Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

Wir wissen, daß es über den direkten Nutzen im Zusammenhang mit Steuereinnahmen natürlich keine positive Bilanzform gibt. In dem Augenblick, in dem man das berechnen würde, würden wir alle schamrot werden, wie wenig Geld auf dieser Ebene hereinkommt. Es bringt auch nicht den Nutzen der Arbeitsplätze, die uns dafür versprochen worden sind, weil eine Menge dieser Arbeitsplätze gar nicht in dieser Stadt sein werden, sondern nur indirekt. Dementsprechend haben wir das Phänomen, daß eine riesige Summe ausgegeben wird für eine Sache, die man nicht genau festhalten kann und die nicht ganz klar ist. Wenn man sich das einmal genau überlegt – und es ist wichtig, das zu bilanzieren –, so wird Hamburg für jeden Arbeitsplatz mindestens 600 000 DM ausgeben. Bei diesem Betrag kann ich locker von den Zinsen leben. Das brauche ich nur anzulegen und kann davon wunderbar einen Arbeitsplatz schaffen und noch einen anderen Arbeitsplatz induzieren, weil ich auch meine Brötchen irgendwo kaufe.

(Heiterkeit und Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Wenn ich noch die Bundeszuschüsse dazurechne – 2,5 Milliarden DM für die Forschung, 600 Millionen DM Zinsvergünstigung, x Milliarden DM dafür, daß jetzt für das Militär ein Airbus hergestellt werden soll, obwohl Scharping vorher gesagt hat, das wäre katastrophal –, bedeutet das 2 bis 3 Millionen DM Subvention für jeden Arbeitsplatz. Nicht nur die tolle Fläche, nicht nur, daß die Zukunft eines wichtigen Teils Hamburgs gefährdet ist, sondern auch noch soviel Geld dafür hinterherschütten, das rechnet sich nach meiner Meinung nicht.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Dementsprechend habe ich den Eindruck, daß es hierbei um etwas anderes geht. Man kann keine vernünftige Kosten-Nutzen-Rechnung vorlegen. Hamburg hat sich ja unheimlich angestrengt, nicht nur um die Teilfertigung für den A3XX zu bekommen, sondern vor allen Dingen eine Auslieferungshalle hierherzubekommen. Das hat zwar mit den gesamten Produktionsabläufen nicht allzuviel zu tun, aber dementsprechend kann man dann hingehen und sagen, der A3XX kommt aus Hamburg. Das übt ihr ja schon die ganze Zeit fleißig hier im Parlament, das auch nach außen hin zu sagen. Dieses Prestige ist anscheinend das Wichtige, das Hamburg gerne haben will, um damit auftreten zu können, der A3XX kommt von Hamburg, und wir sind damit ganz toll berühmt und damit wunderbar.

(Beifall bei Walter Zuckerer SPD)

Und ich finde es unmöglich, dafür diese Fläche herzugeben und dieses viele Geld auszugeben; für dieses Pappschild, für diese Prestigegeschichte sollte das nicht erlaubt sein. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Thema? – Das Wort erhält Senator Mirow.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, noch einmal eine wirtschaftspolitische Begründung für das Vorhaben und den Antrag, den der Senat der Bürgerschaft vorgelegt hat, zu geben, eine wirtschaftspolitische Begründung, die aus meiner Sicht über die errechneten Arbeitsplatzzahlen hinausgeht, wenngleich, Herr Hackbusch, ich von diesen Berechnungen nichts zurückzunehmen habe.

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

A C

B D

Meine Beobachtung ist, daß wir es im Wettbewerb der Regionen zunehmend damit zu tun haben, daß sich Kompetenzzentren im weiteren Sinne entwickeln oder, wenn es nicht gut läuft, nicht entwickeln. Deswegen ist ein solches Projekt, wie die Bewerbung Hamburgs um den A3XX, aus meiner Sicht vielleicht noch nicht einmal in erster Linie allein auf das eigentliche Vorhaben bezogen zu bewerten. Worum es geht, ist, in einem der ganz wenigen Bereiche, die realistischerweise zur Verfügung stehen, Hamburg industriell, nicht dienstleistungsbezogen, in eine internationale Spitzenposition zu bringen.

