Denn das, meine Damen und Herren, sind die tatsächlichen Probleme. Rund 10 Prozent der Schulabgänger eines jeden Jahrganges erreichen keinen Schulabschluß. Ein viel zu hoher und wachsender Anteil der Schulabgänger ist aufgrund der extrem großen Mängel in der Allgemeinbildung nicht in der Lage, eine berufliche Ausbildung zu durchlaufen.
Bereits knapp 30 Prozent der neu abgeschlossenen beruflichen Ausbildungsverträge müssen mit Jugendlichen aus anderen Bundesländern und keineswegs nur aus dem Umland besetzt werden, weil in Hamburg ausbildungsgeeignete Jugendliche immer weniger zu finden sind.
Aber was tut der Senat außer all den schönen Worten, um die schulische Allgemeinbildung zu verbessern, denn das sind die Tatsachen. Wir haben im Hamburger Handwerk nicht das Problem, genügend Lehrstellen für die ausbildungsfähigen Jugendlichen anzubieten, nein, genau umgekehrt. Wir können immer weniger betriebliche Arbeitsund Ausbildungsplätze besetzen, weil geeignete Jugendliche in Hamburg fehlen.
Wir wollen und müssen im Handwerk verstärkt ausbilden. Doch es fehlt uns dazu der Nachwuchs.Nun höre ich schon den Senat antworten, etwa in der Diktion von Herrn Senator Dr.Mirow in der Debatte zur Großen Anfrage zum Handwerk: Das Handwerk ist nicht modern genug, das Handwerk ist zu wenig fortschrittlich, das Handwerk stellt sich falsch dar.
Lassen Sie mich dies für den Ausbildungsbereich nur mit einer Zahl belegen. Von den Lehrlingen des Hamburger Handwerks haben mittlerweile rund 14 Prozent Abitur. Dieser Wert liegt im Bundesdurchschnitt bei rund 4 Prozent und in anderen Ballungsräumen bei 6 bis 7 Prozent. Das Hamburger Handwerk hat die Zeichen der Zeit längst erkannt. Es schreitet zielorientiert voran, entwickelt Karrierewege mit Zukunftsperspektiven, die beispielsweise auch Erstausbildung mit Fortbildung verbinden und in vier bis fünf Jahren bis zur Meisterprüfung und zum selbständigen
Unternehmen kommen, während der Schulkollege auf der Uni nicht einmal sein Diplom in der Tasche hat.
Handwerk braucht die Besten, und wir gehen diese Wege. Aber die Allgemeinbildung muß auch solche Qualitäten und Qualifikationen bieten und darf nicht länger dazu führen, daß ein viel zu hoher Anteil Jugendlicher nicht mehr ausbildungsfähig ist.
Lassen Sie mich kurz ein weiteres Thema ansprechen, das aus meiner Sicht von der Hamburger Initiative für Arbeit und Ausbildung die Tatsachen zu stark ausblendet und Taten vermissen läßt.
Es wird zur Zeit die Einführung von Green Cards für den IT-Bereich diskutiert. Dies ist nur die Spitze des Eisberges. Diese Diskussion bekommen wir bald für die Mehrzahl aller Wirtschaftsbereiche.
Wir gehen einem eklatanten Fachkräftemangel entgegen. Aus demographischen Gründen scheidet ein hoher und wachsender Anteil von Fachkräften allein aus Altersgründen aus, während ebenfalls aus demographischen Gründen am anderen Ende der Alterspyramide immer weniger potentielle Fachkräfte nachrücken.
Die so entstehende Fachkräftelücke schätze ich zur Zeit für das Hamburger Handwerk auf jährlich etwa 4000 Personen. Die Tendenz ist sogar weiter ansteigend. Für diesen heute bereits vorhandenen und sich künftig verschärfenden Fachkräftemangel kann man nicht die Wirtschaft, bestimmt nicht das Handwerk verantwortlich machen. Gerade das Handwerk hat immer extrem stark und sehr gut ausgebildet, um den eigenen Nachwuchs zu sichern und große Teile der übrigen Wirtschaft mit Fachkräften zu versorgen.
Was ist zu tun? Wir brauchen endlich eine Zusammenführung von Arbeitslosen und Sozialhilfe.Die hohe Zahl von Arbeitslosen gaukelt ein Fachkräftepotential vor, das in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Bereits heute kann das Arbeitsamt Weiterbildungs- und betriebliche Integrationsmaßnahmen nicht mehr bedienen; nicht weil Geld fehlt, sondern weil dafür auf dem Arbeitsmarkt keine Personen vorhanden sind. Doch davon lese ich in der Senatsdrucksache nichts.
Wir müssen die Wege beschreiten, die Dänemark und Holland uns vorgemacht haben. Jedem Arbeitslosen muß mindestens einmal jährlich ein Angebot gemacht werden, um damit sehr klar und deutlich, gemessen an den tatsächlich vorhandenen Arbeitsplatzchancen, das vermittelbare Kräftepotential zu erhalten.Wer sich die Freiheit nimmt, alle Angebote der Integration und alle Hilfen auszuschlagen, der soll auch die Freiheit haben, kein Geld mehr annehmen zu müssen.
