hatten, haben wir versucht, den Arbeitsauftrag einigermaßen abzuarbeiten. Das ist uns nicht geglückt, weil er sehr umfassend war.
Einen Punkt dürfen wir nicht vergessen, wenn wir die Angelegenheit Revue passieren lassen: Die hervorragende Zusammenarbeit mit dem Senat! Ich hoffe, man hört die Ironie aus meinen Worten heraus. Wir haben gemeinschaftlich – SPD, Grüne und CDU – in den Abschlußbericht der Enquete-Kommission geschrieben – ich zitiere von Seite 20 des Berichts –:
„Wie die bereits erwähnte Weigerung des Senats, die Akten der sogenannten Intensivtäter durch den Arbeitsstab der Kommission einsehen zu lassen, zeigt, war die Arbeit der Enquete-Kommission im Verhältnis zum Senat und zu den Behörden nicht immer spannungsfrei. Auch wenn der Senat schließlich bereit war, die Untersuchung mit erheblichen zusätzlichen Kosten von einem Hoch
schulinstitut durchführen zu lassen, so war die Auskunfts- und Kooperationsbereitschaft des Senats und der Behörden angesichts der Bedeutung der Thematik insgesamt nicht besonders groß. Die Zusammenarbeit mit den Behörden kann insgesamt nicht als befriedigend angesehen werden.“
Auch diese Tatsache sollte hier genannt werden, wie der Senat in den letzten zwei Jahren die Arbeit einer von der SPD und GAL gewollten Enquete-Kommission unterstützt hat.
ein Versprecher sei mir auch erlaubt – und Jugendlichen besteht aus Sicht der Mehrheit der Kommissionsmitglieder in Hamburg ein dringender Veränderungsbedarf, der sich daraus ergibt, daß die bisher dominierenden Handlungskonzepte ebenso wie ihre theoretischen Begründungen den gegenwärtigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Kinder und Jugendliche sind in Grenz- und Krisensituationen nicht immer Experten ihres Lebens.
Dieser Trugschluß ist aber immer noch fester Bestandteil der Hamburger Jugendpolitik, die leider davon ausgeht, daß junge Menschen in Selbstbestimmung einen eigenen Lebensweg gehen sollten.
Ich möchte Ihnen ein aktuelles Beispiel geben, wie verhängnisvolle Passivität von Erziehern zum Beispiel in Krisen- und Grenzsituationen zu Ergebnissen führt, die wir alle so nicht haben wollten. Dieses Ereignis hat sich in meinem wunderschönen Stadtteil Langenhorn zugetragen, der auch Bestandteil der Arbeit der Enquete-Kommission war.
Im März letzten Jahres – mir liegt der Polizeibericht vor – haben sich jugendliche Täter vor dem Haus der Jugend gegenseitig attackiert. Der eine Täter attackierte sein Opfer mit Schlägen und Tritten; das zweite Opfer wollte seinem Freund zu Hilfe eilen, wurde aber sofort von anderen umringt und auf die gleiche Weise angegriffen. Durch die brutalen Angriffe erlitt das erste Opfer eine schwere Gehirnerschütterung, eine Fraktur des Oberkiefers – Sie werden gleich verstehen, warum ich alles aufzähle –, ein Loch im Kopf und diverse Prellungen. Zudem wurde ihm mindestens ein Schneidezahn herausgeschlagen. Außerdem riß einer der Täter dem Verletzten noch eine Goldkette vom Hals und steckte sie ein; das zweite Opfer wurde nur leicht verletzt.
Daß der anwesende Jugendbetreuer zu keinem Zeitpunkt eingriff, die Jugendlichen voreinander zu schützen, und auch weder die Polizei und die Rettungskräfte verständigte, wird noch ein politisches Nachspiel haben. Denn in der Polizeiwache ging wegen unterlassener Hilfeleistung dieses Betreuers eine Anzeige ein. Daraufhin hat der Bezirksabgeordnete Clemens Nieting eine Anfrage an das Bezirksamt gestellt, deren Antwort für die jetzige Situation der Hamburger Jugendpolitik so typisch ist, daß ich sie dem Parlament nicht vorenthalten möchte.
„Insbesondere die Aufzählung der Verletzungen beruht auf Behauptungen des Anzeigenden und deckt sich nicht mit den Beobachtungen des Heimleiters, die dieser vom Gesundheitszustand der Jugendlichen nach der Prüge
lei hatte. Die Behauptung, daß der vermeintlich mißhandelte Jugendliche bestohlen worden sei, kann vom Heimleiter nicht bestätigt werden. Ein Diebstahl oder ein Raub wurde von ihm nicht beobachtet. Der anwesende Heimleiter hat mit seinen pädagogischen Mitteln deeskalierend in den Streit eingegriffen und versucht, zu schlichten.“
„augenscheinlich kein Grund, die Polizei oder einen Unfallwagen zu verständigen, da offensichtlich schwere Verletzungen aus dem Verhalten der Jugendlichen heraus nicht erkennbar waren. Diese Handlungsweise hat sich bei der Arbeit in einer Einrichtung der offenen Jugendarbeit bewährt und ist daher nicht zu beanstanden. Da der Heimleiter die richtigen Dinge zur richtigen Zeit getan hat, sind keine personalrechtlichen Maßnahmen zu treffen.“
Solange diese Dinge in dieser Stadt passieren und solange es derartige Antworten auf Anfragen von Bezirksabgeordneten nach
solchen Vorkommnissen gibt, so lange ist ein grundsätzliches Umdenken in der Hamburger Jugendpolitik notwendig. Dafür steht die CDU, und das werden wir auch in Zukunft fordern.
Den grundsätzlich notwendigen Veränderungsbedarf habe ich dargestellt. Er ist insbesondere natürlich deshalb notwendig, um für einige wenige jugendliche Mehrfachstraftäter, die bisher mit unserem Angebot nicht erreicht wurden – auch sie gibt es noch – pädagogisch-therapeutische Einrichtungen zu schaffen. Zudem wäre eine Richtungsänderung in der Jugendpolitik auch ein Zeichen in Richtung Justiz.Denn dort gibt es aus unserer Wahrnehmung die größten Probleme.
Solange in Hamburg weiterhin über 90 Prozent der Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden,
und dafür sorgt, daß Mehrfachstraftäter ungestraft durch die Gegend laufen, so lange werden Sie bei der Bevölkerung nur Unverständnis und Zorn für Ihre Politik erwecken.
Frau Rogalski, mit Ihren Sonntagsreden im Parlament gießen Sie nur denjenigen Öl ins Feuer, die meinen, mit einfachen, sehr plakativen Sprüchen die Situation „richtern“ oder richten zu können, aber Sie werden an der Situation der Hamburger Jugendpolitik nichts ändern.
Reden Sie nicht mehr über Ihr Engagement und Ihre tollen Erfolge in der Jugendpolitik, sondern legen Sie endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ab. Sorgen Sie mit Ihrer politischen Mehrheit, die Sie in dieser Stadt leider noch haben,
dafür, daß dieser Bericht, der mit Mehrheit – in vielen Punkten auch mit den Stimmen der CDU – abgestimmt wurde, vom Senat umgesetzt wird; denn daran zweifele ich.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Hesse, wenn Sie Romanheld in einem Karl-May-Buch wären, hätte man Sie wahrscheinlich „Häuptling gespaltene Zunge“ getauft.