Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Debatte läuft etwas ritualmäßig ab. Deswegen möchte ich zu einigen Aspekten noch einmal etwas sagen.
Ritualmäßig deswegen, weil sich die SPD lobt, den schwierigen Kompromiß mit einem störrischen Koalitionspartner hinbekommen zu haben. Die GAL findet diesen geschlossenen Kompromiß auf der anderen Seite auch gut, weil sie sich als Hort von Menschlichkeit und Moral gegenüber ausreisepflichtigen ausländischen Mitbürgern fühlt.
Lassen Sie mich noch einige Worte zum Papier sagen. Es ist aus meiner Sicht zunächst blanke Theorie, denn wir müssen abwarten, was damit geschieht.
Es gibt zwar schon einige Praxiserfahrungen, aber ich möchte auf jene eingehen, die wir im Eingabenausschuß damit gemacht haben.Das Eingabenverfahren wird ja auch in dem Papier ausführlich behandelt.
Einige Bemerkungen zur Statistik: 1999 wurden 850 Eingaben eingereicht. Davon waren 52 Prozent Eingaben – also ungefähr die Hälfte –, die sich ausländischen Fragen gewidmet haben.
Gerade im Eingabenausschuß ist immer wieder das Dilemma deutlich geworden, in dem sich die GAL befindet. Auf der einen Seite – das sagte ich schon – hat sie Regierungsmitverantwortung und somit auch das Muß zur Abschiebung mitzutragen, das rechtlich und tatsächlich geboten ist.Auf der anderen Seite möchte sie Abschiebungen verhindern, um zu versuchen, sich gegenüber der Gruppe REGENBOGEN zu behaupten,
Ja, das ist doch Ihre Taktik.Ihr Gebot heißt taktisches Vorgehen. Sie müssen sich das einmal deutlich vor Augen führen.Das merken wir immer wieder, weil die Abstimmung zu Ausländereingaben geschoben wird, um Ausländern einen weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Die Grünen wissen ganz genau, daß trotz eines möglicherweise positiven Votums des Ausschusses und der Bürgerschaft der Senat aus rechtlichen Gründen gezwungen ist, dieses abzulehnen.
Um deswegen nicht in dieses Dilemma zu kommen, heißt es offiziell, daß koalitionsinterner Klärungsbedarf bestünde. Das ist – das muß eindeutig gesagt werden – ein anderes Wort für grüne Verschleppungstaktik. Sie wollen die negative Entscheidung des Senats aushebeln, indem Sie diese schieben.
Herr Vahldieck hat zu diesem Papier das gesagt, was auch ich sagen würde. Es liest sich gut. Doch wie sieht die künftige Praxis tatsächlich aus? Aus meiner Sicht machen die in den wenigen Wochen nach Erscheinen des Papiers gezeigten Erfahrungen deutlich, wie morsch der Kompromiß mit den Grünen ist. Der Kitt, der das Ganze zusammenhalten soll, rieselt schon wieder aus den Fugen.
Frau Goetsch, Sie haben diesen Kompromiß als Quantensprung bezeichnet. Ich selbst bin skeptisch gewesen. Wir haben festgestellt, daß, nachdem die Tinte der beiden Unterschriften kaum trocken war, schon wieder geschoben wurde: Von 13 Eingaben wurden fünf Fälle auf Eis gelegt.
Bei allen Eingaben handelt es sich um rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber, die ausreisepflichtig sind. Davon sollen zwei über Tschechien eingereiste Asylbewerber nach dort wieder abgeschoben werden. Bei drei Eingaben geht es um einen straffälligen Türken und zwei Togoer, denen ein Schulabschluß ermöglicht werden soll. Aber dieser Schulabschluß liegt in weiter Ferne;vielleicht liegt er in zwei oder drei Jahren vor.
Die bekannte Rechtfertigung für dieses Schieben lautet wieder: Koalitionsinterner Klärungsbedarf. Im Ergebnis bedeutet dies einen Stillstand. Das gilt jedoch nicht für den Steuerzahler, der die Kosten zu tragen hat. Die summieren sich Mark für Mark weiter.
(Heiterkeit im ganzen Hause – Uwe Grund SPD: Wir haben Sie längst durchschaut! – Martin Schmidt GAL: Eitel ist er auch noch!)
„Kompromiß ist die Kunst, eine Torte so aufzuteilen, daß jeder glaubt, das größte Stück bekommen zu haben.“
Bei den Grünen habe ich den Eindruck, daß sie versuchen, nach Ladenschluß noch ein paar Kuchenkrumen zu ergattern, weil sie zuvor nichts abbekommen haben.
Angemessen ist die Bewertung der Arbeit im Eingabenausschuß bei unterschiedlichen Situationen der einzelnen Petitionen. Wir befinden uns dort immer zwischen Baum und Borke, zwischen Menschlichkeit und rechtlicher Notwendigkeit; das wissen wir.
Aber wir müssen uns auf der anderen Seite vor Augen führen, daß wir dort nicht alle Probleme dieser Welt lösen können.
Wir müssen uns ebenso vor Augen führen, daß wir nicht über die Grundsatzfrage entscheiden können, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der GAL-Fraktion! Sie sind ja wegen dieses Ränkespiels, das Sie einerseits mit der SPD und andererseits mit Ihrem eigenen Gewächs, der konkurrierenden Gruppe REGENBOGEN, haben, nicht zu beneiden.
Bei begründeten Eingaben schreiten wir ein. Das tun 99 Prozent von uns; die Gruppe REGENBOGEN darf ich dabei außen vor lassen. Dabei haben Sie uns an Ihrer Seite. Wir sind angemessen, zurückhaltend, deutlich, vor allen Dingen menschlich und vielleicht auch hanseatisch.
Aber eine Klientelbefriedigung und ein öffentliches Hinhalten kann es dauerhaft nicht geben; das entspricht auch nicht diesem Kompromiß.
Der Eingabenausschuß – das möchte ich zum Schluß deutlich sagen – ist ein Hilfsausschuß. Es soll geholfen, aber nicht geschoben werden. Danach sollten wir uns richten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um noch einmal völlig klarzustellen, Herr Wrocklage, es geht überhaupt nicht um die Frage, wie die Gruppe REGENBOGEN zum Bleiberecht steht.