(Beifall bei der SPD – Michael Fuchs CDU: Sehr richtig!)

Ich will versuchen, mit wenigen Worten zu umschreiben, was das aus meiner Sicht enthält, denn das, was ich sage, bedingt ja, daß dann die Entscheidung für den A3XX noch gar nicht ausreicht, das Ziel zu erreichen, sondern daß zusätzliche Anstrengungen unternommen werden müssen, wenn der ganze Effekt für Hamburg gesichert werden soll.

Was meine ich damit? Ich meine damit, daß wir mit der A3XX- und der Entscheidung, daß Hamburg Single-AisleKompetenzzentrum wird, die Chance bekommen, im Bereich Ausbildung und Qualifizierung europaweit ein attraktiver Standort zu werden für junge Menschen, die in das Arbeitsleben eintreten. Ich meine, daß wir uns bemühen, anstrengen müssen und uns, wenn ich zum Beispiel den Präsidenten der TU Harburg richtig verstehe, in den Institutionen ja schon anstrengen, daß wir im Bereich Forschung und Entwicklung einen Spitzenplatz – bezogen auf die Luftfahrt – einnehmen. Herr Dobritz hat darauf hingewiesen, daß wir, zumal vor dem Hintergrund der Verteuerung von Logistikketten, eine Chance haben, zusätzliche Zulieferer dazu zu bewegen, in die Nähe des Werkes zu rücken und damit Arbeitsplätze mindestens in der Region und, wenn wir tüchtig genug sind, in hohem Maße auch auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg zu schaffen.

Ich meine damit, daß ein großes zweites Unternehmen wie die Lufthansa Technik von dem Vorgang A3XX mit profitiert. Wer die Zeitungen in den letzten beiden Tagen gelesen hat, wer zur Kenntnis genommen hat, daß die Lufthansa Technik die Absicht hat, allein im nächsten Jahr in der Größenordnung von mehreren Hundert, Herr Hackbusch, zusätzliche Arbeitsplätzen zu schaffen, der wird feststellen, daß allein die Konzentration auf die Umrechnung im Hinblick auf das einzelne Projekt nicht weit genug trägt.

Ich meine damit, daß wir um die Luftfahrtindustrie herumgruppierte Dienstleistungen in Hamburg stärken können und müssen. Ich will zwei Beispiele nennen. Der HMC ist es gelungen, für den Herbst 2002 den sogenannten MRO nach Hamburg zu holen, ein Kongreß „Maintenance Repair and Overhall“ im Bereich Luftfahrttechnik mit 1000 Teilnehmern und einer Vielzahl von Ausstellern.

Natürlich kommen sie deswegen nach Hamburg, weil hier der A3XX produziert und das Single-Aisle-Kompetenzzentrum für den Airbus entstehen wird. Das heißt, daß ein wichtiger Effekt entsteht, der in unserer Drucksache naturgemäß nicht erwähnt werden kann.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Wußten die schon vorher, wie die Bürger- schaft entscheidet?)

Sehen Sie diese Aktivitäten als Vertrauen auf unsere Vernunft, Frau Sudmann. Dieses Vertrauen haben die Unternehmen zu Recht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Sehen Sie sich die Finanzdienstleister an, die in Hamburg eine zunehmende Geschäftstätigkeit rund um die Finanzierung von Flugzeugbeschaffung und -leasing entwickeln. Das ist ein wichtiger Geschäftszweig, der natürlich etwas damit zu tun hat, daß hier ein Kompetenzzentrum für Flugzeuge entsteht. Ich betone das, was Herr Dobritz gesagt hat:Wir müssen uns natürlich auch darum bemühen, möglichst viele Menschen, die in diesem Zusammenhang tätig sein werden, in Hamburg anzusiedeln.

