Protokoll der Sitzung vom 29.11.2000

Beschluß 4233 D

Beginn: 15.00 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.

Abweichend von den Empfehlungen des Ältestenrats haben die Fraktionen sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 3 und abweichend von der Geschäftsordnung auch den Tagesordnungspunkt 10 zu vertagen. Außerdem wurde vereinbart, daß die Debatten zu den Tagesordnungspunkten 55 und 68 gegeneinander ausgetauscht werden sollen. Die Debatte zu TOP 68 findet nunmehr heute statt und die Debatte zu TOP 55 morgen. Der Tagesordnungspunkt 71 soll abweichend von der Empfehlung des Ältestenrats gemeinsam mit den Tagesordnungspunkten 19 und 51 debattiert werden.

(Unruhe im ganzen Hause – Glocke)

Können Sie die Gespräche bitte einstellen und etwas ruhiger sein? – Danke schön. Das gilt nicht nur für die Abgeordneten, sondern auch für die übrigen hier im Plenarsaal Versammelten.

Wir kommen dann zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind drei Themen angemeldet worden, und zwar von der GAL-Fraktion

Keine CDU-Bundesratsblockade gegen Schwule und Lesben: Hamburg sagt ja zum Lebenspartnerschaftsgesetz

von der SPD-Fraktion

BSE: Verbraucherschutz steht an erster Stelle

sowie von der CDU-Fraktion

BSE – Wie schützen wir die Verbraucher in Hamburg?

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die von der SPD und der CDU angemeldeten Themen gemeinsam aufzurufen.

Das Wort zum ersten angemeldeten Thema hat Herr Müller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, am 23. September 2001 würde die First Lady des neuen Hamburger Bürgermeisters ein Mann sein. Wie immer Sie diese Möglichkeit einschätzen, das Lebenspartnerschaftsgesetz, das am 1. Dezember zur Abstimmung im Bundesrat steht, wird genau dies bereits im nächsten Sommer ermöglichen. Es bleibt nur noch die Frage, ob diese First Lady oder der First Gentleman vergleichbare Rechte und Pflichten haben wird wie seine Vorgänger und Vorgängerinnen.

Ich will ganz kurz etwas über die Ziele des Gesetzes verlieren, damit klar wird, worüber wir hier sprechen. Der Gesetzentwurf ist am 10. November im Bundestag verabschiedet worden.

(Unruhe im ganzen Hause – Glocke)

Herr Müller, warten Sie eine Sekunde.

Meine Damen und Herren! Zunächst einmal muß es etwas leiser werden, und dann bitte ich noch einmal die Technik,

die Anlage so auszusteuern, daß sowohl ich als auch die Redner zu verstehen sind.

Der Gesetzentwurf wird am 1. Dezember im Bundesrat sein, und er wurde am 10. November bereits im Bundestag verabschiedet. Er sieht nahezu gleiche Rechte und Pflichten für schwule und lesbische Lebensgemeinschaften vor und schafft damit endlich gleiche Bürgerrechte für Lesben und Schwule in diesem Land, und das in einer Zeit von 18 Monaten nach der Hamburger Ehe, über die wir hier ausführlich debattiert haben.

Das ist ein großer Erfolg von Rotgrün in Hamburg, und es ist ein großer Erfolg der Bundesregierung in Berlin.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Deutschland findet mit diesem Reformvorhaben endlich Anschluß an die europäische Entwicklung in Staaten wie Dänemark, Schweden, Norwegen.Die sogenannte Gleichheit unter Menschen, die wir immer in anderen Zusammenhängen beschwören, wird jetzt endlich auch im bürgerrechtlichen Sinne Wirklichkeit. Selbst die Schweiz, eher nicht für besonders liberale bürgerrechtliche Ansätze bekannt, hat beschlossen, die registrierte Partnerschaft einzuführen. Es steht uns gut an, daß Deutschland folgt.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund – es geht nicht nur um gleiche Bürgerrechte –, warum SPD und Grüne diese Gesetzesreform unterstützen. Es ist gerade in einer Zeit wie dieser ein ganz wichtiger Grund, nämlich der Abbau von gesellschaftlicher Diskriminierung. Es hat sich in allen Ländern, in Dänemark, in den Niederlanden, gezeigt, daß die Akzeptanzwerte für Schwule und Lesben in der Gesellschaft enorm gestiegen sind. Allein das rechtfertigt dieses gesellschaftspolitische Vorhaben, und es ist trotz vielerlei Fortschritte in diesem Bereich in diesem Land dringend notwendig.Wer weiß, wie schnell wir in Hamburg das Klima für einen schwulen Bürgermeister oder eine lesbische Bürgermeisterin bekommen werden.In anderen Staaten wie den USA hat bei den letzten Senatswahlen eine offen lesbische Kandidatin den Sitz und den Sprung in den Senat geschafft; dies ist möglich, selbst in den USA hat man das hinbekommen.

(Dr. Holger Christier SPD: Da haben die falsch ge- zählt!)

Dort haben schon ganz andere Personen Bürgermeisterämter erreicht.

Ich möchte mit einigen Sätzen noch etwas zu den Gegenargumenten sagen, die von der CDU ins Feld geführt wurden.Das Hauptargument ist, dieses Gesetzesvorhaben sei nicht verfassungsgemäß – das Gegenteil ist der Fall. In der einzigen Entscheidung, die das Bundesverfassungsgericht zu diesem Thema jemals verfaßt hat, 1993, hat es gesagt, Schwule und Lesben haben keinen Anspruch auf die Ehe, aber der Gesetzgeber ist gefordert, ein vergleichbares Rechtsinstitut zu schaffen, und nichts anderes haben wir hier gemacht. Drohen Sie nicht mit Klagen und wenn, dann machen Sie sie lieber.

