Protocol of the Session on September 20, 2000

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(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD)

Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen über die Benutzung von Einkaufsstraßen durch Menschen. In dieser Statistik steht die Mönckebergstraße bundesweit an achter oder zehnter Stelle. Welche Straßen nehmen die Spitzenplätze ein? Zum Beispiel die Kaufingerstraße in München. Warum kaufen dort sehr viel mehr Leute ein? Weil direkt daneben Tausende von Menschen wohnen. Das ist der Unterschied. Hören Sie bitte damit auf, daß es in der Innenstadt zuwenig Parkplätze gibt;es gibt zuwenig Wohnplätze.

(Dr. Roland Salchow CDU: Die, die da wohnen, brauchen auch Parkplätze!)

Ja, das habe ich gesagt.Wenn es gelänge, ein Viertel wieder mit Wohnungen zu versehen, dann müßte man vielleicht zusätzliche Parkplätze bauen.Aber dann läge der Fall anders.

Sie haben die Ablösesummen für Gaststätten als Strafsteuer bezeichnet. Da haben Sie recht. Ich kenne eine ganze Reihe von Ecken, wo sich nach Schließung von Läden Gaststätten einmieten wollten, es aber wegen der hohen Ablösesummen nicht konnten. Wie man dieses Problem löst, ist doch relativ einfach: Man muß in der Lage sein, diese Regelung großzügiger zu handhaben. Wir hatten früher vorgeschlagen – diesen Vorschlag mache ich erneut –, daß dafür gesorgt wird, daß für kleine Gewerbebetriebe die jeweils ersten drei nach der Berechnung notwendigen Stellplätze entfallen sollen. Für die großen Gewerbebetriebe wäre dies belanglos, aber wenn ein Betrieb für fünf oder zehn Stellplätze zahlen müßte, würde davon der Betrag für drei abgezogen. Für ihn wäre dies viel rentabler, und es wäre ein mittelstandsfreundliches Unternehmen.

Ich komme dann zu Berlin. Ich finde dieses Argument belustigend. Berlin hat anläßlich der Bebauung des Potsdamer Platzes gegenüber Daimler-Benz in der Tat eine freundliche Geste gezeigt und die Stellplatzverpflichtung abgeschafft. Diese Tatsache ist in ihrer Bewertung sehr strittig.

Daraus ergibt sich folgendes: Einerseits werden in Berlin in der inneren Stadt Bürogebäude gänzlich ohne die Verpflichtung gebaut, Stellplätze zu errichten. Das bedeutet, daß die Menschen auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen sind; das ist gut so. Auf der anderen Seite sagen uns die Verkehrspolitiker – in einer Anhörung des Bau- und Verkehrsausschusses war ein Berliner Beamter zu Gast –, daß die Berliner Bau- und Verkehrsverwaltung nach wie vor eigentlich gegen dieses Modell sei, weil es die Stadtplanung behindere. In München ist dies ebenso der Fall. Es besteht unter den Stadt- und Verkehrsplanern in deutschen Städten bisher ein Konsens, daß das Berliner Modell nicht vorbildlich sei.

Trotzdem bin ich dafür, es zu debattieren, weil die derzeitige Bau- und Verkehrsordnung große Schwächen hat. Sie fördert nämlich – im Gegensatz zu dem, was Sie glauben – den Autoverkehr.

(Beifall bei Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Es darf keine Wohnung gebaut werden, ohne daß der Autoverkehr durch Garagen gefördert wird. Das führt dazu, daß jeder Neubaumieter, auch wenn er kein Auto besitzt,

die Garage seines autobesitzenden Nachbarn über die Mietberechnung freundlicherweise mitfinanziert. Die Bauordnung ist also extrem autofreundlich. Diesen Zustand sollte man abschaffen und insbesondere bei Wohnungsbauten den Zwang durch eine Erlaubnis zum Garagenbau ersetzen.

Dieser Vorschlag – das gebe ich zu – hat einen Pferdefuß. Dies kann nämlich nur dort stattfinden, wo es eine durchgehende parkraumbewirtschaftete Straße gibt, weil wir den Autobesitzern nicht auch noch den öffentlichen Raum schenken wollen. Man muß also sehr viel mehr ändern.

