Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Ich kenne mittlerweile auch innerhalb der SPD niemanden mehr, der eine große Koalition will oder der dem nachtrauert, daß es vor drei Jahren nicht zu einer großen Koalition gekommen ist. Das ist das wahre Dilemma der CDU. Herr von Beust, Sie gähnen jetzt schon, aber das wird für Sie noch viel schlimmer. Wissen Sie, was ich mir nicht vorstellen kann? Ich kann mir nicht vorstellen, Sie an der Seite eines Konteradmirals. Ich kann mir auch nicht vorstellen, Sie an der Seite von Richter Profilneurose oder wie hieß der noch gleich? Das sind wirklich trübe Aussichten. Ehrlich gesagt, am Ende dieser Haushaltsberatungen tut mir die CDU wirklich auch ein bißchen leid.

(Anhaltender Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Koppke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wenn Sie das jetzt wahrscheinlich nervt, habe ich Lust, noch einmal sachgemäß zu reden,

(Dr. Rolf Lange SPD: Na, na, na! – Uwe Grund SPD: Sachgemäß ist nicht gerade das, was REGEN- BOGEN auszeichnet!)

und würde mich freuen, wenn Sie ruhiger sein würden, weil ich keine Lust habe, so zu schreien wie Herr de Lorent, damit mich überhaupt jemand versteht.

Es wird einfach sehr viel Unsinn erzählt in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik. Ich möchte Ihnen zu Beginn drei Beispiele nennen.

Erstens: Nominelle Steigerungen des Haushalts gegen den Trend. Vollkommen falsch, denn ohne zusätzliche Bundesmittel bleibt eine Absenkung der Mittel übrig, und das wird verschwiegen.

Zweitens: Tolle bunte Bund/Länder-Förderprogramme, auf die Hamburg im Informatikbereich sogar noch draufsattelt. Es war der Zwischenruf, den Frau Möller vorgestern nicht verstanden hatte, daß dies nicht einmal ausreicht, um die Verluste der Hochschulen durch das Auslaufen des Hochschulsonderprogramms III aufzufangen. Frau Sager denkt, das wird schon keinem auffallen.

Drittens: Geballter Stolz auf die Hamburger Sonderfonds. Aber der Bibliotheksfonds gibt weniger, als den Bibliotheken durch das Sparprogramm genommen wird, und der Berufungsfonds kann natürlich angesichts der Zweitstellenregelung komplett unter Augenwischerei abgetan werden. Aber was soll es, denkt die Behörde, das Marketing der Hamburger Wissenschaftsbehörde stimmt, und das ist auch alles.

Was aber statt dessen wirklich durch die Politik von Frau Sager gefährdet ist, ist die Substanz der Hochschulen. Die Fünf-Punkte-Erklärung der Dekane der Universität hat Anfang des Jahres mehr als deutlich gemacht, daß die Zweitstellenregelung nicht länger zu verkraften ist. Zwei ganze Studiengänge sind bereits gestrichen worden an der Universität. Drei weitere sind derzeit akut gefährdet.

Innovative Schwerpunkte in Forschung und Lehre müssen aufgegeben werden, wie die Streichung der Nah-Ost-Pro

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL)

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fessur in der Geschichtswissenschaft gezeigt hat, die hochschulpolitisch durch überhaupt gar nichts zu rechtfertigen ist. Die Staatsbibliothek kann ihren Aufgaben inzwischen nicht mehr nachkommen. Ein Viertel aller Zeitschriften wurde abbestellt, Bücher können erst mit sechsbis zwölfmonatiger Verspätung angeschafft werden, aber es dürfte wohl allen klar sein, daß gerade aktuelle Literatur die Voraussetzung ist für jegliche zeitgemäße Forschung und Lehre.

(Dr. Roland Salchow CDU: Richtig!)

Auch die Sozialstudie des Studentenwerks ist offensichtlich spurlos an Ihnen vorübergegangen. Eine Anhörung im Wissenschaftsausschuß, auf Bundesebene ein weiteres gebrochenes Wahlversprechen beim BAföG, und das war es.

Statt sinnvoll terminierter Beratung bieten Sie nach wie vor die Zwangsberatung, und vor allem die SPD jubelt um so lauter, je größer der Druck auf die Studierenden ist. Ob Abbruch oder Abschluß, das ist Ihnen egal, Hauptsache, die Zahl der Studierenden sinkt. Das kann wirklich nicht sein.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Petra Brinkmann SPD: So ein Schwachsinn!)

Eine inhaltliche Studienreform wird immer mehr zum Luxus. Interdisziplinarität und gute Betreuung gibt es in Hamburg nur noch an privaten Hochschulen oder an Aufbaustudiengängen oder Sonderprogrammen an den staatlichen Hochschulen, und zwar gegen Geld, und die Wissenschaftsbehörde applaudiert dazu. Von den Herausforderungen der Zukunft, dem nötigen Ausbau der Hochschulen, der Sicherstellung des gleichberechtigten Zugangs aller zur Weiterbildung und der gesellschaftlichen Dimension von Forschung und Lehre, und zwar explizit auch einmal gegen und abseits von Standort und Markt, mag man schon gar nicht mehr reden, weil es unter dieser grünen Senatorin so hoffnungslos geworden ist. Wer das gebührenfreie Erststudium als Erfolg verkauft, wie die SPD, hat Chancengleichheit leider schon lange begraben.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Meine Damen und Herren! Unsere Anträge beschränken sich auf das Nötigste.

