Als unsere kleine Delegation seinerzeit zurückgekommen ist, hat sie gesehen, daß wir in Deutschland andere, nämlich besondere verfassungsrechtliche Gegebenheiten haben, die eigene Lösungen erfordern.Trotzdem ist das, was hier gesagt wurde, richtig und muß auch immer beachtet werden. Denn die Gruppe 4, die in England den Zuschlag zum Betrieb dieses Gefängnisses bekommen hat, will und muß Gewinn machen; sie macht es nicht um Gottes Lohn und nicht aus karitativen Gründen; allein das muß einen schon sehr nachdenklich machen.
Die Justizbehörde hat seit Anfang der neunziger Jahre immer wieder geprüft, ob und welche Privatisierungen im Vollzug sinnvoll und nützlich sein könnten. So haben wir beispielsweise 1995, also vor fünf Jahren, geprüft, ob der hier schon erwähnte Neubau, die Ersatzanstalt Billwerder für Neuengamme, sinnvoll in Form einer Mietkauflösung sein könnte. Das waren Modelle, die insbesondere die ostdeutschen Länder teilweise ergreifen mußten, weil sie einerseits die Mittel aus ihrem Haushalt einfach nicht aufbringen konnten, andererseits aber so marode Haftanstalten hatten, daß sie sofort neue bauen mußten, da die alten Anstalten, nachdem die martialischen Sicherungen von Elektrozäunen, Wassergräben und freilaufenden Hunden natürlich entfernt werden mußten, nicht mehr sicher waren.
Daher haben wir in den neunziger Jahren eine Mietkauflösung für Billwerder durchgerechnet und dabei folgendes festgestellt: Die Mietkauflösung, die natürlich immer möglich ist, wäre in den ersten Jahren deutlich günstiger gewesen. Sie hätte den Investitions- und Betriebshaushalt deutlich entlastet. Vom neunten Jahr an hätten aber die jährlichen Zinslasten die der klassischen herkömmlichen Investfinanzierung überstiegen und schließlich im 23. Jahr kulminiert und zu einer exorbitanten Zinsbelastung geführt.
Nachdem dies festgestellt war, sind wir zu dem Ergebnis gekommen, daß wir damit, würden wir eine solche Lösung wählen, die – ich wiederhole – in Ostdeutschland zum Teil unumgänglich war, die finanziellen Belastungen des Gefängnisneubaus klar auf die nächste Generation verlagern würden, ohne daß auf Dauer ein wirtschaftlicher Vorteil entstünde. Das haben wir nicht für zulässig gehalten.
In bezug auf Investitionsplanungen müssen wir differenzieren; das ist hier auch schon gesagt worden. Teilleistungen und Teilinvestitionen können Private durchaus wirtschaft
licher als staatliche Einrichtungen erbringen. Dabei verweise ich auf die Vergabe von Planungen für Großprojekte, zum Beispiel den Um- und Ausbau der Jugend- und Frauenvollzugsanstalt Hahnöfersand. Das haben wir an einen Generalunternehmer vergeben. Ferner nenne ich den Bau und Betrieb eines Blockheizkraftwerkes für die drei Fuhlsbüttler Anstalten.
Die Privatisierung von Leistungen, von denen gegebenenfalls auch Anstaltsbetriebe in den Vollzugsanstalten betroffen sein können, muß aber – auch das wurde hier schon erwähnt – aus einem anderen Grunde mit besonderer Sorgfalt geprüft werden; viel sorgfältiger als in der sogenannten freien Wirtschaft. Von solchen Privatisierungsüberlegungen sind nämlich immer Gefangenen-Arbeitsplätze betroffen.
Gefangenenarbeit ist nun nichts, was in unser Belieben gestellt ist, sondern es ist eine zentrale vollzugliche Aufgabe. Es ist kein Produktionsmittel, Gefangene zu beschäftigen. Ausbildung kostet zunächst einmal Geld und schafft in der Regel keinen Mehrwert. Das heißt, die Mehrzahl der Gefangenen muß erst an die Arbeit herangeführt werden, und das ist eine vollzugliche Leistung, bevor sie überhaupt halbwegs wirtschaftlich eingesetzt werden können; und auch das muß ich hier deutlich sagen, viele erreichen dieses Ziel überhaupt nicht. Wenn wir uns vor Augen führen, wie viele unserer Gefangenen krank, drogenbelastet sind, wird es sofort einleuchten, daß diese Menschen nicht wirtschaftlich arbeiten und eingesetzt werden können.