Ich wäre dafür, diesen Prozeß in Gang zu setzen. Es käme natürlich genau das Gegenteil von dem heraus, was Sie vorschlagen, Herr Roock: Weniger Stellplätze und weniger Autoverkehr. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Sudmann.

Wo Herr Schmidt recht hat, hat er recht. Und das ist genau das Problem. Herr Roock, Sie haben es nur noch nicht erkannt. Denn die bisherige Stellplatzverordnung ist eine reine Autoförderung, die genau in Ihrem Sinne sein müßte. Vor etlichen Jahrzehnten hätte ich Ihnen auch zustimmen können, diese Stellplatzverordnung abzuschaffen, weil es damals keine Förderung des ÖPNV gab. Sie können aber auch das Pferd andersherum aufzäumen.Vielleicht wird es Ihnen dann etwas klarer, in welche Richtung Sie gehen müssen.

Es geht darum, daß errichtete Bauten von den Nutzerinnen erreicht werden können.Erreichbarkeit ist nicht immer dem Auto gleichzusetzen. Gerade dies ist Ihr Denkfehler, daß Sie sagen, daß Erreichbarkeit nur über das Auto zu gewährleisten sei. Deswegen macht es Sinn, daß auch Geld dafür bezahlt wird, daß der öffentliche Nahverkehr die Wohngebiete erreicht, Fahrradabstellplätze geschaffen werden und damit die notwendige Ver- und Entsorgung stattfindet. Das ist richtig und sinnvoll; alles andere bringt herzlich wenig.

Wenn für die Stellplätze marktgerechte Preise bezahlt werden müßten, hätten wir ein Problem, das Sie sehr erstaunen würde. Ich möchte als Beispiel die Tiefgarage am Ring 2, westlich der Breitenfelder Straße, nennen, die neu errichtet wurde. Dort sind Stellplätze leer, weil die Anwohnerinnen nicht bereit sind, die geforderten Preise, die noch nicht einmal marktgerecht sind, zu zahlen. Wenn für Stellplätze in Hamburg überall marktgerechte Preise erhoben würden, gäbe es ein Überangebot. Dieses Problem hätte ich ganz gern. – Vielen Dank.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Dr. Martin Schmidt GAL)

Das Wort hat Senator Wagner.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf die Zweckbestimmung hinweisen, die in der Bürgerschaft beschlossen worden ist.Wenn ich mich richtig erinnere, hat die CDU dieser sogar zugestimmt.

(Bernd Reinert CDU: Ne! – Elke Thomas CDU: Se- hen Sie, Sie wissen nicht alles!)

(Dr. Martin Schmidt GAL)

A

B

C

D

Dann haben wir unterschiedliche Erinnerungen.

In der Zweckbestimmung – das wird ebenfalls durch Paragraph 49 der Hamburgischen Bauordnung geregelt – bestehen momentan folgende Verwendungsmöglichkeiten für Ausgleichsbeträge:

Erstens: Für Anlagen von Kraftfahrzeugen außerhalb öffentlicher Straßen und von Fahrrädern.

Zweitens: Für Verbindungen zwischen Parkeinrichtungen und Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs.

Drittens:Für Parkleitsysteme und andere Einrichtungen zur Verringerung des Parksuchverkehrs.

Viertens: Für Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs und von öffentlichen Radverkehrsanlagen.

Diese Vorgabe der Bürgerschaft wird umgesetzt. Die Behauptung, daß die Stellplatzabgabe zentrumsfeindlich sei, ist nicht richtig. Wenn Sie sich das Zentrum einmal ansehen, werden Sie feststellen, daß es – nach Ihrer Auffassung zwar zu wenig – blüht und gedeiht. Auch die wirtschaftlichen Zahlen in Hamburg können sich sehen lassen; wir liegen danach mit an der Spitze.

Darüber hinaus kann man die Innenstadt mit dem Auto sehr gut erreichen. Es gibt dort genügend Parkhäuser, und selbst in Spitzenzeiten – das habe ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt – findet jeder einen Parkplatz.

(Dr. Holger Christier SPD: Das ist schön!)

Das ist also alles bestens geregelt.

