Protocol of the Session on June 22, 2000

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drückt – zu großen Teilen nicht erkennbar waren. Oftmals wurde polemisiert, mit Halbwahrheiten gearbeitet, oder es wurden Versprechen schlicht und ergreifend nicht gehalten. Vieles ist anhand von schriftlichen Dokumenten nachzuvollziehen, und ich könnte noch eine ganze Menge mehr dazu sagen. Ich will das zunächst aber nicht tun, sondern vielmehr unseren Antrag sachlich begründen.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Das ist auch besser so!)

Die Fläche des Pavillondorfes liegt im Landschaftsschutzgebiet und ist seit sehr vielen Jahren als Erweiterungsfläche für den Botanischen Garten vorgesehen. Sie wird insgesamt als wichtiger Baustein des Grünsystems bezeichnet, und eine dauerhafte bauliche Nutzung stünde daher im krassen Widerspruch zu den langfristigen Zielplanungen der Umweltbehörde. Das eben Gesagte können Sie in einem Brief des ehemaligen Staatsrats und späteren Umweltsenators Dr. Vahrenholt, SPD, nachlesen, den er Ende 1990 geschrieben hat.Insofern ist die Einlassung der Umweltbehörde vom Februar dieses Jahres, den bestehenden Landschaftsschutz für die dauerhafte Absicherung des Pavillondorfes ohne Wenn und Aber aufzuheben, nicht nachzuvollziehen. Die Aufhebung des Landschaftsschutzes ist nicht zwingend erforderlich. Im Gegenteil. Das Bestehenlassen des Landschaftsschutzes dient vielmehr der besonderen Einflußnahme auf bauliche Anlagen im Schutzgebiet.

Diese Linie wurde im übrigen auch immer von der Umweltbehörde vertreten. Deshalb ist ihr Kurswechsel, den Landschaftsschutz in diesem Falle auf Dauer aufzuheben, sehr bemerkenswert. Hier drängt sich der Verdacht auf, daß die Fläche des Pavillondorfes nach Wegfall des Bedarfes nicht wieder nach den Grundsätzen des Naturschutzes und der Landschaftspflege hergestellt beziehungsweise neu gestaltet werden soll.Es läßt eher darauf schließen, eine bauliche Anschlußnutzung – welcher Art auch immer – auf Dauer sicherzustellen. Hinzu kommt die fragwürdige Begründung der Behörde in bezug auf den naturschutzrechtlichen Ausgleich für die vorübergehende Nutzung der Fläche als Übergangswohnungen. Hier wird seitens des Amtes vorgetragen, daß das Provisorium Bestandsschutz habe und insofern ein Ausgleich nicht erforderlich sei. Von einem Provisorium Bestandsschutz abzuleiten, erscheint besonders fragwürdig.

(Beifall bei Klaus-Peter Hesse und Volker Okun, beide CDU)

Jedem privaten Investor werden Auflagen ohne Ende erteilt, wenn er nur einen Grashalm verbiegt. Wo werden da gleiche Maßstäbe für private und öffentliche Bauvorhaben angelegt? Wir fordern deshalb für die Dauer der Nutzung als Übergangswohnungen einen naturschutzrechtlichen Ausgleich, und zwar nicht irgendwo in der Feldmark, sondern im näheren Umfeld.

Im Vorspann unseres Antrags haben wir klar formuliert, was der Senat mit der Aufhebung des Landschaftsschutzes bei den Anwohnern und den Nachbarn sowie insgesamt für den Natur- und den Landschaftsschutz bewirken wird. Der Senat – angefangen beim Ersten Bürgermeister, der in der Vergangenheit in dieser Thematik auch unrühmlich involviert war und heute wahrscheinlich wieder abgetaucht ist –

(Barbara Duden SPD: Wie Ihr Fraktionsvorsitzen- der!)

verliert den letzten Funken, Frau Duden, an politischer Glaubwürdigkeit, wenn er mit der dauerhaften Aufhebung

des Landschaftsschutzes deutlich macht, den Naturschutz nicht ernst zu nehmen, und wenn er durch die dauerhafte Aufhebung des Landschaftsschutzes den Anwohnern und Nachbarn des Pavillondorfes die letzte Hoffnung für den Rückbau der provisorischen Unterkünfte nimmt.

