Protokoll der Sitzung vom 29.11.2000

Diese Situation kommt nicht von heute auf morgen; wir haben lange – das hat Herr Zamory gesagt – über das Thema diskutiert. Wir haben alle gemeint, daß in unserem Land

(Peter Zamory GAL)

zum Beispiel die seit 1994 existierende Vorschrift des Fütterungsverbots befolgt wird, kein Tiermehl bei Wiederkäuern einzusetzen.

Der betroffene Landwirt in Schleswig-Holstein beteuert, daß er diese Vorschrift eingehalten hat. Gleichwohl ist zu prüfen, ob das stimmt oder er Futtermittel gefüttert hat, die nicht in Ordnung waren.Von daher stellen sich aus unserer Sicht nicht nur sehr viele Fragen, sondern dieses Problem muß – das hat Herr Zamory ebenfalls gesagt – wissenschaftlich erforscht werden.

Wir wissen alle, daß die derzeitigen Tests nicht hundertprozentig sicher sind und daß das, was wir jetzt organisieren, notwendig ist, um eine gewisse Sicherheit zu schaffen. Aber es gibt für die Verbraucherinnen und Verbraucher keine hundertprozentige Sicherheit. Es bleibt ein Restrisiko; das müssen wir immer wieder deutlich machen.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher können durch bewußtes und informiertes Kaufverhalten dazu beitragen, daß sie zumindest das Risiko einschränken. Dazu gehört, daß wir politisch dafür sorgen, daß die Schnelltests flächendeckend in der Bundesrepublik eingeführt werden. Diese Schnelltests sind aber nur für alle Rinder zuverlässig, die über 30 Monate alt sind. Bei den Rindern, die jünger sind, ist es nicht klar, ob dieser Test tatsächlich eine hundertprozentige Aussage machen kann.

Es ist schwierig, den Verbraucher vor BSE zu schützen. Trotzdem meine ich, daß Rindfleisch aus ökologischer Landwirtschaft mehr Sicherheit bietet als bei Vieh, das mit gekauftem Kraftfutter aufgezogen wurde. Es besteht aber auch dort nur eine relative Sicherheit, solange die tatsächliche Inkubationszeit der Krankheit und die Übertragungswege nicht geklärt sind. Es gibt Erkenntnisse, daß diese vom Schaf über das Rind auf den Menschen erfolgen.Deshalb müssen auch diese Tiere getestet werden.

Der Umstieg auf Geflügel, Schweinefleisch, Fisch oder auch Wild bietet natürlich eine Alternative, die vielleicht bequem ist. Relativ sicher ist man nur bei wild lebenden Tieren. Unsicherheit besteht auch bei Schweinen oder bei Fisch, wenn man nicht weiß, ob sie mit Tiermehl gefüttert worden sind.

Angesichts des von Wissenschaftlern vermuteten Artensprungs – Übertragung von Schafen über Rinder auf Menschen – läßt sich derzeit nicht mit Sicherheit ausschließen, daß auch andere, insbesondere mit Tiermehl gefütterte, Tierarten BSE oder verwandte Krankheitsformen entwickeln und diese auch übertragen können.

Wir müssen angesichts dieses Szenarios fragen, welche Handlungsoptionen wir haben.

Erstens: In Hamburg ist es wichtig, daß wir Sofortmaßnahmen einleiten, um einen erkannten Infektionsweg auszuschalten. Das heißt, die Bundesregierung hat meiner Meinung nach zu Recht beschlossen, daß das Fütterungsverbot von Tiermehl für alle Nutztiere umgesetzt wird und enge Anwendungskontrollen erfolgen.

Zweitens: Der flächendeckende Test – bezogen auf alle Schlachtrinder – soll verhindern, daß das Fleisch von älteren infizierten Rindern in den Handel gelangt.Das HygieneInstitut unserer Stadt wird neben einem bereits tätigen Institut in Kürze in der Lage sein, die Schnelltests durchzuführen. Damit wird in einer überschaubaren Zeit klar sein, ob es sich derzeit um einen bedauerlichen Einzelfall handelt oder ob es eine relevante Anzahl von BSE-befallenen Tieren gibt.

Hinzu kommt – das hat Herr Zamory schon gesagt –, daß wir die Erforschung des Krankheitsbildes vorantreiben müssen. Ich bin froh, daß die Bundesregierung hier einen Forschungsschwerpunkt setzt.Es geht auch darum, die Ursachen dieser Krankheit herauszufinden. In diesem Zusammenhang sollte nicht spekulierend gearbeitet werden, um zielgenaue Gegenmaßnahmen zu organisieren.

Letztlich – das geht an uns alle – ist der Verbraucher derjenige, der durch sein Verhalten mit umsteuern kann; das können wir ihm nicht abnehmen. Denn naturnah erzeugte Lebensmittel sind immer noch besser und verträglicher. Deshalb brauchen wir in der Landwirtschaft und im Bereich der Ernährung insgesamt ein Umsteuern, damit das, was wir heute erleben, in der Zukunft ausgeschlossen wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Jürs.

