Protokoll der Sitzung vom 12.12.2000

Der politische Weg, den Sie uns anbieten, ist wahrlich nichts anderes als der Rückgriff auf die Rezeptur des vorigen Jahrhunderts. Jürgen Echternach läßt grüßen. Wenn man versucht, das mediengemäß auf eine Kurzformel zu bringen, dann besteht Ihr Konzept aus folgendem: Mehr Geld plus mehr Stellen, plus eine Anti-Schill-Wadenbeißerfunktion, minus Polizeikommission. Das ist das, was die CDU als ihr Konzept anbietet.

Wenn man sich dann die Forderungen der CDU im einzelnen ansieht,

(Dr. Stefan Schulz CDU: Die sind gar nicht schlecht!)

mit 428 Stellen und Kosten von 36 Millionen, so stellt man fest, daß sie nicht finanzierbar sind.

Zum Thema Fahrzeuge. Es gibt keinen Mangel an Fahrzeugen in der Polizei.

(Rolf Harlinghausen CDU: Die stehen alle auf dem Parkplatz!)

Mit zusätzlichen, größeren Dienststellen in Lurup, Eidelstedt und an den Hohen Bleichen, mit solchen anorganischen Maßnahmen erreichen Sie nichts. Vielleicht aber doch eines, auf das Herr Mahr hingewiesen hat, nämlich

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

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daß jetzt deutlich wird, was wir schon immer gesagt haben, daß Ihre Wahlkampfforderung aus dem Jahre 1997, in jedem Stadtteil eine Polizeistation zu schaffen, wirklich die reine Luftnummer ist. Jetzt hätten Sie Geld, wenn auch unseriös finanziert, aber Sie machen nichts daraus. Sie gehen ab von Ihren eigenen Plänen. Mit anderen Worten: Es sind Luftnummern, die Sie uns hier präsentieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Nun wollen Sie das Thema Sicherheit zum Wahlkampfthema Nummer eins machen. Das kann mir nur recht sein, aber doch bitte nicht so und bitte auch nicht durch Fehlinformationen, durch Fehlinterpretationen, durch Fehlleitungen, durch Stimmungsmache und Angstkampagnen. Ich würde ja Spaß daran haben, wenn wir uns über sachliche Konzepte unterhalten würden, aber das passiert nicht, und was das nächste Jahr angeht, mache ich mir überhaupt keine Illusionen. Deswegen verfolgt die rotgrüne Koalition im Bereich der öffentlichen Sicherheit – völlig unabhängig von Ihrem Verhalten – folgende Maxime:

Wir sind für Ermutigungs- statt Angstkampagnen. Wir sind für gemeinwesenorientierte Polizeiarbeit, Community policing, statt einer Zero-Tolerance-Polizeipolitik, die den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vernachlässigt. Wir sind für ressortübergreifende Konzepte gegen die Ursachen der Kriminalität, gegen bloße Repressionskonzepte. Wir sind – mit anderen Worten – für Innovationspolitik statt einer Politik der alten Zöpfe.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Zahlenbild des Haushalts läßt eine deutliche Schwerpunktsetzung zugunsten der öffentlichen Sicherheit erkennen, insbesondere im Hinblick auf die Sparquoten. Herr Kleist hat darauf hingewiesen, ich will das hier nicht wiederholen. Dabei ist natürlich klar, daß acht Jahre Konsolidierung seit 1994 deutliche Spuren hinterlassen haben. Wer will denn das bestreiten? Natürlich ist auch deutlich, daß wir an den Grenzen der Machbarkeit angekommen sind, und deshalb hat der Senat beschlossen, daß es ab 2002 keine zusätzlichen Stellenstreichungen gibt, das heißt, wir sehen die Probleme und reagieren darauf. In der Zwischenzeit müssen wir mit einer Ausschöpfung von Organisationsreserven zurechtkommen.

Wenige Worte zu einzelnen Politikbereichen.