Erstens: Hamburgs Hochschulen brauchen ein Signal, daß Interdisziplinarität auch endlich finanziell gefördert wird.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Zweitens: Der Verfall der Stabi muß dringend gestoppt werden. Nur mit wenigstens einer voll funktionsfähigen Bibliothek hat Wissenschaft auf hohem Niveau in Hamburg eine Zukunft.

Drittens: Die Sparpolitik der Hochschulen muß insgesamt dringend gestoppt werden, und dies ist überhaupt die Voraussetzung, um sich in Ruhe der Konzeption eines umfassenden Ausbaus der staatlichen Hochschulen widmen zu können.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Viertens und letztens gilt es, besonders bei der Förderung der Studierenden in Hamburg Zeichen zu setzen. Das heißt zum einen, die Reduzierung der Förderungen der Studierenden aus sogenannten Entwicklungsländern zurückzunehmen, und das auch gerade im Sinne der am Montag von Herrn Runde postulierten Internationalisierung. Das heißt zum zweiten, daß sich alle Experten darin einig sind, daß Orientierungseinheiten im Hauptstudium die Betreu

ungs- und Beratungssituation für Studierende massiv verbessern würden. Das muß umgesetzt werden. Das ist noch nicht einmal teuer, man muß es nur wollen. Zum dritten sollte es zumindest Examenskandidatinnen und -kandidaten ermöglicht werden, sich voll auf das Studium zu konzentrieren. Die Studienabschlußförderung nach dem BAföG erreicht natürlich nur einen ganz kleinen Teil der Studierenden, und das geplante Bankdarlehen des Bundes für Studierende in besonderen Lebenslagen wird mit 660 DM im Monat natürlich auch zu niedrig ausfallen, ist voll verzinslich, und es gibt darauf auch keinen Rechtsanspruch. Insofern sollte Hamburg hier zukunftsweisend werden. Wir haben diesbezüglich einen Konzeptantrag gestellt, nach dem jeder und jede Studierende die Möglichkeit bekommen soll, zumindest für ein Jahr während des Examens nicht arbeiten zu müssen. 1400 DM sind dafür ausreichend. Abschluß statt Abbruch, so lautet zumindest unser Motto für die Hochschulpolitik 2001.

(Glocke)

Frau Koppke, Sie haben keine Redezeit mehr.

Ja, gut.

(Beifall bei Ole von Beust und Dr. Ulrich Karpen, beide CDU – Ole von Beust CDU: Wir danken Ih- nen!)

Ich komme zum letzten Satz, und der lautet, daß ich es besonders traurig finde, daß GAL und SPD gar nichts Eigenes zu bieten haben und daß der SPD als einziges einfällt, den Antrag zum schlecht laufenden Tutor/innenprogramm in abgespeckter Form zu übernehmen, obwohl dieser Antrag von uns bereits im Wissenschaftsausschuß auf seine Beratung wartet.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort erhält die Zweite Bürgermeisterin, Frau Senatorin Sager.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist merkwürdig, daß Herr Salchow mit verschiedenen sehr dubiosen und abwegigen Äußerungen über die Wissenschaftspolitik an die Medien geht, sich aber hier als Auseinandersetzungspartner entzogen hat.

Sie kommen nicht daran vorbei, zur Kenntnis zu nehmen, daß der Wissenschaftsbereich trotz der schwierigen Haushaltssituation in Hamburg in den letzten Jahren deutlich Priorität bekommen hat. Es ist Tatsache, daß der Anteil des Wissenschaftsetats am Gesamthaushalt seit Anfang der Legislaturperiode von 6,5 Prozent auf 7,7 Prozent gestiegen ist und im Jahre 2001 um 1,6 Prozent steigt.

Sie versuchen, das jetzt herunterzureden, indem Sie sagen, das sei hauptsächlich auf die Investitionen zurückzuführen. Ich bin ausgesprochen stolz darauf, daß wir es geschafft haben, die Investitionen für den Wissenschaftsbereich seit Anfang der Legislaturperiode um 15,6 Prozent zu steigern. Im Jahre 2001 werden für den Hochschulbau und für Großgeräte 228 Millionen DM zur Verfügung stehen. Hinzu kommen weitere 34 Millionen DM aus Grundstücksverkäufen. Damit können wir für die Hochschulen eine ganze Menge machen. Ich frage mich, warum Sie versuchen, das herunterreden. Ihr Argument, das Sie in der Öf

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

fentlichkeit bemüht haben, kann ich nur als dösig bezeichnen. Sie haben gesagt, ein Teil davon sind Bundesmittel. Sie wissen aber, daß diese Bundesmittel nicht vom Himmel fallen.

(Dr. Roland Salchow CDU: Das ist aber ein gutes Argument!)

Es ist ausgesprochen positiv, daß die rotgrüne Bundesregierung die Fehler der Kohl-Regierung beseitigt und die Mittel für den Hochschulbau um 400 Millionen DM gesteigert hat.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Nur, Herr Salchow, von diesem schönen Geld kommt keine müde Mark nach Hamburg, wenn wir unsere Anstrengungen nicht auch erhöhen. Nur wenn Hamburg seinen Mitteleinsatz steigert, bekommen wir zusätzliches Bundesgeld.

(Dr. Roland Salchow CDU: Das wissen wir doch alles!)

Wenn Sie jetzt aber beklagen, daß ein Teil davon Bundesgeld ist, muß man befürchten, daß Sie auf das Bundesgeld verzichten würden, um Ihre Priorität dadurch unter Beweis zu stellen, indem Sie nur Hamburger Geld ausgeben.

(Dr. Roland Salchow CDU: Das ist doch dumm!)

Das wäre die größte Schusseligkeit, die man sich überhaupt vorstellen kann.