Die Frage ist: Wie schützen wir die Verbraucher in Hamburg?

Zunächst möchte ich keine Schuldzuweisung machen, und Polemik sollten wir bei diesem grausamen Thema tunlichst lassen.

(Rolf Lange SPD: Wer hat denn damit angefangen? – Dr. Holger Christier SPD: Das war Selbstkritik!)

Dennoch möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß der Hamburger Senat zugestimmt hat – obwohl es nicht notwendig war –, daß ab 1. April 2000 britisches Rindfleisch wieder nach Deutschland eingeführt werden durfte.

Ich habe bereits am 6. November – also vor dem Bundeskanzler – mit der Drucksache 16/5019 den Senat gefragt, wie er die Verbraucher in Hamburg vor BSE schützen will.

Dazu gehört die rückhaltlose Aufklärung, daß der Verzehr von Fleisch Risiken birgt; der sofortige Einsatz des BSESchnelltests für alle geschlachteten Rinder; Hochdruck bei der Entwicklung neuer Test, die am lebenden Tier den Nachweis im Blut erlauben; der sofortige Erlaß, daß kein Rind mehr geschlachtet werden darf, bevor es 30 Monate alt ist, weil erst dann die Chance besteht, BSE-Erreger nachzuweisen;

(Dr. Martin Schmidt GAL: Kein Kalbfleisch mehr!)

das sofortige, absolute Verbot der Tiermehlverfütterung, der lückenlose Nachweis des Herkunftsortes und vor allem die Intensivierung der Forschung, denn – das sagten Sie schon – man kennt die Infektionswege nicht.

Alle Fraktionen sind gefordert, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und zum Wohl der Verbraucher eine optimale Lösung zu finden. Ich könnte noch lange darüber reden, aber es hat hier keinen Sinn.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Alle, die sich in den letzten Jahren um diese Materie gekümmert haben, wissen, daß es beim Fleisch keine Sicherheit gibt und die Ansteckungsgefahr dementsprechend immer vorhanden ist.

(Senatorin Karin Roth)

Jeder Mensch weiß, daß er damit einigermaßen pragmatisch umgehen muß. Ich selbst habe es auch getan und mir überlegt, welche Informationen vorhanden sind und wie ich damit umgehe. Man kann ja nicht nur die reine Lehre essen,

(Dr. Holger Christier SPD: Pragma-Burger!)

das klappt nicht in der Realität.Vor allen Dingen kann man dies nicht mit Kindern machen.

Eine meiner Maximen war – um für meine Kinder und mich zu entscheiden –, wie ich mit den Informationen umgehe. Die Schwierigkeit bestand darin, daß ich in gewisser Weise geglaubt habe, sicher zu sein, wenn ich beim Metzger Fleisch von einem Rind verlangte, das nicht in einem großen Stall mit 5000 anderen Tieren und im nahen Schleswig-Holstein aufgewachsen ist.

Heute haben wir das Problem, daß genau diese Sicherheit völlig falsch und verlogen war, weil sie die Hauptgefahr für die Krise ist, die wir derzeit beobachten.

Ich verlange von der Regierung nicht, daß sie mir Sicherheit gibt,

(Uwe Grund SPD: Wie wahr!)

aber sie soll alle Informationen zur Verfügung stellen, damit ich mir ein Bild darüber machen kann, was ich esse.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ich stelle fest, daß die damalige CDU- und auch die heutige rotgrüne Regierung verhinderten, daß wir alle Informationen erhalten haben. Man hat die BSE-Schnelltests verhindert, obwohl sie seit Jahren in Deutschland möglich sind. Das ist der Skandal.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Sie können sagen, man solle cool bleiben, das wüßten Sie schon immer. Die heutige Krise besteht meiner Meinung völlig zu Recht. Das ist mir bei der Lektüre des heutigen „Hamburger Abendblattes“ aufgefallen. Darin schreibt Herr Siebeck – eine der wichtigsten Personen für den Bereich Küche, seine Tips sind äußerst spannend;

(Heiterkeit bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Martin Schmidt GAL: Ist das Werbung?)

ich koche seine Rezepte sehr gern nach, weil es einfache und gute Gerichte sind –

(Heiterkeit bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

zu dieser Angelegenheit, daß ihm das alles bekannt war.Es sei ihm deutlich geworden – ich zitiere –:

„Die Politiker haben sich in Sachen BSE als eine Bande von Mafiosi decouvriert.“

Einerseits wundern Sie sich darüber, andererseits nehmen Sie aber Ihre Aufgaben, die Sie als Regierung zu erfüllen haben, nicht ernst. Sie ziehen keine Konsequenzen, sondern reden nur von allgemeiner Verantwortung.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß der Landwirtschaftsminister zurücktreten muß, wenn er noch am 15. November bei der EU in Brüssel verhindert hat, daß flächendeckende BSE-Schnelltests in Europa eingeführt werden. Er hat diese damit verhindert, indem er Deutschland als BSE-frei bezeichnet hat. Ein solcher Mensch muß zurücktreten!