Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

Immer wieder merkt man der CDU an, daß sie als Oppositionsfraktion, völlig losgelöst von der Verantwortung der Finanzen, Vorschläge unterbreitet – nicht nur zur Fehlförderabgabe –, aber niemals auch nur einen Gedanken daran verschwendet, wie das zu finanzieren ist. Wenn man Sie einmal fragt – nicht nur zum Wohnungsbau, beispielsweise auch zu Straßenschäden –, bekommt man vage Andeutungen, sie arbeiten daran. Nur, das ist letztendlich als Indiz dafür, daß man in dieser Stadt Politik verändern will, zu wenig.

(Holger Kahlbohm SPD:Sisyphus arbeitet auch im- mer!)

Ich komme auf die Debatte im März, in der Herr Hesse noch einmal deutlich gemacht hat, daß die Fehlbelegungsabgabe für Sie immer noch ein großes, flexibles Instrument ist, Mietenpolitik in dieser Stadt zu gestalten. Die CDU findet das im Grundsatz immer noch richtig.1.März 2000, das sage ich noch einmal zur Halbwertszeit der politischen Ideen der CDU in dieser Stadt.In der Märzdebatte habe ich für die rotgrüne Koalition bereits deutlich gemacht, daß wir die Fehlförderabgabe abschaffen werden. Das war der erste Satz des Zitats, den Herr Hesse natürlich unterschlagen hat, weil er eigentlich der Beginn der Aussage war. Ich habe im März gesagt, wir schaffen die Fehlförderabgabe ab, und heute, im Juli 2000, tun wir das. Das ist eine gute Sache.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weil ich immer etwas zu den Halbwertszeiten politischer Ideen der CDU gesagt habe, noch eine Bemerkung:Das ist die Dauerhaftigkeit unserer politischen Ideen. Die CDU ist nicht die Partei des sozialen Wohnungsbaues und nicht die Partei der Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt. Da helfen Ihnen auch solche Anträge nicht.

Herr von Beust findet unsere Vorschläge halbherzig – das habe ich auch nicht anders erwartet –, und er will eine sofortige Aussetzung der Fehlbelegungsabgabe erzwingen. Wir erzwingen nichts, wir bitten um Annahme des Antrags der Koalitionsfraktionen zur Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe in dieser Stadt in drei Schritten. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Franken.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Über das Gedächtnis von Herrn Hesse habe ich mich auch ein bißchen gewundert. Auch mir war so, als hätten wir im März bereits über die Fehlbelegungsabgabe diskutiert und SPD und GAL sich für die Abschaffung ausgesprochen. Allerdings sollte dies nicht sofort und somit auch nicht unüberlegt geschehen. Das heißt, das Wie und Wann spielte für uns eine große Rolle. Näheres wollten wir dann noch unter allen Parteien besprechen.

Ich habe von der CDU natürlich konstruktive Vorschläge erwartet, wie wir das Ganze jetzt voranbringen. Aber da ist heute nichts gekommen.Ich habe mich gewundert, daß die CDU fast einen ähnlichen Antrag wie im März einbringt, nur dieses Mal mit der Forderung, die Fehlbelegungsabgabe auszusetzen. Ich denke auch, daß dieser neue Antrag gar

(Barbara Duden SPD)

nicht so sehr darauf abzielt, sich der eigentlichen Sache zu widmen.

Wenn ich mir zum Beispiel den Artikel aus den „Luruper Nachrichten“:

„Ole von Beust nahm die Fehlbelegungsabgabe aufs Korn“,

ansehe, dann dämmert einem etwas. Dort ist die Rede davon, die CDU wolle 10 000 Briefe an betroffene Mieter versenden, die sich zum Thema Fehlbelegungsabgabe an die CDU wenden können. Hier wird die Fehlbelegungsabgabe wieder einmal für eine CDU-Tingelwerbekampagne „Ole von Beust kümmert sich“ mißbraucht. Es ist unredlich von der CDU, dies auf dem Rücken dieser Mieterinnen und Mieter auszutragen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Hans-Detlef Roock CDU: Das erklären Sie doch mal!)