(Beifall bei der CDU)

Daher fordere ich Sie dringend auf, den Natur- und Landschaftsschutz und vor allen Dingen die berechtigten Belange der dortigen Bürger ernst zu nehmen und unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Duden.

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Herr Roock, wer in diesem Zusammenhang von Glaubwürdigkeit redet, muß deutlich machen, daß Offenheit und Toleranz von Anwohnern gegenüber Mitbürgern kein zeitliches Limit haben sollten.

(Beifall bei der SPD, bei Antje Möller und Manfred Mahr, beide GAL)

Deshalb ist der Antrag der CDU wieder ein Feigenblättchen, um uns in eine Diskussion über Pavillondörfer und über viele andere Dinge in dieser Stadt zu bringen.Wir haben die Absicht erkannt. Ob man darüber verstimmt ist oder nicht, wird man sehen. Wir lehnen diesen Antrag ab. Das ist der höchste Grad von parlamentarischer Verschnupftheit, den wir hier erreichen können.

(Barbara Ahrons CDU: Verschnupftheit ist sanft ausgedrückt!)

Von SPD-Seite bleibt zu bemerken, der B-Plan ist ein reiner Senatsplan. Das weiß auch Herr Roock. Er wird spätestens im Juli öffentlich ausgelegt. Dann ist die Chance, Bedenken und Anregungen deutlich zu machen. Es ist unredlich, öffentlich glaubhaft zu machen, daß das Pavillondorf durch eine Ausnahme oder eine Befreiung genehmigungsfähig ist. Das wissen alle diejenigen, die von uns in dieser Stadt Stadtentwicklungspolitik machen.Deshalb muß es zu einer Veränderung der Ausweisung im Flächennutzungsplan kommen.Nur diese Situation ist der Grund, warum die Umweltbehörde zur Zeit durch ein eigenständiges Änderungsverfahren für diesen Teil den Landschaftsschutz aufhebt. Wer in dieser Situation glauben machen will, daß ein solcher Akt der Verwaltung ein dauerhaftes Verbleiben des Pavillondorfes am Hemmingstedter Weg ist, der versteht zu wenig von Politik. In dem Antrag ist von dauerhaft keine Rede.

(Volker Okun CDU: Sorgen Sie erst einmal dafür, daß der zuständige Senator kommt!)

Die Forderung nach naturschutzrechtlichem Ausgleich im näheren Umfeld, die von Ihnen erhoben worden ist, hat in der Stadtentwicklungsbehörde sowie in der Umweltbehörde zu einer Diskussion geführt, die nicht nur das Pavillondorf am Hemmingstedter Weg, sondern auch andere Unterbringungen betrifft. Es ist von der Stadtentwicklungsbehörde angeregt worden, daß es eine Kompensationsfläche für alle Pavillondörfer gibt.Wer die Fläche dort kennt, wird wissen, daß es sich um einen grünen Bereich handelt. Man kann sich durchaus vorstellen, sie in anderen Bereichen dieser Stadt anzusiedeln. Gleichwohl geht die SPDFraktion wie auch die Stadtwicklungsbehörde davon aus, daß die Nutzung von Pavillondörfern – man achte in diesem

(Hans-Detlef Roock CDU)

Zusammenhang auf die Mehrzahl – weiterhin befristet erfolgt, solange es die Situation in dieser Stadt erfordert. Wir lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich gebe das Wort der Abgeordneten Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Duden hat alles Fachliche und Sachliche zu diesem Thema bereits gesagt.

(Volker Okun CDU: Wo ist denn der zuständige Se- nator?)

Ich möchte noch etwas anderes vorschlagen: Wenn die CDU das Bedürfnis hat, über das zu reden, was im Vorspann ihres Antrags steht, dann sollte sie das auch zur Debatte anmelden.

