Jedes Land verteidigt sich, es sei doch ungerecht, daß sich von den eigenen Geldern andere Länder schöne Dinge kaufen. Wer im Moment mit Parteifreunden in Baden-Württemberg spricht, dem kann nur schlecht werden, auf welche populistische Weise dort dieses Thema breitgeschlagen wird, und das Geberland Baden-Württemberg hat leider im Unterschied zum Geberland Hamburg einen ganz miesen Beitrag geleistet.
Ich möchte in Erinnerung rufen, daß Föderalismus nicht dazu da ist, gleich starke und gleich leistungsfähige Einheiten zu erzeugen, sondern Föderalismus ist die Kunst, das Zusammenleben von Großen und Kleinen zu ermöglichen. Das muß man anscheinend in Deutschland noch ein bißchen in die Medien und Köpfe hineinbringen. Im Ausland würde man über unsere bürokratische Föderalismus-Neuverteilungsdiskussion nur lachen, und ich hoffe, daß wir diese Debatte von dieser Richtung weglenken können.
Die sogenannten Reformer im Föderalismus oder die, die sich Reformer nennen, betreiben alles andere als Reformpolitik, und damit komme ich zu meinem zweiten Argument. Wenn Stadtstaaten in ihrer Existenz gefährdet werden, dann muß man sich fragen, welche Zukunft Metropolen in Deutschland haben sollen, und das muß man sich fragen vor dem Hintergrund, welche Funktionen Metropo
len haben. Ich sage ganz deutlich, die Städte sind Motoren für wirtschaftliche Entwicklung, aber auch Motoren für Innovation. Das wurde im Rahmen der EXPO auf dem Kongreß Urban 21 in Berlin international diskutiert. Aber auch das scheint in der Föderalismus-Debatte in Deutschland nicht angekommen zu sein. Gerade beim Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft haben die Städte nicht nur Investitionspotentiale, sondern sie haben Innovations- und Investitionspflichten. Und das gilt nicht nur für München, sondern auch für Hamburg. Wir müssen in den Vordergrund stellen, daß nicht nur München gut gestellt sein soll, was es tatsächlich ist. Es wird von der Steuerkraft her genauso gut gestellt wie Hamburg mit seiner Einwohnerwertung von 135 Prozent, und das müssen wir deutlich herausstellen. Hamburg möchte nicht nur für die Hamburger eine zukunftsfähige Metropole sein, sondern auch für die Nachbarländer und für das ganze Bundesgebiet.
Ich möchte den Bürgermeister darin unterstützen, wenn er am Wochenende mit den Kollegen Ministerpräsidenten spricht, den Angriff auf die Einwohnerwertung nicht zu akzeptieren. Hierzu finde ich seine Bündnispolitik auch sinnvoll. Ich möchte aber auch zu bedenken geben, daß die Zukunft, wenn man über mehrere Jahre rechnet, nicht nur beim Thema Einwohnerwertung liegen wird, sondern daß wir bei der Diskussion um den Länderfinanzausgleich auch die Zukunft der EU und die zukünftige Entwicklung der unterschiedlichen Steuereinnahmen berücksichtigen müssen. Vielleicht werde ich mich noch einmal melden. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist in der Tat sehr schwer, dieses schwierige Thema in fünf Minuten abzuhandeln. Ich will versuchen, mit der Zeit auszukommen, und zunächst einmal feststellen, daß, wenn wir heute über die Stadtstaaten im Föderalismus reden, wir allen Grund haben, darüber zu reden, daß es einen Angriff auf die Stadtstaaten im Föderalismus gibt. Anders kann man die augenblickliche Situation wohl kaum bezeichnen, die durch die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht durch die sogenannten Südländer in Gang gesetzt worden ist.
Die gleichberechtigte Existenz von Stadtstaaten im föderalen Staat ist verbal eigentlich nie in Frage gestellt worden. Aber durch die Versuche der Entziehung der materiellen Grundlage wird die Existenzmöglichkeit der Stadtstaaten natürlich massiv in Frage gestellt. Dabei ist allgemein anerkannt, daß die Leistungen – jetzt rede ich einmal über Hamburg – nicht etwa nur der Region, sondern der gesamten Bundesrepublik, wie es auch von Frau Hajduk dargestellt wurde, zugute kommen.