Jeder Arbeitsplatz für Gefangene ist aber wichtig. Er bleibt auch dann wichtig, wenn Privatbetriebe die gleiche Arbeit oft preiswerter erstellen können. So arbeitet ein Handwerksbetrieb in einer Anstalt in der Regel mit viel mehr Beschäftigten, als es ein Privatbetrieb draußen tut, um auch nur annähernd dieselben Ergebnisse zu erzielen. Es zählt aber hier nicht der Erfolg im betriebswirtschaftlichen Sinne. Entscheidend ist, daß unsere Gefangenen die Möglichkeit erhalten, so gut wie möglich auf das Leben nach der Entlassung vorbereitet zu sein, um in den Stand versetzt zu werden, sich durch eigene Arbeit selbst erhalten zu können. Das sind Dinge, die sie oft, bis sie in den Vollzug kommen, nicht oder nicht vollständig gelernt haben.
Natürlich gibt es für Dienstleistungen im Vollzug Privatisierungspotentiale. Diese Potentiale werden genutzt, wenn der Vollzug bestimmte Arbeiten nicht selbst leisten kann oder eine privatwirtschaftliche Lösung effektiver und eklatant günstiger ist. Dabei denke ich an Wartungsarbeiten an komplizierten elektronischen Sicherungsanlagen, die wir im geschlossenen Vollzug haben müssen und die eine Vollzugsanstalt nicht selbst warten kann.Das gilt auch für Spezialaufgaben im Bereich der medizinischen Versorgung.
Wir prüfen zur Zeit konkret, ob es kostengünstiger und organisatorisch besser ist, bestimmte Aufgaben der Verwaltung der Justizvollzugsanstalt zu privatisieren; das sind ja kleine Welten für sich, in denen viel Verwaltung geleistet werden muß. Auch hier sind viele Fragen offen.
So gibt es in Bremen, wo der nach privatwirtschaftlichen Prinzipien organisierte Eigenbetrieb JUDIT, der insbesondere Anstaltsbetriebe der Wirtschaftsverwaltung übernommen hat, erhebliche Abstimmungsprobleme. Diese Probleme mögen auf Dauer zu lösen sein, aber es gilt auch für diesen Bereich, daß eine Privatisierung immer nur dann sinnvoll ist, wenn sie zu wirklichen Kosteneinsparungen bei zumindest gleichem Ergebnis führt.
Schließlich darf ich noch auf vollzugliche Arbeitsfelder hinweisen – das wurde hier deswegen bereits erwähnt, weil wir
es in unserer Antwort schon ausgeführt haben –, in denen wir seit langem mit Unternehmen oder Personen zusammenarbeiten, die nicht staatlich organisiert sind. Ich denke an den gesamten Bereich der Suchtberatung, bei dem wir seit vielen Jahren in enger Kooperation mit Freien Trägern arbeiten, beispielsweise Vereinen wie „Alkoholfreie Selbsthilfe“, „Jugend hilft Jugend“ und „Therapiehilfe“.
Diese Lösung schafft, das ist besonders wichtig, eine sonst im Vollzug nur bedingt gegebene Vertrauensbasis zwischen den suchtabhängigen Gefangenen und den Beratern. Dieses Vertrauen sichert eine kontinuierliche Betreuung der Gefangenen oft über die Entlassung hinaus, denn es sind Freie Träger, die innen und auch draußen weiter beraten.
Ähnlich ist es im Freizeitbereich.Externe Honorarkräfte bereichern das Angebot in den Anstalten. Sie schaffen von Fall zu Fall nicht nur eine Freizeitbeschäftigung, sondern, das ist viel wichtiger, Verbindungen, die über die Zeit der Haft und die Entlassung hinausreichen. Das gibt unseren Gefangenen Integrationschancen, die wir ihnen gar nicht bieten können.
Schließlich machen wir auch bei beruflicher Bildung gute Erfahrungen mit externen Einrichtungen. Da diese Einrichtungen in der Regel auch als Bildungsträger in anderen gesellschaftlichen Bereichen auftreten, verfügen sie über Transmissionsmöglichkeiten, die wieder unseren Gefangenen zugute kommen, insbesondere in der Zeit nach der Entlassung.