Herr Hackbusch, es wurden viele Zahlen genannt. Ich möchte sie nicht alle wiederholen, weil sie in der Drucksache stehen, füge aber noch einmal hinzu, daß diese zugegebenermaßen sehr hohe Ausgabe mit dazu beiträgt, daß Hamburg neben den großen öffentlichen Unternehmen wie der HHLA, der Hamburg-Messe, dem Flughafen oder andere allein aus dem Haushalt und aus der Mobilisierung von Vermögen im Jahre 2001 annähernd 1 Milliarde DM für wirtschaftsnahe, öffentliche Investitionen finanzieren wird. Das ist nicht wenig. Diese Summe wird im übrigen natürlich vielen anderen Zweigen der Wirtschaft – nicht zuletzt dem Handwerk – zugute kommen.

Diese Investitionsquote sollte man übrigens rechnen, aber nicht allein die nominale, die sich aus den Haushaltszahlen ergibt, sondern die reale. Dann würde Hamburg nach meiner Vermutung im nächsten Jahr in der Pro-Kopf-Betrachtung, vielleicht sogar in absoluten Zahlen, sehr weit oben stehen.

Ich will zweitens auf eine Bemerkung von Herrn Ehlers eingehen, die ich so nicht teile. Hierbei handelt es sich um die Frage: Ist Hamburg bei der Arbeitsteilung mit Toulouse vielleicht nicht gut genug weggekommen?

Erstens: Ich glaube, daß die Entscheidung eines europäischen Unternehmens, die auf einer dauerhaften Arbeitsteilung von zwei Standorten basiert, sehr viel wertbeständiger ist, als wenn eine Entscheidung entweder für den einen oder den anderen Platz getroffen worden wäre. Darauf liegt auf Dauer kein Segen. Hier wird es – das gebe ich zu – weiter Gerangel geben.Jeder wird versuchen, dem anderen noch eines auszuwischen. Wir müssen aufpassen, daß wir dabei nicht diejenigen sind, die benachteiligt werden. Aber im Prinzip ist die Entscheidung bei einem so großen Projekt richtig und vernünftig, daß keiner mit leeren Taschen dasteht.

Zur Technologieseite möchte ich zweitens folgendes sagen: Mir ist gesagt worden – ich bin kein Ingenieur, kein Fachmann, deswegen kann ich dies nur so wiedergeben –, daß der Wertschöpfungsanteil der Innenausstattung bei den kleinen Flugzeugen im Laufe der Jahre von 12 auf 15 Prozent gewachsen sei. Er wird beim A3XX von Anfang an bei 18 Prozent liegen. Anders ausgedrückt: Das, was sich im Innenraum dieser Flugzeuge abspielt, wird technologisch immer anspruchsvoller, aufwendiger und – siehe die Aufträge an die Lufthansa-Technik – immer kundenspezifischer. Herr Ehlers, dieser Umstand ist mit dem Wort „Polsterei“ eben nicht richtig beschrieben, sondern enthält eine technologisch sehr aufwendige Tätigkeit.

Ich möchte eine dritte Bemerkung zu Herrn Hackbusch machen, der uns viel vorgerechnet hat, und auch auf den blauen Zetteln, die wir bekommen haben, ist viel vorgerechnet worden.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Blauer Brief wäre besser gewesen!)

(Senator Dr. Thomas Mirow)

Herr Dobritz hat auf den Einstandspreis für die Vermögensanteile und auf die von uns erwartete Summe für eine Veräußerung hingewiesen. Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, daß wir nicht 640 Millionen DM,

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Plus X!)

sondern einen eindeutig höheren Preis erwarten, aus dem 640 Millionen DM zu finanzieren sind. Damit es keine Mißverständnisse bei den Interessenten gibt.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Plus Doppel-X!)