Das zweite Argument der CDU, Gleiches gleichzustellen, Ungleiches nicht gleichzustellen, ist immer wieder gefallen. Ich sage ganz deutlich: Lesben und Schwule sind anders als Heterosexuelle, darüber gibt es keine Diskussion, aber Mann und Frau sind auch anders. Und käme in diesem Hause jemand auf die Idee, die Gleichstellung von Frau und Mann in Frage zu stellen? Nein, denn sie ist politisch ge

wollt, und das gleiche gilt jetzt auch für die heterosexuellen, die schwulen und lesbischen Lebensgemeinschaften.

Sie merken also, es bleibt nicht viel von der Ablehnungsfront, die da aufgebaut wurde. Ich halte von diesen Argumenten nichts, denn es sind vordergründige Argumente, die die Menschen verwirren sollen. Die wahren Gründe der CDU sind in einem Papier der CDU-Bundestagsfraktion nachzulesen, das im Sommer erschienen ist.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluß kommen.

Ja. – Dort wird nämlich gesagt, daß diese gesetzliche Form eine Werbung auf bisexuelle Männer und Jugendliche ausstrahlen soll. Sie wollen keine Gleichstellung von Homosexuellen und Heterosexuellen in diesem Land. Sie haben Angst davor, Sie sagen es nur nicht laut, aber das ist der wahre Grund. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Andrea Hilgers SPD)

Das Wort hat Herr Kretschmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Farid Müller hat eben gesagt, der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin könnte ja schwul oder lesbisch sein. Das kann sein, aber dann muß er oder sie auch bekennend sein und nicht nur heimlich – wenn schon, denn schon.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Jetzt zu meiner eigentlichen Rede:Warten nicht viele Menschen auf die Frage ihres Lebens „Willst du mich heiraten?“.„Willst du dich mit mir eintragen lassen?“ ist zwar weniger romantisch, aber immerhin dürfen Lesben und Schwule in Hamburg sich wenigstens das fragen.

(Beifall bei Tanja Bestmann SPD)

Demnächst soll dieser Antrag bundesweit für Lesben und Schwule an Bedeutung gewinnen, jedenfalls nach dem Willen von SPD und Grünen, nicht aber nach dem Willen von CDU und der katholischen Kirche. Aber was bitte wäre daran so schlecht, zwei Menschen, die füreinander einstehen, staatliche Anerkennung zuteil werden zu lassen? Das ist in Ordnung, und wir haben dazu seit 1999 ein Gesetz in Hamburg, mit dem alle Beteiligten gute Erfahrungen gemacht haben. Nun aber, wo es bundesweit gelten soll, finden wir die gleichen Vorurteile, werden die gleichen Stammtischparolen und Argumente gegen die gesetzliche Anerkennung vorgebracht, die wir 1999 in Hamburg schon erlebt haben.

Lassen Sie mich nicht quasi gebetsmühlenartig die Argumente wiederholen. Zwar wäre es wohl für einige Teile dieses Hauses angebracht, den Grundkurs „Schwule und Lesben haben auch Rechte“ zu wiederholen, schon damit sie ihren Parteifreunden und Mitblockierern im Bund einmal näherbringen können, was wir in Hamburg erreicht haben. Ich denke da insbesondere an Herrn Bosbach, Herrn Geis und Herrn Gerhardt. Der sollte einmal lernen, wie man die Worte Lesben und Schwule buchstabiert.Wenn Sie die Debatte im Bund verfolgt haben, konnte er noch nicht einmal Homosexuelle sagen, er sagte: diese Menschen. Wie geht

es da den Abgeordneten in seiner Fraktion, die schwul sind, wie müssen die sich fühlen?

Jeder Fraktion im Bund oder in den Landtagen würde es gut anstehen, offen Schwule und Lesben in ihre Reihen aufzunehmen, da würde sich inhaltlich vieles relativieren.Wir haben gesehen, was wir in Hamburg erreicht haben und wie weit wir gekommen sind.

Die Situation ist kurz folgendermaßen beschrieben: Es gibt ein Gesetz im Bundesrat, über das am Freitag abgestimmt werden soll. Im Bundesrat zeichnet sich leider keine Mehrheit für das Gesetz ab. Zur Zeit ist die Lage aber eher ungeordnet. Die CDU-geführten Landesregierungen wollen dem Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen. Das Bundesland Bremen, in dem Konservative mitregieren, wird sich wohl enthalten, und im Land Berlin wird noch nach einem Weg gesucht. Herr Diepgen weiß, daß ungefähr 300 000 Lesben und Schwule in seiner Stadt leben; das ist natürlich auch ein Stimmenpotential für die nächsten Wahlen.

Außerdem zeichnet sich ab, daß die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen den Vermittlungsausschuß anrufen werden. Meine Damen und Herren von der CDU, die Blokkadepolitik der CDU wird vielleicht den Lauf der Dinge etwas verzögern, ein bißchen Sand ins Getriebe streuen. Sie werden alle Lesben und Schwule landauf, landab verprellen, aber aufhalten werden Sie die Fortschritte nicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)