Die SPD und GAL legen heute einen Antrag vor, der die genauen Schritte zur Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe beschreibt, wir sind also unserem Wort vom März treu geblieben. Um eine massive Veränderung der Bevölkerungsstruktur in den Gebieten mit hohem sozialen Wohnungsbestand zu verhindern, werden wir bis zum Jahre 2003 die Fehlbelegungsabgabe schrittweise abschaffen. Damit wollen wir den Wegzug der mittlerweile Besserverdienenden eindämmen. Die stufenweise Abschaffung ist gerechter als die bisherige Praxis der Ausnahmeregelungen für bestimmte Stadtteile. Außerdem bleiben wir dabei – das war der GAL besonders wichtig –, daß die Belegungsbindungen im sozialen Wohnungsbau erhalten bleiben. Herr Hesse, Sie hatten in Ihrer Rede sogar erwähnt, Sie bedauerten es, daß demnächst immer mehr Bestände aus der Belegung herausfallen. Deswegen macht es gerade Sinn, unserem Antrag zuzustimmen, weil es jetzt so geregelt ist, daß uns dort wenigstens die Bindungen erhalten bleiben.

Herr Hesse, Sie können jetzt Ihre Briefe getrost ins Altpapier werfen,

(Barbara Duden SPD: Ist bei den Mietern schon längst gelandet!)

und die Mieter und Mieterinnen können sich jetzt gerne bei Fragen an die SPD- und die GAL-Fraktion wenden. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Uhl. Die Gruppe hat jetzt noch eine Redezeit von zwei Minuten, 13 Sekunden.

Ich habe ein Problem, Herrn Hesse als Helden zu feiern.Er will nicht in erster Linie die Fehlbelegungsabgabe abschaffen, sondern den sozialen Wohnungsbau. Sein Weg ist, nach der Logik zu verfahren, wo kein sozialer Wohnungsbau ist, muß auch keine Fehlbelegungsabgabe gezahlt werden. Darum kann es nicht gehen, und deshalb taugt der CDUAntrag auch nichts,

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Uwe Grund SPD)

Ich habe mir geschworen, eine Aussage jedes Mal zu kritisieren, wenn sie hier gesagt wird. Die Begründungen, warum auch die Koalitionsfraktionen die Fehlbelegungsabgabe abschaffen wollen, lassen mich regelmäßig in die Tischkante beißen. Es geht darum, daß Leute real zu viel

Miete zahlen. Daß sie das nicht mehr tun müssen, ist gut. Es geht aber nicht darum, die Begründung darüber herzustellen, daß man andere Leute stigmatisiert. Es ist absoluter Unfug, zu sagen, Personen mit geringem Einkommen könnten nicht zusammen in einem Quartier leben. Das werde ich als Begründung für eine Maßnahme auch immer wieder zurückweisen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Noch zwei Punkte. Erstens: Wir werden natürlich darauf achten, daß die Abschaffung der Fehlförderungsabgabe nicht zu Lasten des sozialen Wohnungsbaues geht und keine Maßnahme ist, die darüber finanziert wird, daß künftig die Neubauzahlen – insbesondere im ersten Förderungsweg – zurückgefahren werden. Das wäre fatal.

Zweitens:Wir werden ebenfalls darauf achten, daß sich die Logik dessen, was man eingeleitet hat, fortsetzt. Die Mieten, die auch im ersten Förderungsweg viel zu hoch sind – die Mieter zahlen 40, 45 Prozent ihres Einkommens –, müssen künftig geringer werden und vor allem nicht mehr so derbe wie gegenwärtig steigen.Sie wissen, das steht in keinem Verhältnis zur Einkommensteigerung. Das heißt, die Aufgabe ist jetzt, diese Mieten ebenfalls zu senken. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Sie hätten noch elf Sekunden gehabt.

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Die sehe ich nicht.Dann kommen wir zu den Abstimmungen.

Ich lasse zunächst über den SPD/GAL-Antrag aus der Drucksache 16/4540 abstimmen. Wer das Fünfte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen in Hamburg beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist dies mit Mehrheit so geschehen.

Es bedarf einer zweiten Lesung.Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu? –

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Das ist nicht der Fall.

