Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Keine tödlichen, aber Unfälle gibt es noch genug!)

Die letzte große Massenbewegung gab es 1991, als an der Stresemannstraße ein Kind totgefahren wurde. Das führte damals zur Einführung von Tempo 30 auch in der Stresemannstraße. Hamburg hat bei der Bekämpfung der Unfalltoten, der Schwerverletzten dadurch einen Beitrag geleistet, daß es schon sehr früh – nach einigen heftigen Auseinandersetzungen mit Bürgerinitiativen – Tempo 30 in den sogenannten Wohngebieten eingeführt hat. Das war nicht allein die Ursache, aber ein Teil der Ursache dafür, daß die tödlichen Unfälle in den Großstädten deutlich zurückgegangen sind.

Der nächste Punkt des Widerstandes gegen den Autoverkehr betraf die Schadstoffe. Hier haben wir die folgende Entwicklung: Wenn die europäischen Richtlinien so greifen, wie sie es bisher tun, dann wird es so sein, daß im Jahre 2010 bei fast allen giftigen Schadstoffen Grenzwerte unterboten werden, so daß man nicht mehr davon reden kann, daß durch den Autoverkehr die Luft in den Städten vergiftet wird. Das ist ein außerordentlicher Erfolg der Umweltpolitik der letzten 15 Jahre und der kommenden Jahre, denn die EU-Richtlinien greifen ja zum Teil erst in den nächsten Jahren und werden dafür sorgen, daß die Luft in den Städten tatsächlich viel besser wird.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD)

Ein Problem, das man durch keine Richtlinie beheben kann, wird allerdings bleiben: Die klimaschädlichen Schadstoffe werden auf dem Niveau bleiben, auf dem sie sind, weil sie ein direktes Äquivalent zum Energieverbrauch des Autoverkehrs sind. Deswegen kann man an dieser Stelle, wenn man hier etwas tun will, nur sagen: Man muß, wenn man die klimaschädlichen Schadstoffe beseitigen will, in Zukunft entweder deutlich verbrauchsärmere Autos benutzen oder weniger Auto fahren oder am besten beides.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL – Bernd Reinert CDU: Oder andere Technologien!)

Ich sagte ja, verbrauchsärmere Autos, und natürlich kann man das auch technisch anders machen.

Der nächste Punkt, der wirklich noch nicht gelöst ist, ist der Verkehrslärm. In dem neuen Verkehrsentwicklungsplan gibt es dazu ein eigenes Kapitel. In dem ist auch deutlich geworden, daß es die Absicht des Senats ist, gegen den Verkehrslärm in Hamburg etwas zu tun. Der Verkehrslärm hat in den letzten Jahren im wesentlichen nicht abgenommen. Er hat in einigen Hauptstraßen in Hamburg abgenommen, wenn – wie in der Veddeler Brückenstraße – der Verkehr rausgenommen wurde oder – wie in der Stresemannstraße – der Verkehr auf Tempo 30 reduziert worden ist und faktisch eine Spur nur noch für den Bus zur Verfügung steht. Dort hat natürlich der Verkehrslärm für die Anwohner kräftig abgenommen. Dennoch bleibt meiner Meinung nach der Kampf gegen den Verkehrslärm der Hauptaspekt der Verkehrspolitik für innerstädtische Bereiche. Das wird eine schwere Auseinandersetzung, weil man ja nicht einfach sagen kann, wir reduzieren den Autoverkehr, um den Verkehrslärm zu verringern. Das kann man bei einigen wenigen Straßen machen, aber bei den meisten Straßen, wo großer Verkehrslärm ist, kann man das nicht machen. Dennoch bleibt dieses eine Aufgabe der nächsten Jahre, und ich hoffe, daß dieses in den nächsten Jahren energisch von allen Behörden, die dafür zuständig sind, angegangen wird.