Wir hatten zwischenzeitlich – ich habe es wenigstens so verstanden – die Möglichkeit eines gewissen kleinen Aufatmens im augenblicklichen Prozeß, weil man den Ein
druck bekommen konnte, daß die Finanzminister beziehungsweise die Ministerpräsidenten sich auf einen Konsens hin bewegten, der immerhin durch Zugeständnisse, Zusagen und Beschlüsse unterfüttert war. Man hatte also ein bißchen den Eindruck eines Aufeinanderzugehens. Dieser Eindruck ist leider durch die neuesten Aktionen der Klageländer und speziell durch das Ifo-Gutachten vollkommen beseitigt worden. Man kann es nur als erneute Aufkündigung des föderativen Grundkonsenses und Bestätigung des alten Konfrontationskurses bewerten, was sich da im Moment abspielt.
Für Hamburg ist natürlich der erneute Angriff auf die Einwohnerwertung das zentrale Problem. So ist es zum Beispiel erstaunlich, daß das Ifo in seinem Gutachten vom Großstädtevergleich abrückt, einem Vergleich, den es sozusagen selbst erfunden hat, nun aber wahrscheinlich aus praktischen Gründen, weil das Ergebnis unerwünscht wurde, nicht mehr benutzen will.
Der Angriff auf die Einwohnerwertung, die vordergründig das einzige Problem ist, für uns allerdings das zentrale, kaschiert eigentlich nur, daß alle Nehmerländer, insbesondere die neuen Länder, angegriffen werden. Ich finde es eine beschämende Aufkündigung der Solidarität. In anderem Zusammenhang, als Frau Hajduk dies getan hat, könnte man hier auch über Gesichtspunkte der Gerechtigkeit reden.
Der wissenschaftliche Unterbau dieser Angriffe, an dem von einigen Ökonomen und Finanzwissenschaftlern lustvoll mitgearbeitet wird, hat im Grunde die Funktion von Nebelkerzen, um Unsolidarität und Eigeninteressen nicht zu deutlich werden zu lassen,
denn wenn man auf die Wissenschaftlichkeit von Politik baut, dann stellen wir alle fest – jeder Politiker weiß es –, daß die Gestaltung von Politik vielerlei Quellen hat, aber Gott sei Dank nicht ausschließlich an rein wissenschaftlichen Kriterien orientiert ist.
Im Zusammenhang mit dieser Debatte wird natürlich auch das Argument der Transparenz und Vereinfachung immer wieder herangezogen, und ich will nicht bestreiten, daß es hier Möglichkeiten gibt. Aber die Umsetzung eines solchen Anliegens wird durch den Zeitdruck, der durch das Verfassungsgerichtsurteil von 1999 auf uns alle zugekommen ist, nahezu unmöglich. So muß man sich eben auf die Kernpunkte konzentrieren, und die sind für uns die Einwohnerwertung.
Ich habe es gesehen. – Für die bevorstehende Ministerpräsidentenkonferenz wünschen wir dem Bürgermeister alles Gute, sehr viel Erfolg, und wir wünschen ihm vor allem, daß er mit der ihm eigenen Beharrlichkeit unsere Einwohnerwertung verteidigt und die Situation Hamburgs zumindest so erhält, wie sie im Moment ist.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Falle sage ich einmal gegen meine eigentliche Auffassung von Föderalismus: Der Föderalismus lebt. Das merken Sie an ganz einfachen Dingen. Er lebt natürlich nicht von den Parlamenten,
er lebt von den Fürsten, von den Regierungen. Er ist ein Regierungsföderalismus, und das bedauere ich. Daß sie Fürsten sind, sehen Sie an Nordrhein-Westfalen. Dort verspricht Ministerpräsident Clement einerseits, die Hamburger Position stimme, und dann trifft er die Südfreunde, die angeblich der CDU zugerechnet werden, und dann sagt er, in Wahrheit sei er ja ein Südfreund. Da ist etwas schief, aber so ist der Föderalismus, und deswegen lebt er. In diesem Fall kritisiere ich das ausdrücklich, weil es auf SPD-Seite nicht ganz richtig ist.
