Protokoll der Sitzung vom 11.12.2000

Das Wort erhält die Abgeordnete Ernst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Koop, Sie haben zu Beginn eine sehr interessante Untersuchung, die Allensbach-Studie, zitiert, die vom Bundesfrauenministerium in Auftrag gegeben wurde. Sie ist wichtig, weil sie etwas aussagt, was uns als Frauenpolitikerinnen häufig nicht geglaubt wird: Frauenpolitik steht auch bei jungen Frauen ganz oben auf der Tagesordnung. Insofern haben wir uns über diese Untersuchung sehr gefreut.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Frauen wurden auch gefragt, wer aus ihrer Sicht am besten ihre Interessen vertritt. Hier erhalten an erster Stelle die Journalistinnen – die ich gerade nicht sehe – und an zweiter Stelle die Frauenpolitikerinnen gute Noten. Sie bekommen nicht nur bei der Bewältigung von gleichstellungspolitischen Fragen, sondern auch bei der Lösung der Zukunftsfragen insgesamt ein hohes Engagement und Vertrauen zugesprochen.

Interessant ist, daß zu diesem Ergebnis auch befragte Männer kommen; Frauen wird bei der Lösung der anstehenden Fragen eine größere Kompetenz zugewiesen.

Welche Schlußfolgerungen ziehen wir daraus?

(Rolf Kruse CDU: Eine falsche!)

Meine Partei und auch andere hier anwesende Parteien haben in den letzten Jahren einiges dafür getan, um den Frauenanteil in den Parteien und in den Regierungsfunktionen zu erhöhen mit dem Ergebnis, daß wir als Landesregierung einen paritätisch besetzten Senat vorweisen können. Frau Koop, das ist ein Ergebnis von konkreter Politik.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL – Rolf Kruse CDU: Mit falschen Ergebnissen!)

Ich möchte jetzt zu den Hamburger Fakten übergehen und darstellen, was im letzten Jahr passiert ist.

Ich spreche Frau Senatorin Sager ausdrücklich meine Glückwünsche aus, weil in diesem Jahr in Hamburg sehr bemerkenswerte, frauenbezogene Veranstaltungen stattgefunden haben, die weit über Hamburg hinaus Aufmerksamkeit erregten.

(Beifall bei der SPD und bei der GAL)

Die EXPO wurde genutzt, um das nicht einfache Thema „Zeiten der Stadt“ durch künstlerische Installation an der Alster zu transportieren.

Hamburg war neben anderen Städten der Bundesrepublik Gastgeberin der Internationalen Frauenuniversität. Hier haben 173 Wissenschaftlerinnen aus der ganzen Welt 100 Tage zum Thema Informationen gearbeitet.Wir hoffen sehr, daß das Senatsamt für die Gleichstellung an diese Initiativen anknüpfen wird.

Gleiches gilt für die von Ihnen ebenfalls erwähnte „digitelle“, ein Frauenforum zu neuen Medien aus einer Mischung von Messe und Kongreß. Auch sie war in diesem Jahr ein echtes Highlight der Hamburger Frauenpolitik.

Wer gesehen hat, wie begeistert und interessiert vor allem junge Frauen sich über Berufe und Arbeitsfelder in den neuen Medien informiert haben, hat erneut bestätigt bekommen, daß die angebliche Technikferne von Frauen ein weltfremdes Klischee ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir hoffen, daß es auch in diesem Bereich zu einer Fortsetzung der Aktivitäten kommt, und freuen uns, daß wir auch bereits aus dem Senatsamt für die Gleichstellung entsprechende Signale gehört haben. Veranstaltungen und Initiativen, die Frauen über neue Arbeitsfelder in den Medien und der Informationstechnologie informieren, haben für die Zukunft unserer Gesellschaft eine zentrale Bedeutung.

Wir alle haben verfolgt, wie die Bundesregierung durch die sogenannte Green Card auf den Fachkräftemangel in bestimmten IT-Berufen reagiert hat. Diese Regelung halten wir für vernünftig. Trotzdem haben sich die Frauenpolitikerinnen gewundert, daß nicht mit der gleichen Intensität über eine Steigerung vorhandener inländischer Ressourcen von weiblichen Arbeitskräften diskutiert wurde.