Ebenso bleibt es ein Dauerproblem, wieviel Platz eine Stadt hat und wieviel Platz davon sie dem Autoverkehr gibt. Das betrifft sowohl den fließenden wie den ruhenden Verkehr. Ich finde es besonders schlimm, wie stark sich in den letzten 20 Jahren das Parken von Autos auf öffentlichem Grund ausgebreitet hat. Die Schönheit der Stadt hat darunter sehr gelitten, und auch dieses muß man ändern. Hier muß man im Grunde in zwei Richtungen arbeiten. Auf der einen Seite muß man versuchen, dort, wo es besonders schlimm ist, dafür zu sorgen, daß es andere Parkmöglichkeiten für die Leute gibt, die Autos nach wie vor benutzen wollen. Auf der anderen Seite muß man aber auch deutlich sagen, daß es Flächen in dieser Stadt gibt, auf denen parkende Autos schlicht nichts verloren haben.

Ich erinnere an eine Heldentat des früheren Bezirksamtsleiters von Altona, der, als die Straßenbahn aus der Palmaille entfernt wurde, am nächsten Tag dafür gesorgt hat, daß durch Gitter am Rande des Rasens unter den Bäumen in der Palmaille diese Strecke niemals für das Parken von Autos zur Verfügung stand. Im Gegensatz dazu haben wir an vielen wunderschönen Alleen den Zustand, daß mitten unter den Alleebäumen das Parken selbstverständlich ist. Ich finde, eine schöne Stadt muß das anders handhaben.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD)

Soweit zu den Problemen.

Ich habe das deswegen gesagt, um deutlich zu machen, daß es nicht darum geht, Autos zu beseitigen, sondern die negativen Auswirkungen des Autoverkehrs für eine Stadt zu reduzieren. Dann komme ich aber zu dem wirklich äußerst negativen Ergebnis des massenhaften Autoverkehrs. Das ist die Behinderung der Mobilität aller anderen, selbst der Autofahrer. Wer es will, daß man sich in dieser Stadt schnell von einem Fleck zum anderen bewegen kann, der muß dafür sorgen, daß das hauptsächlich ohne Auto möglich ist. Deswegen legt der neue Verkehrsentwicklungsplan großen Wert auf die Zukunft des öffent

(Dr. Martin Schmidt GAL)

lichen Personennahverkehrs und auch auf die des Fahrradverkehrs, damit die Mobilität aller gewährleistet wird und dann natürlich auch noch die Mobilität derjenigen Menschen, die auch in Zukunft Auto fahren wollen.

Man kann es nur damit schaffen, Mobilität in der Stadt aufrechtzuerhalten, indem man den Versuch macht – und mit entsprechenden Maßnahmen auch durchsetzt –, den Autoindividualverkehr zu reduzieren.

Dazu gehört auch – das habe ich seit zehn Jahren in jeder Haushaltsrede immer wieder betont – die Notwendigkeit der Einführung der Straßenbahn in Hamburg. Ich kann nunmehr wirklich sagen: So nahe standen wir der Einführung noch nie; sie steht im Verkehrsentwicklungsplan als erklärtes Ziel des Senats. Im nächsten Jahr wird das Planfeststellungsverfahren für die erste Strecke der neuen Stadtbahn beginnen. Nach dem Ende des Planfeststellungsverfahrens kann mit dem Bau bald begonnen werden. Ich hoffe, wir erleben es alle noch. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält Frau Sudmann.

Es ist fast schon ein wenig tragisch. Wenn ich die Rede richtig verstanden habe, Martin Schmidt, war sie deine Abschiedsrede von der Verkehrspolitik.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Martin Schmidt GAL: Ne, ne!)

Ich weiß nicht, ob du wieder kandidieren willst,

(Dr. Martin Schmidt GAL: Nur keine Sorge!)

aber es klingt so. Ansonsten hätte ich gesagt, daß vor fünf oder sechs Jahren sehr viele Menschen in Hamburg traurig gewesen wären, wenn Martin Schmidt nicht mehr Verkehrspolitik gemacht hätte.

Wenn wir uns einmal deine heutigen Positionen anhören, können wir feststellen: In dieser Stadt wird es kaum Traurigkeit darüber geben, daß ein früher engagierter Verkehrspolitiker jetzt zurücktritt.

Martin, du hast früher ganz anders agiert. Der Rückgang der tödlichen Unfälle – das habe ich von dir gelernt – ist darauf zurückzuführen, daß in den letzten zehn, 20 Jahren die Autos mit wesentlich besseren Sicherheitsvorkehrungen wie zum Beispiel mit Sicherheitsgurten versehen wurden.

(Dietrich Ellger SPD: Das gehört hier doch nicht her!)