Ich will es noch einmal deutlich sagen, Sie alle haben es gesagt, und ich bin sehr froh, daß wir darin einer Meinung sind: Privatisierung ist notwendig, wo sie Erfolg bringt, und ein Vollzug ist kein üblicher normaler Betrieb.Privatisierung ist nie Selbstzweck, sie ist nur angebracht, wo die gesetzlichen Gegebenheiten sie zulassen und Privateinrichtungen nach sorgfältiger Prüfung bessere oder kostengünstigere Ergebnisse erzielen. Diesen Grundsätzen ist der Senat bisher gefolgt, und das wird er auch weiterhin tun.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte noch zwei Bemerkungen machen. Zunächst, Frau Senatorin, zum Mietkauf. Es ist richtig, daß die Erstreckung der Mietzinszahlung auf die kommende Generation nicht sehr schön ist, obwohl das kein Einzelfall ist. Dafür handelt man sich ein, daß schneller geplant und gebaut wird und die Anstalten sofort nutzbar sind. Im Ergebnis werden wir also dazu kommen, daß von Fall zu Fall sorgfältig geprüft werden muß, allerdings unter starker Beachtung der Privatisierung.
Herr Mahr, es wäre schrecklich, wenn Ihre Ausführungen zu Amerika das böse Zerrbild verbreiteten, daß aus Gründen des „profit making“ Gefangene eingesammelt werden, weil die Organisationen an den Geldmarkt gehen wollen. Das ist natürlich nicht richtig.Ob es eine Verfünffachung der Gefangenenzahlen in den letzten Jahren gegeben hat, kann ich nicht prüfen. Wenn es aber eine Steigerung der Gefangenenzahl gegeben hat, was richtig ist, dann hat das mehrere Gründe.Einer ist sicher, daß man erkannt hat, daß die schleichende Liberalisierung nicht überall gut ist, der zweite ist die Kriminalitätsbekämpfung.
Es gibt weitere Gründe: Ich erwähne nur den Gedanken „zero tolerance“, Drogenbekämpfung, Bekämpfung der Kriminalität in der Schule, die Strafverfahren, die zügig sind, die Strafvollstreckung, die hart ist. Ich will sagen, ich beschimpfe die Amerikaner nie, denn sie machen manches anders als wir, aber ein großes Maß an Selbstbewußtsein und gesellschaftlich kohärenter Moral, daß man so etwas nicht tut und deshalb im Gefängnis hart bestraft werden kann, ist der Unterschied zwischen Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, den ich nicht zu Lasten der USA ins Feld führen will.
Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Große Anfrage 16/4573 besprochen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf, Drucksache 16/4775, Senatsantrag zur Änderung des Gesetzes über die Polizeikommission.
[Senatsantrag: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Polizeikommission – Drucksache 16/4775 –]
Die SPD-Fraktion beantragt, diese Drucksache an den Rechtsausschuß zu überweisen. Von wem wird das Wort begehrt? – Herr Mahr, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, den der rotgrüne Senat der Bürgerschaft zugeleitet hat, tritt die Koalition allen Unkenrufen entgegen, wie wir es kürzlich in der „Welt“ nachlesen konnten, ein Ende der Polizeikommission sei in Sicht. Die Mehrheit im Innenausschuß und der Senat haben demgegenüber deutlich gemacht, daß die Polizeikommission unverzichtbar ist.
Mit der anstehenden Gesetzesänderung soll ein Defizit beseitigt werden, das in der Praxis der Kommissionsarbeit deutlich geworden ist. Entgegen dem ursprünglich zwischen den Koalitionspartnern verabredeten unmittelbaren Akteneinsichtsrecht stellte sich in der Praxis heraus, daß die verabschiedete gesetzliche Regelung hierfür nicht tragfähig schien. Wie aus dem Jahresbericht der Polizeikommission deutlich wurde, führte dies regelmäßig zu bürokratischen Hürden und Verzögerungen bei der Akteneinsicht. Denn die Staatsanwaltschaft verlangte regelmäßig von der Kommission, daß diese ein berechtigtes Interesse darzulegen hätte.Sinn und Anspruch der Kommission wurden dadurch entgegen dem Willen des Gesetzgebers praktisch konterkariert.