Natürlich hat der Mangel an Fachkräften auch mit der in der Bundesrepublik im europäischen Vergleich niedrigen Frauenerwerbsquote und mit dem sehr niedrigen Frauenanteil in den IT-Berufen zu tun. Die Regierungschefs der Europäischen Union haben jedenfalls diesen Zusammenhang bemerkt und auf ihrer Konferenz im März in Lissabon beschlossen, den Anteil der erwerbstätigen Frauen in Europa zu steigern, um zu verhindern, daß die zu niedrige Erwerbsbeteiligung in Europa zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA und Asien führt.

Das ist aus frauenpolitischer Sicht ein historischer Glücksfall, denn wenn sich ökonomische Interessen mit frauenpolitischen Zielen decken, dann haben wir Chancen, die Bastion der männlichen IT-Berufe zu erobern.

Die Bundesregierung hat sich hier ein sehr ehrgeiziges Ziel gesetzt; sie will den Frauenanteil in IT-Berufen bis 2004 auf 40 Prozent steigern. Die Umsetzung dieses hohen Zieles

(Karen Koop CDU)

erfolgt natürlich im wesentlichen in den Bundesländern. Deshalb sind die von mir gelobten Aktivitäten ein wichtiger Beitrag.

Über die Schule hat jede Schülerin und jeder Schüler in Hamburg Zugang zu Computern und ins Internet.Hamburg ist hier im Bundesvergleich führend. Die Ausstattung nützt denen, die von zu Hause aus weniger mitbekommen. Das sind in vielen Fällen die Mädchen, die schlechtere oder gar keine Computer haben, weil ihre Eltern es nicht für notwendig ansehen.

Wir sind im letzten Jahr auch bei der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen weitergekommen. Das Bundesministerium – Frau Koop, Sie haben es angesprochen – hat in diesem Jahr die Grundzüge des Gewaltschutzgesetzes vorgestellt und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Damit soll es leichter werden, Schutzanordnungen zugunsten der Opfer zu erlassen und die Täter aus der Wohnung zu weisen. Dem Ziel: Das Opfer kann bleiben, der Täter muß gehen, kommen wir damit entscheidend näher.

Auch in Hamburg steht das Thema Gewalt im häuslichen Bereich weit oben auf der Prioritätenliste der Politik des Senats. Frau Koop, ich halte es wirklich für eine unverschämte Lüge, wenn Sie hier behaupten, bei den Frauenhäusern sei gespart worden und sie seien von Stellenkürzungen bedroht. Trotz der Konsolidierung der letzten Jahre ist genau das Gegenteil der Fall gewesen; es ist in diesem Bereich nicht gespart worden, und wir haben dies auch nicht vor.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Glocke)

Frau Abgeordnete, die Worte „unverschämte Lüge“ halte ich für überdenkenswert.

Ich werde die Anregung aufnehmen.

In Hamburg arbeitet seit Monaten ein Runder Tisch gegen Gewalt im häuslichen Bereich. Wenn Sie die Fragestunde der letzten Bürgerschaft oder die letzte Diskussion im Gleichstellungsausschuß verfolgt haben, dann wissen Sie, daß gerade die Polizeivorschriften verändert worden sind. Die Ermittlungen sollen beispielsweise durch die Anfertigung von Lichtbildern detaillierter werden, um somit die Verletzungen genauer zu dokumentieren.An Ort und Stelle wird sofort geprüft, ob bei der häuslichen Gewalttat ein Wiederholungsfall vorliegt.

Auch die Staatsanwaltschaft wird Frauen weniger als bisher auf den Privatklageweg verweisen, wie es in der Vergangenheit sehr häufig der Fall gewesen ist.Auch dies sind entscheidende Schritte zur Unterstützung der Opfer und zur Gewährung von rechtstaatlichem Schutz. Der Stellenwert des Opferschutzes schlägt sich auch in den Haushaltsanträgen der rotgrünen Koalition nieder.