Erstens: Verfassungsschutz. Wir stehen für einen erfolgreichen Kampf gegen Rechtsextremismus. Nicht erst durch die Ereignisse der Vergangenheit – sprich durch das Verbot der Nationalen Liste im Jahre 1995 –, sondern durch das Verbot des Hamburger Sturms. Wir haben den Antrag auf Verbot der NPD unterstützt. Wir haben dafür gesorgt, daß eine Datei „Gewalttäter rechts“ errichtet wird. Wir etablieren eine Anti-Hate-Site gegen den Rechtsextremismus. Wir sind im Hinblick auf rechtsextremistische Demonstrationen in Hamburg insgesamt modellhaft vorgegangen.

Zweitens: Polizeipolitik. Wir haben in der Tat einen konsequenten Innovations- und Modernisierungskurs eingeschlagen. Das Polizeipräsidium ist nur ein äußeres Zeichen. Dahinter steht eine Reform der Polizei von den Wurzeln her. Ganz deutlich zu machen am Beispiel der Polizeikommissariate. Herr Mahr hat das Richtige zu „POLAS“ und „COMVOR“ gesagt. Wir sind da einsame Spitze. Zu uns kommen jetzt die CDU-Länder, die mit der Situation nicht fertig werden, um sich von uns beraten zu

lassen. Wir bleiben bei unserer gemeinwesenorientierten Polizeiarbeit, zum Beispiel im Bereich der Jugendkriminalität. Dazu haben Sie in der Debatte über den Enquetebericht überhaupt keine Kritik an der Polizeiarbeit geübt. Wir bleiben bei modernen Einsatzkonzepten. Jedenfalls habe ich meinen herzlichen Dank abzustatten bei den Polizeibeamtinnen und -beamten unserer Stadt, die einen schwierigen Dienst in schwierigen Umständen engagiert verrichten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Die Ausländerpolitik ist ein zugegebenermaßen sehr schwieriges Politikfeld. Man muß dort immer die beiden Säulen sehen, die wir verfolgen. Wir haben einmal das Thema Integration, das wir als Innenbehörde besonders deutlich mit der Kampagne für Einbürgerungen machen. Die Zahlen sind genannt worden. Wir haben 8060 Einbürgerungen in den ersten elf Monaten. Das sind plus 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, eine wirklich hervorragende Leistung unserer Ausländerbehörde.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir haben andererseits natürlich auch – ein wirklich sensibler Bereich – den Aufenthalt ausreisepflichtiger Ausländer zu beenden. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, die Sensibilität erfordert. Wir gehen besonnen und konsequent vor, und ich bin sehr dankbar, daß die Koalition im Hinblick auf die Abschiebepraxis zu einem vernünftigen Kompromiß gefunden hat.

Zur Feuerwehr hat Herr Kleist das Richtige gesagt. Wir haben eine sehr angespannte Situation, aber wir halten unseren hohen Leistungsstand aufrecht. Ich habe mich an dieser Stelle bei den Beamten der Berufsfeuerwehr und den Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr sehr herzlich zu bedanken.

(Beifall bei der SPD und bei Wolfhard Ploog und Volker Okun, beide CDU)

Zur Sportpolitik: Hamburg ist die Sportstadt Nummer eins mit weiteren Entwicklungspotentialen. Ich will nur auf ein Beispiel eingehen, nämlich die Deutschlandtour der Radfahrer.

Die Intendanzbereiche laufen reibungslos. Im Bereich der Bundespolitik haben wir wegweisende Initiativen auf den Weg gebracht. Ich meine damit das Waffengesetz, die Altfallregelung und den sensiblen Umgang mit der Rückführung der Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina. Insofern glaube ich, daß wir einen Leistungskatalog vorzutragen haben, mit dem wir in der Innenpolitik in der Vorhand sind.

Wenn ich mir überlege, wie die jüngsten Ereignisse zu bewerten sind, dann verweise ich auf Zeitungsartikel, die von einer nervösen, einer neurotischen, einer hysterischen Republik reden.

(Ulf Lafferenz CDU: Wer ist denn dafür verantwort- lich?)

Wir sind in der Problematik, daß öffentliche Meinung und Politik in Gefahr laufen, nicht mehr die Fakten zugrunde zu legen, sondern Stimmungen. Das dürfen wir nicht machen.