Mit Bezugnahme auf Paragraph 480 Strafprozeßordnung kann der Landesgesetzgeber von seinem Recht Gebrauch machen, landesgesetzliche Regelungen zum Akteneinsichtsrecht zu schaffen. Die vorgesehene Gesetzesänderung beschreitet genau diesen Weg und beseitigt damit entstandene Unklarheiten. Sie stellt zudem klar, daß sich dieses Einsichtsrecht auch auf das Recht zur Besichtigung amtlicher Beweismittel bezieht. Nur in besonderen Ausnahmefällen, die regelmäßig eher selten vorkommen dürften, wird es der Staatsanwaltschaft künftig möglich sein, die Akteneinsicht vorübergehend auszusetzen, nämlich dann, wenn durch die Akteneinsicht der Untersuchungszweck gefährdet erscheint oder das Verfahren erheblich verzögert würde. Ein Ermessen der Staatsanwaltschaft, so sagt es auch die Drucksache, gibt es insofern nicht.
Davon unberührt bleiben die Akten und Beweisstücke, die sich bei der Polizei befinden und bereits von der alten Regelung erfaßt wurden und um deren Einsicht beispielsweise die Kommission bei einem unangemeldeten Besuch bitten würde.
Die GAL-Fraktion begrüßt, daß der Senat seinen Gesetzentwurf der Bürgerschaft ohne Verzögerung zugeleitet hat. Der Gesetzestext ist in der Sprache eindeutig und klar.
Mit der Begründung zum Gesetz wird außerdem noch einmal unterstrichen, daß es der Wille des Senats ist, die Arbeit der Kommission nicht ohne zwingenden Grund zu erschweren, und dem sollte die Bürgerschaft folgen.
Es ist damit zu rechnen, daß das Gesetz nach Beratung im Rechtsausschuß zwar nicht, wie es in der Drucksache heißt, zum 1. November 2000, aber nach Verabschiedung durch die Bürgerschaft vielleicht doch noch zum 1. Dezember 2000 in Kraft treten könnte.Damit würde die neue Kommission über eine eindeutige Regelung verfügen.Es würde zumindest in diesem Bereich Klarheit bestehen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch eine Anmerkung machen. Wie kürzlich in der Öffentlichkeit durchgesickert ist, werden die Mitglieder der Polizeikommission nach Ablauf der vorgesehenen zweijährigen Amtszeit für eine weitere Periode, die dann vier Jahre dauern wird, nicht zur Verfügung stehen. Nicht – das sei noch einmal deutlich festzuhalten –, weil sie die Arbeit für überflüssig halten, sondern weil sie diese nicht mehr mit Beruf und Privatleben vereinbaren können. Mit der Frage der Arbeitsbelastung einzelner Kommissionsmitglieder wird sich der Senat aufgrund der kürzlich verabschiedeten Beschlüsse des Innenausschusses noch zu beschäftigen haben.
Den Herren Heine, Sack und Frau Söhring gebührt unser aufrichtiger Dank für die in der Polizeikommission geleistete Aufbauarbeit für eine Einrichtung, die bundesweit ohne Beispiel war und noch ist.
Ihre Amtsnachfolger werden es ihnen zu danken wissen. Das an den Tag gelegte Engagement für eine Arbeit, die sie ehrenamtlich auszufüllen hatten, ist wahrlich nicht selbstverständlich, wenn man sich vor Augen hält, mit welchen Diffamierungen und unqualifizierten Bewertungen sie zu leben hatten.Die Kommission verdient die uneingeschränkte Unterstützung des Parlaments, sie hat einen Anspruch darauf. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Mahr hat schon weitgehend die Funktion der Polizeikommission beschrieben.
Der erste Bericht der Polizeikommission lag uns vor; er wurde in einem Unterausschuß des Innenausschusses ausführlich beraten.
In diesem Bericht wurde von den drei Mitgliedern der Polizeikommission auch angesprochen, daß es bei dem Versuch, Einsicht in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten zu nehmen, zu Verzögerungen kam, während es bei den
polizeilichen Akten keine Probleme gab. Aber sobald ein Strafverfahren eröffnet war und die Akten zur Staatsanwaltschaft abgegeben waren, konnte nicht mehr Einsicht genommen werden.