Der Notruf für vergewaltigte Frauen hat vor kurzem eine sehr bemerkenswerte Kampagne gestartet. 2001 sollen Männer gefunden werden, die öffentlich mit ihrem Namen ein Zeichen gegen Männergewalt setzen. Frau Koop, ich bin gespannt, wie viele der Abgeordneten sich aus Ihrer Fraktion an dieser Kampagne beteiligen werden. Der Erste Bürgermeister hat jedenfalls ein Zeichen gesetzt; auch der Innensenator unterstützt diese Kampagne.

(Dr. Roland Salchow CDU: Na, dann ist ja alles prima!)

Herr Salchow, Sie wurden auch gebeten, daran teilzunehmen; ich werde sehen, ob Ihr Name auf dem Plakat erscheint und Sie sich bereit finden, Gewalt gegen Frauen gesellschaftlich zu ächten und dafür mit Ihrem Namen einzustehen.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Roland Sal- chow CDU: Kein Problem!)

Ich möchte zum Schluß auf einen weiteren Aspekt hinweisen.

Wir beraten den Haushalt 2001. Die Gleichstellungspolitik des rotgrünen Senats findet sich ja nicht nur in dem – ich bitte um Verzeihung, Frau Senatorin – eher bescheidenen Etat des Senatsamts für die Gleichstellung. Unser Interesse ist es, die in Zahlen – das heißt in Kosten – auszudrückende Gleichstellungspolitik aller einzelnen Behörden sichtbar zu machen. Wir wollen diese Mittelverwendung auch kontrollieren.

Inzwischen haben wir mit den Anlagen 10.1 und 10.2 des Finanzberichtes im Sinne eines Gender-Controllings sehr brauchbare Unterlagen erhalten. Aber es gibt immer noch Behörden, die keine oder nur unzureichende Angaben beitragen. Das werden wir nicht dulden.

Es gibt den klugen Spruch: Man trifft sich immer zweimal im Leben. Haushaltsberatungen sind weitergehender; wir treffen uns immer wieder. Daher empfehlen wir den Schwarzen Schafen unter den Fachbehörden, gleich unsere Beschlüsse umzusetzen; sie werden es sowieso tun müssen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Simon.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Koop, bevor ich auf Ihre einzelnen Bemerkungen eingehe, ein Wort am Anfang. Sie sind die Vorsitzende des Gleichstellungsausschusses. Wir diskutieren in diesem Ausschuß seit mehr als drei Jahren über Frauenförderpolitik und Gleichstellungspolitik in dieser Stadt. Ihre Partei erfüllt noch nicht einmal die Quotierung und gewisse Auflagen, die wir im Gleichstellungsausschuß „rauf und runter“ diskutieren. Aber Sie sprechen im Ausschuß mit einer anderen Stimme. Sie wissen sehr wohl, wie mühsam das Geschäft der Gleichstellungspolitik ist. Sie sagen, Frau Sager hätte sich – und damit das Senatsamt für die Gleichstellung –

(Karen Koop CDU: Ich habe nicht vom Senatsamt gesprochen!)

„nur um die Hamburger Ehe“ gekümmert, und ansonsten gebe sie irgendwelche Studien in Auftrag, die viel Geld kosten, aber nichts bringen. Das ist eine persönliche Enttäuschung, denn ich kenne Sie mit sehr differenzierten Aussagen in Sachen Gleichstellungspolitik, und deshalb verstehe ich Ihre Rede nicht.Aber gut, wir machen Wahlkampf, dann muß es eben so sein.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Bevor ich auf die einzelnen Aspekte eingehe, komme ich zum Thema Gleichstellungspolitik in dieser Stadt. Ich erlaube mir, nach diesen drei Jahren deutlich zu sagen, was wir in diesem Bereich mit Hilfe des Senatsamts für die Gleichstellung geleistet haben. Die Gleichstellungspolitik heute, und zwar im umfassenden Sinne, ist die Mädchen

(Britta Ernst SPD)

und die Frauenpolitik, aber auch die Lesben- und die Schwulenpolitik in dieser Stadt. Diese ist in allen Ressorts und nicht nur im Senatsamt für die Gleichstellung deutlicher verankert und deutlicher sichtbar. Das haben nicht Sie mit Ihrer Partei getan, die schon lange in der Bundesrepublik am Ruder war, sondern das haben wir in Hamburg mit Beginn der Legislatur eingesetzt. Darum ist es eine Anmaßung, Frau Koop, so zu argumentieren.