Wer das in erster Lesung beschlossene Gesetz in zweiter Lesung beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Ohne Enthaltungen ist das Gesetz mit Mehrheit damit auch in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.

Ich stelle den CDU-Antrag 16/4411 zur Abstimmung. Wer diesen beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.– Gegenprobe.– Enthaltungen? – Dann ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf: Große Anfrage der GAL zur gymnasialen Oberstufe: Drucksache 16/4272.

[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Gymnasiale Oberstufe – Drucksache 16/4272 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Goetsch hat es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu später Stunde – aber trotzdem noch zwei grundlegende Aussagen, die aufgrund der Antwort des Se

(Andrea Franken GAL)

nats auf unsere Große Anfrage zum Zustand der gymnasialen Oberstufe besprochen werden müssen.

Erstens:Die Hamburger gymnasialen Oberstufen haben offensichtlich ein strukturelles Problem.

Zweitens: Die innere Verfaßtheit der Oberstufen – sprich: die Reform der gymnasialen Oberstufe – scheint noch in den Kinderschuhen zu stecken. Die pädagogischen Ziele der reformierten Oberstufe nach der Novellierung 1997 liegen meines Erachtens noch in weiter Ferne.

Zunächst zu den strukturellen Gesichtspunkten. Hamburg leistet sich bei einer Jahrgangsstärke von nicht einmal 6000 Schülerinnen und Schülern 98 gymnasiale Oberstufen im staatlichen Schulwesen. Um ein halbwegs auswahlfähiges Kursangebot zu ermöglichen, müßten also an jedem Standort mindestens 66 Schülerinnen und Schüler pro Jahrgangsstufe unterrichtet werden. Diese meines Erachtens organisatorisch notwendige Mindestfrequenz wird aber nur an 26 von 66 Gymnasien – das ist ein Drittel aller Schulen – und an zwölf von 19 Gesamtschulen erreicht und zum Teil sogar erheblich unterschritten. Zusammen ist das gut die Hälfte aller Oberstufen. Das heißt, von allen gymnasialen Oberstufen haben nur 56 Prozent diese sinnvolle Mindestgröße. Daß die Behörde mit 58 statt mit 66 Schülerinnen und Schüler rechnet und darin schon eine Dreizügigkeit sieht, ist zwar ganz nett, nur produziert das Unterfrequenzen, die wiederum Probleme mit der Stundenausstattung nach sich ziehen.Die Folge ist – das muß man sich aufmerksam anhören –, daß an jeder dritten Oberstufe kein Leistungskurs Chemie, an jeder zweiten Oberstufe kein Leistungskurs Physik zustande kommt und daß an drei von vier Oberstufen auch kein Leistungskurs Französisch angeboten wird. Das ist besonders bedenkenswert, wenn Sie an die geforderte Sprachkompetenz im Rahmen der EU denken. Zum Himmel schreit, daß es in ganz Hamburg nur elf Leistungskurse Informatik gibt, denke man an die Debatte um die Nachwuchsqualifizierung IT, die wir des öfteren führen.

Doch wie gehen die Schulen damit um? Die Schulen kooperieren. So gut. Wenn man sich in der Antwort auf die Große Anfrage die lange Liste der Schulen anschaut, die kooperieren, sieht das beeindruckend aus.Aber, meine Damen und Herren, diese lange Liste ist aus der Not geboren, der Grund sind die zu geringen Jahrgangsgrößen. Die Schulen sind sicherlich sehr phantasievoll. Sie haben sich Huckepack-Kurse einfallen lassen, in denen Leistungs- und Grundkurse zusammengelegt werden. Sie arbeiten jahrgangsübergreifend, was wir natürlich in anderen Schulformen und in unteren Stufen sehr gut finden. Aber das ist keine systematische Kooperation. Aus der Antwort wird deutlich, die einzigen systematischen und konzeptionellen Kooperationen sind nur die wirklich vollständig gemeinsamen Oberstufen. In dem Zusammenhang fehlen die vollständigen Oberstufen von Jahnschule und Gesamtschule Eppendorf sowie von der Gesamtschule Winterhude mit der Gesamtschule Alter Teichweg.