Wir müssen seitens des Staates eine präventive Arbeitsmarktpolitik betreiben, stark in die Weiterbildung investieren und darin auch die Beschäftigten einbeziehen, denn Investitionen in den Köpfen bringen die besten Zinsen für alle;
Selbstverständlich ist Weiterbildung in allererster Linie eine Angelegenheit der Wirtschaft. Doch wir brauchen gerade für den Mittelstand intelligente Lösungen und Hilfen,
Möglich wären Poollösungen, die die Mitarbeiter aus kleinen und mittleren Unternehmen, die von Konkurs oder aus anderen Gründen von Arbeitslosigkeit bedroht sind, auffangen, gezielt weiterbilden und ohne den Umweg über die Arbeitslosigkeit direkt wieder vermitteln. Ein Beispiel ist der Baubereich im Winter oder bei Kurzarbeit.
Die Kammern haben dazu seit langem Vorschläge und Konzepte auf den Tisch gelegt. Doch in der Bürgerschaftsdrucksache finde ich zu diesen zukunftsentscheidenden Themen kaum ein Wort. Wenn ich Lehrer wäre, könnte ich unter diese Bürgerschaftsdrucksache nur die Bemerkung setzen:Fleißige Arbeit zwar, jedoch das Thema verfehlt;daher nicht ausreichend.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte ursprünglich sagen, die Vorredner haben deutlich gemacht, daß wir ein gemeinsames Ziel haben. Herr Mehlfeldt, ich habe aber das Gefühl, daß das irgendwie alles vom Himmel gefallen ist und daß schon sehr viel rotgrüner Heiliger Geist dahinter steht, für das, was inzwischen geleistet worden ist.
Sie haben anscheinend die Drucksache nicht richtig gelesen und uns eben in epischer Breite etwas über die Jobrotation erzählt.Wenn Sie sich die Aktionsfelder der Drucksache genau angesehen hätten, hätten Sie gesehen, daß Jobrotation ausdrücklich als eines der Aktionsfelder in diesem Jahr und im weiteren anzugehen ist. Soweit meine Lesehilfe.
Die Entscheidungen, vor allem die, die am Freitag in der Initiative gefallen sind, sind zu begrüßen.Die Taskforce ist bereits von Herrn Grund genannt worden;ich möchte nicht die ganze Liste wiederholen, komme aber nachher noch einmal darauf zurück, denn ich möchte mich hier auf den Schwerpunkt Jugendarbeitslosigkeit konzentrieren. Wir sind im Konsens, die Jugendarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen.
Es geht darum, alle Jugendlichen in eine Ausbildung zu bringen und ihnen damit eine Perspektive zu schaffen.Herr Grund erwähnte schon, daß das ein ehrgeiziges Ziel ist.
Das Ausbildungsplatzangebot ist tatsächlich merklich gestiegen, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Das gilt in erster Linie für qualifizierte Jugendliche mit guten Abschlüssen; das muß man dazu bemerken. Wir haben die unveränderte Situation, daß Jugendliche mit schwachen oder keinem Abschluß auch weiterhin auf dem Hamburger Ausbildungsmarkt nur sehr geringe Chancen haben. Das trifft auch auf Ungelernte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu und entspricht interessanterweise seit Jahren der bundesweiten Entwicklung – man kann das den entsprechenden Umfragen entnehmen –, wobei immer knapp 12 Prozent eines Jahrgangs keine Abschlüsse haben und nicht in die Berufsausbildung kommen. Das betrifft besonders die Gruppe der männlichen Migranten. Das ist der sogenannte gespaltene Arbeitsmarkt, den es auch in Hamburg gibt, und darauf muß reagiert werden.
Insofern begrüße ich auch die Initiative, daß endlich neue Berufe mit geringerem theoretischen Anteil entwickelt werden sollen, und zwar im Konsens mit den Tarifpartnern und dem Berufsbildungsgesetz; das heißt keine Deregulierung zu Werkern oder Helfern. Das ist ein erster Schritt, den wir schon lange auch im Rahmen der kooperativen Berufsfachschule gefordert haben, bei dem Jugendliche, die keinen oder einen schlechten Hauptschulabschluß haben, eine Möglichkeit bekommen.
Nachdenken muß man sicherlich auch über längere Ausbildungszeiten, womit im Behindertenbereich sehr gute Erfahrungen gemacht worden sind. Das ist noch eine Variante, die die Chance bietet, Jugendlichen zu einem Abschluß und zu einer Ausbildung zu verhelfen, denn wir haben auch reichlich Abbrecher in diesem Bereich.Wir begrüßen noch einmal diese Initiative, die im einzelnen schon beschrieben wurde, sowie ihre Fortschreibung und dürfen in den Bemühungen nicht nachlassen.