(Beifall bei Mahmut Erdem GAL)

Dann reden wir gern über folgende Fragen: Was bedeutet die Unterbringung von Flüchtlingen und Aussiedlern für bestimmte Stadtteile? Was bedeutet sie für uns? Welche Verantwortung haben wir? Und was bedeuten Pavillondörfer innerhalb der verschiedenen Unterkunftsmöglichkeiten, die wir haben? Über Landschaftsschutz können wir auch reden. Frau Duden hat ganz klar das übliche Verfahren beschrieben: Es wird ein Bebauungsplan erstellt, zu dem ein Grünordnungsplan sowie eine Regelung des Ausgleichs gehören. Das kann nicht ernsthaft strittig sein.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Sudmann.

Der einzige Aspekt, den meine beiden Vorrednerinnen nicht genannt haben, ist der, daß die CDU Geschichtsklitterung betreibt. Ich erinnere mich sehr gut daran, daß die Anwohnerinnen rund um den Hemmingstedter Weg nicht begeistert waren. Es gab sehr heftige Auseinandersetzungen darum, wie man mit den Bewohnerinnen des Pavillondorfes umgeht, Herr Roock. Deswegen ist wieder deutlich geworden, es geht Ihnen nicht um den Landschaftsschutz, sondern darum, Pavillondörfer generell in Frage zu stellen. Wir werden darum Ihrem Antrag nicht zustimmen, obwohl wir durchaus der Meinung sind, daß man den Landschaftsschutz dort nicht aufheben muß.Aber Sie haben leider wieder deutlich gemacht, daß Ihre Intention eine ganz andere ist. Deswegen lehnen auch wir diesen Antrag ab.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke, vereinzelt bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Roock.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schaut man sich die endlose Geschichte der Wortbrüche von Senat und Verwaltung an,

(Barbara Duden SPD: Nee, nee, nee!)

dann ist man nicht mehr verwundert über den Eiertanz, den die Regierungsparteien heute aufgeführt haben.

(Barbara Duden SPD: Eiertanz war das nicht!)

Ein Eiertanz war das hochgradig.

Ich bin auch verwundert über die Stellungnahme der REGENBOGEN-Gruppe. Politische Glaubwürdigkeit scheint keine Rolle mehr zu spielen, es ist hochgradig beschämend. Es wird weiterhin mit Halb- und Unwahrheiten gearbeitet, und ich kann den Frust, die Enttäuschung und die Empörung der Bürger sehr wohl verstehen. Darum will ich das eine oder andere noch einmal mit der notwendigen Klarheit ansprechen.

Es ist von Ihnen, Frau Duden, angesprochen worden, daß der Landschaftsschutz aus bauplanungs- und naturschutzrechtlichen Gründen aufgehoben werden muß. Wer soll das glauben, wenn bei Bauprojekten an anderen Stellen in dieser Stadt die Aufhebung des Landschaftsschutzes offensichtlich nicht erforderlich war? Als Beispiele seien hier genannt die A7 nördlich vor dem Tunnel und das Hotel Jacob. Unzweifelhaft Bauwerke, die ganz oder teilweise im Landschaftsschutzgebiet liegen. Es geht also auch mit Ausnahmegenehmigung für eine Bebauung ohne Aufhebungsbeschluß. Ich habe vorhin bereits darauf hingewiesen, daß das Instrument des Landschaftsschutzes als Faustpfand dazu dienen kann, besonderen Einfluß in Schutzgebieten hinsichtlich Größe und Gestaltung zu nehmen. Allein schon deshalb sollte man mit dem Landschaftsschutz nicht leichtfertig umgehen.

Ich bin immer wieder erstaunt, Frau Möller, wie locker die GAL, seitdem sie in Regierungsverantwortung steht, ihre Grundsatzpositionen verrät.

Landschafts- und Naturschutz werden so wie hier oder an anderer Stelle – zum Beispiel Mühlenberger Loch, Elbvertiefung – nicht mehr ernst genommen.

(Wolfgang Marx SPD: Sind Sie jetzt die wahre GAL?)