Natürlich kann man auch etwas verschenken. Darin ist die CDU besonders groß. Das habe ich bei der Ökosteuerdebatte wieder gesehen, die ich zwar nicht ganz mitbekommen habe, aber man hatte den Eindruck, daß Sie Geld verschenken wollen. Das ist keine Politik, sondern Sie verfahren hier nach dem alten römischen Stil: Sie kaufen Stimmen. Ob dies – das sage ich in aller Deutlichkeit – ergebnisorientiert ist, bezweifele ich.

Noch ein Hinweis, über den Sie nachdenken können: Die gesamte City Süd ist mit dieser Stellplatzabgabe entstanden. Hier ist mir kein einziger Fall einer Unternehmensansiedlung bekannt, der wegen einer Stellplatzabgabe gescheitert ist.

Natürlich müssen sich Unternehmen bei ihren Investitionen überlegen, ob diese rentabel sind. Hierbei spielt die Stellplatzabgabe eine gewisse Rolle. Aber es kann doch nicht so sein, daß wir ihnen das ständig nachtragen. Die Unternehmen müssen richtig rechnen, dann investieren sie auch. Ein Beispiel dafür – ich kenne auch noch andere – ist die City Süd.

Hören Sie also mit dem Unsinn auf, daß diese Abgabe wirtschafts- und metropolfeindlich für die Stadt wäre.Wir haben hier die richtige Politik gemacht. Natürlich will ich nicht ausschließen, daß es auch zu Veränderungen kommen kann. Das System ist aber richtig, wir müssen es beibehalten. Es hat dazu geführt, daß sich sowohl die wirtschaftliche Entwicklung der Innenstadt positiv entwickelt hat als dort auch der Autoverkehr fließen kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Roock.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Polle, es ist nichts Neues, daß Sie unbedingt an einer Stellplatzabgabe festhalten wollen, um damit zu verkaufen, welche vermeintlich tollen Leistungen Sie in dieser Stadt vollbracht haben. Im übrigen hinken Ihre Vergleiche in bezug auf Flächen- und Stadtstaat doch erheblich; das müssen Sie selbst zugeben.

Bei genauer Betrachtung ist festzustellen, daß der Schwerpunkt rotgrüner Politik nur auf die Förderung des Fahrradverkehrs und auf den öffentlichen Personennahverkehr ausgerichtet ist. Wir haben mit Sicherheit nichts gegen die Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Personennahverkehrs, aber man darf dabei den Wirtschafts- und Individualverkehr nicht vergessen. Bei Ihrer Politik, Herr Senator, fehlt mir die Ausgewogenheit. Sie nehmen Veränderungen in dieser Stadt schlicht und ergreifend nicht wahr. Insofern sollten Sie zur Kenntnis nehmen, daß sich Hamburg zu einer modernen Dienstleistungsmetropole entwickelt hat.

Es kann doch nicht richtig sein, daß einem Investor nach den Bauvorschriften auferlegt wird, für vier Arbeitsplätze einen Stellplatz herzurichten, von dem er letztlich in den Abminderungsgebieten nur 25 Prozent erstellen darf. Das bedeutet doch im Ergebnis, daß in einer Dienstleistungsmetropole wie Hamburg ein Stellplatz für zwölf Arbeitplätze vorzusehen ist. Mindestens drei Mitarbeiter müssen davon aber mobil sein und ihr Geld im Außendienst verdienen. Meinen Sie vielleicht, daß diese Mitarbeiter ihre Werkzeuge, Ersatzteile, Computer et cetera unter den Arm klemmen und mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu den Kunden fahren? Wie stellen Sie sich das vor?

Die Probleme der Dienstleistungsbetriebe liegen doch auf der Hand. Zum einen werden die Ablösebeträge auf die Miete umgelegt und verursachen dadurch höhere Kosten. Zum anderen sind für die im Außendienst tätigen Mitarbeiter Parkplätze Mangelware. In der Konsequenz bedeutet dies, daß die modernen Dienstleistungsbetriebe ihre Standortentscheidung von diesen Rahmenbedingungen abhängig machen und möglicherweise Hamburg verlassen beziehungsweise gar nicht erst hierherkommen.

(Barbara Duden SPD: Das ist doch Quatsch! – Dr. Martin Schmidt GAL: Dann ziehen sie alle in die In- nenstadt!)

Man hört immer wieder, daß Bausenator Wagner sehr sympathisch sei,

(Barbara Duden SPD: Bravo! – Dr. Martin Schmidt GAL: Das muß doch mal gesagt werden!)