Er lebt aber auch aus anderem Grunde. Mich beunruhigt das gar nicht so sehr, denn die vier Länder, die sich gegen Hamburg verbünden, haben zwar 57 Prozent der Einwohner Deutschlands, aber nur 31 Prozent der Stimmen im Bundesrat.
So lebt der Föderalismus, also gibt es ihn auf Regierungsebene. Seien wir also nicht so mißmutig. Wir haben erfreulicherweise einstimmig gesagt, Wissenschaft und Abgeordnete sollen das erst einmal für uns in der Bürgerschaft untersuchen, und dann schauen wir weiter.
Hamburg hat eine ganz besondere Position. Die Stadtstaatlichkeit ist natürlich in Frage gestellt, wenn wir keine Kasse mehr haben. Wir haben aber noch ein weiteres Problem. Nicht nur, daß es nur drei Stadtstaaten gibt, sondern daß nur ein Stadtstaat in den Finanzausgleich einzahlt. Alle anderen sind dramatische Kostgänger, und das macht Dritte noch neugieriger. Der Finanzausgleich wäre bei genauer Betrachtung tot, wenn es die 135er Bewertung nicht gäbe, denn dann könnte Berlin überhaupt nicht bezahlt werden. Deswegen hat es – das war ein echter Anschlag auf den Föderalismus – den Versuch gegeben, Berlin als Hauptstadt herauszukaufen. Es ist mit das Schlimmste, wenn die Maßstäbe im Föderalismus nicht mehr gleich sind.
Zu der 135er Bewertung haben die Vorrednerinnen das Nötige gesagt. Daß wir so viele Gutachten haben, ist ganz einfach erklärt. Bei uns gilt ja, was das Bundesverfassungsgericht sagt. Es hat gesagt, für einen Länderfinanzausgleich brauchen wir ein Maßstäbegesetz. Nun weiß jeder, der mit Politik zu tun hat, daß zwei Dinge dringend nötig sind. Um Maßstäbe zu erhalten, müssen Gutachten bestellt werden. Dann muß alles mit den Maßstäben durchgerechnet werden, damit am Ende bloß keine Veränderung herauskommt. Das ist die Lage, und ich bin als Hamburger gar nicht so schlechter Laune. Wenn ich mir NordrheinWestfalen ansehe, frage ich mich natürlich, warum die das ändern. Die zahlen pro Kopf relativ wenig ein
(Erster Bürgermeister Ortwin Runde: Richtig! – Se- natorin Dr. Ingrid Nümann-Seidewinkel: Das ist wahr!)
und sind vom Tarif mit 101, 102 noch begünstigt. Aber die Nordrhein-Westfalen haben seit vielen Jahren etwas, das für alle anderen Länder eine Bundesergänzungszuweisung wäre, nämlich die hochgradige Subventionierung von Kohle, und deswegen sagen sie wahrscheinlich den Südländern, wenn ihr uns da nicht anmeckert, gilt die Kohle
nicht als Ergänzungszuweisung, sondern ist außen vor. So sind die Ministerpräsidenten, meine Damen und Herren, und wir sitzen stumm daneben, weil wir darüber nicht abstimmen dürfen.
Also: Der Föderalismus ist vielfältig, spannend, aber unparlamentarisch, und daran sollten wir arbeiten, weil Föderalismus auch etwas mit Parlament zu tun hat.
(Dr. Holger Christier SPD: Jetzt hat die GAL wieder schuld! – Dr. Martin Schmidt GAL: Die GAL hat die Schuld!)
Es ist schon ein richtiges und wichtiges Thema, da es existentielle Probleme in dieser Stadt betrifft.
Da sitzen ein paar Klugschnacker in den ersten Reihen. Kaum sagt man einen halben Satz, schon reden sie und schnattern wie die Gänse, aber so ist das eben.
Es ist eine wichtige Aufgabe, es geht darum, daß Hamburg überhaupt nicht mehr existieren kann, wenn sich in diesem Punkt die Geberländer, die sich im wesentlichen dort zusammengeschlossen haben, durchsetzen sollten. Von daher ist es natürlich für Hamburg eine existentielle Auseinandersetzung.