Martin

(Walter Zuckerer SPD: Das ist ein Parlament hier und keine Beziehungskiste!)

heißen hier alle Martin? Ich glaube nicht –,

(Beifall und Heiterkeit bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

wir haben gemeinsam dafür gekämpft, daß es in dieser Stadt möglichst flächendeckend Tempo 30 geben soll. Das ist eine richtige Forderung, die auch heute noch gilt.

Ich möchte noch einmal auf das Problem des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes von Autos zurückkommen, von dem Martin Schmidt, die SPD und die CDU sowieso meinen, daß es durch neue Regelungen nicht zu lösen sei.

Ich gebe Ihnen recht, daß man wahrscheinlich keine schnellen Regelungen finden wird, die es verbieten, solche Autos zu produzieren. Aber man leistet dem klimaschädlichen CO2-Ausstoß natürlich Vorschub, wenn man in Hamburg weiterhin neue Straßen baut. Ich möchte Ihnen als Beispiel den Friedrich-Ebert-Damm nennen, dessen Bau völlig überflüssig ist.

(Barbara Duden SPD: Der ist nicht überflüssig! Überhaupt nicht!)

Er ist überflüssig.

Ich möchte gern die Erklärung hören, wie es verkehrspolitisch sinnvoll sein soll, parallel zu der Linie U 1 der U-Bahn in unmittelbarem Abstand eine Straße zu bauen. Das haben Ihnen vor zehn Jahren schon alle Verkehrsexpertinnen und -experten gesagt, und sie sagen es Ihnen heute noch: Wenn Sie parallel zum ÖPNV Straßen bauen, wird der ÖPNV verlieren. Das ist eine unsinnige Geldausgabe, es ist Geldverschwendung.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Dieses Geld könnte man im Sinne des Antrages von Martin Schmidt nutzen, nämlich für den Fahrradfrühling. Leider ist dieser Antrag ein reines Ersuchen: Der Senat möge bitte sagen, wie er denn, wenn er ein wenig umschichtet, vielleicht die eine oder andere Veloroute eher bauen kann. In der besagten Anhörung des Verkehrausschusses wurde immer deutlich gesagt, daß das dauert, es könne nicht so schnell gemacht werden, denn es fehle das Geld.

Das Geld, was man im Straßenbau sparen kann, könnte wunderbar für den Fahrradverkehr genutzt werden. Dann haben wir keinen Fahrradfrühling, sondern ein tolles Fahrradjahr und viele folgende tolle Fahrradjahre.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Kommen wir zu einem Antrag, den wir für sehr wichtig halten, weil er in der frühesten Kindheit ansetzt.

Viele werden sicherlich gemerkt haben, daß viele Kinder lernen, sich nur in der Form fortzubewegen, indem sie von ihren Eltern mit dem Auto durch die Gegend kutschiert werden. Die Windschutzscheibenperspektive ist die Perspektive, die ihnen vertraut ist. Dies geschieht teilweise mit der wirklich unsinnigen Begründung, es sei besonders vor den Schulen gefährlich, wenn die Kinder dort mit dem Bus, der Bahn oder mit dem Fahrrad fahren. Dabei wissen wir alle, daß es deshalb gefährlich ist, weil die meisten Eltern morgens in Hetze die Kinder mit Tempo 60 zur Schule kutschieren.

Deswegen wollen wir, daß Eltern, die eine HVV-Monatskarte besitzen, ihre Kinder unter zwölf Jahren kostenlos ohne Zeiteinschränkung mitnehmen können. Es ist zwar heute schon so, daß sie diese Möglichkeit bei bestimmten Fahrkarten haben, aber in der Zeit von 6 Uhr bis 9 Uhr – dann müssen fast alle Kinder in der Schule sein – und von 16 Uhr bis 18 Uhr, in der sie die Kinder wieder von ihren vielfältigen Freizeitaktivitäten abholen, geht das nicht.

(Erhard Pumm SPD: Das ist wie bei den Senioren- karten!)

Deswegen wollen wir erreichen, daß der HVV familienfreundlicher wird und die sogenannte Familycard endlich eingeführt wird.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Zu einem Punkt haben Sie – weder Rot noch Grün – nichts gesagt. Das mag daran liegen, daß dieses Thema für Sie

(Dr. Martin Schmidt GAL)