(Beifall bei der SPD und bei Volker Okun CDU)

Ich warne insofern gerade die Opposition davor, sich einer solchen Möglichkeit zu bedienen. Ich warne Sie davor, Erwartungen zu äußern, die Sie nicht erfüllen können. Wir jedenfalls werden mit sachlicher und nüchterner Information

(Senator Hartmuth Wrocklage)

auf das Mögliche und Machbare setzen. Nur so können wir der öffentlichen Hysterie entgegensteuern. Besonnenheit und Konsequenz, Mut- statt Angstkampagnen. Das ist die Linie der von mir vertretenen Innenpolitik. Daran werde ich im kommenden Jahr auch im Wahlkampf festhalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Vahldieck.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Solidarität mit meinen wirtschaftspolitischen Sprechern nach mir erlaubt es mir, nur zwei Minuten etwas zu sagen, so daß ich nicht den ganzen Blödsinn, der hier abgeladen wurde, aufnehmen kann,

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD: Na, na, na!)

aber einige Dinge müssen doch sein. Herr Wrocklage, als Unerleuchteter kann ich es mir, glaube ich, erlauben. Wenn Sie hier als der Erleuchtete auftreten und Hamburg als das sicherheitspolitische Mekka schildern, in das man Pilgerfahrten macht, dann muß ich Sie fragen, Herr Wrocklage, wovon träumen Sie eigentlich nachts? Wovon Sie tagsüber träumen, haben Sie soeben bewiesen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte nur ein Stichwort aufnehmen, das genannt wurde, weil es mir wichtig ist. Das ist das Stichwort Polizeikommission. Frau Sudmann, Sie sprechen von schwarzen Schafen. Für wie dämlich halten Sie mich eigentlich? Offenbar für unendlich dämlich. Das ist doch völlig klar, daß es schwarze Schafe bei der Polizei gibt. Es gibt in jeder Berufsgruppe schwarze Schafe, genauso bei der Polizei, in der Justiz, in der Beamtenschaft, bei den Uhrmachern, bei den Dachdeckern oder wo auch immer. Natürlich auch in der Polizei, auch bei den Parlamentariern. Machen wir uns doch nichts vor. Natürlich bedarf die Polizei einer effizienten Kontrolle. Nur, die gibt es doch. Es gibt ein Parlament, es gibt einen Innenausschuß, es gibt Gerichte, es gibt eine Deputation, es gibt Fachaufsicht, es gibt Dienstaufsicht, es gibt eine Dienststelle Interne Ermittlung.

(Beifall bei der CDU – Heide Sudmann REGEN- BOGEN – für eine neue Linke meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Nein, ich habe nur zwei Minuten Redezeit, und die nutze ich aus. Ich bitte um Verständnis.

Nun bedarf es aus Ihrer Sicht noch einer zusätzlichen Kontrollinstanz neben den sechs, sieben oder acht Instanzen, die ich genannt habe. Was ist denn die Ratio einer solchen Kontrollinstanz? Das kann doch nur heißen, wir, die Bürger, die Politiker treten der Polizei mit einem abgrundtiefen Mißtrauen entgegen, und das ist nicht das Signal, das wir geben dürfen.

(Beifall bei der CDU und Zurufe: Bravo!)

Die Polizei hat es verdient, daß wir hinter ihr stehen, und nicht, daß wir ihr mit Mißtrauen begegnen, und das ist der Eindruck, der bei den Beamtinnen und Beamten ankommt. Die haben den Eindruck, die Politik, insbesondere natürlich die rotgrüne – wir sind da in diesem Falle ausgenommen –, begegnen ihr mit Mißtrauen, und das führt zu Demotivation und schürt damit die Unsicherheit. Deshalb: Weg mit der Polizeikommission.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Zamory.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will jetzt nicht auf das Problem der externen Qualitätskontrolle eingehen, die Sie eben angeschnitten haben, Herr Vahldieck, sondern ich möchte mich auf eine Begrifflichkeit beziehen, die Sie in Ihrer ersten Rede verwandt haben, die so nicht stehenbleiben darf.

Sie haben von Metastasen der offenen Drogenszene gesprochen. Das ist eine Begrifflichkeit, die ich hier zurückweisen möchte, weil sich die offene Drogenszene aus Menschen zusammensetzt,