Aber wie kommt denn die Wertsteigerung zustande, Herr Hackbusch? Wenn wir uns immer so verhalten hätten, wie Sie es uns in diesem Falle anempfehlen, dann hätte es die Wertsteigerung nicht gegeben; Sie hätten diese Rechnung nicht aufmachen können.Der von uns erwartete Preis spiegelt doch die gesteigerte Werthaltigkeit eines solchen Unternehmens wider, die sich aus seiner Produktpalette ergibt. Das bedeutet für den Flugzeugbau, in der Lage zu sein, eine vollständige Angebotspalette, von kleineren Flugzeugen mit 100 Plätzen bis hin zu den größten, anbieten zu können.

Das heißt, der Standort Hamburg, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Managements des Werkes und diejenigen, die über die letzten Jahrzehnte hier wirtschaftspolitische Verantwortung trugen, haben für die Wertsteigerungen gesorgt, die es jetzt ermöglichen, eine solche Investition auch zu finanzieren.

(Beifall bei der SPD)

In aller Kürze meine Bemerkungen zu vier Einzelpunkten.

Start- und Landebahn: Ich kann nur wiederholen, Herr Ehlers: Der Senat hat nichts zu verstecken. Wir haben in aller Öffentlichkeit auf der Grundlage eines Senatsbeschlusses erklärt: Wenn uns der Nachweis erbracht wird, daß eine längere Start- und Landebahn notwendig ist, werden wir die entsprechenden rechtlichen Verfahren einleiten. Das muß man nicht in jeder Drucksache wiederholen.

Verkehrskonzept: Hierüber findet aus meiner Sicht – wir sprechen heute über die Drucksache: Hamburg als Standort für die Produktion und die Endlinienfertigung des Airbus A3XX – nicht die richtige Debatte statt.Wir werden über die richtige Trasse an anderer Stelle debattieren.

Im Planfeststellungsverfahren ist ausdrücklich festgestellt worden, daß der Verkehr zunächst auch ohne die zusätzliche Trasse abgewickelt werden kann.Was Sie zu Ihrer Vorliebe für die eine oder andere Trasse gesagt haben, kann ich im übrigen so nicht teilen.Aber ich wiederhole, daß dies im Augenblick nicht der richtige Debattenpunkt ist.

(Volker Okun CDU: Wieso eigentlich nicht?)

Kostenermittlung:Herr Ehlers, es ist so, wie Sie sagen.Dieses Vorhaben ist in gewisser Weise beispiellos. Den Versuch zu unternehmen, der Bürgerschaft mitzuteilen, daß dieses Projekt genau 987 353 000,87 DM kostet, wäre falsch; niemand könnte das verantworten.

Herr Hackbusch hat sich Sorgen um das Landschaftsbild gemacht.Das ist ein wertvolles Gut.Sie können davon ausgehen, daß wir mit der äußeren Gestaltung dieses Vorhabens sorgfältig umgehen werden. Es wird einen qualifizierten Architektenwettbewerb geben. Ich habe schon im Ausschuß berichten können, daß wir aufgrund der veränderten Produktionsmethode mit der Höhe der Halle nicht ganz so weit gehen müssen wie ursprünglich befürchtet.Wir werden aus meiner Sicht durchaus die Chance haben – die wir

auch nutzen müssen –, hier Industriebau anzusiedeln, der ansehnlich ist und Hamburg insgesamt in seinem Stadtbild nicht schadet, sondern nützt.

Altes Land: Auch durch ständige Wiederholung wird es nicht wahrer, daß das Alte Land bei zusätzlicher zwanzigprozentiger Inanspruchnahme des Mühlenberger Lochs zerstört wird. Das ist eine vergiftende Äußerung,

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Und was ist mit Neuenfelde?)

die keiner sachlichen Grundlage Rechnung trägt. Den Landwirten, die sich gelegentlich an solchen Äußerungen beteiligen, kann ich von dieser Stelle aus den Rat geben: Verschlechtern Sie Ihre Marketingchancen nicht dadurch, daß Sie Ihre Produkte schlechtmachen; sie haben es nicht verdient.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Und die Bauern haben selber schuld, was?)