Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Letztendlich ist es auch soziologisch ein Problem, denn die Abwanderer bestehen überwiegend aus jüngeren Familien mit mittlerem und höherem Einkommen, und das ist die Basis, die eine Stadt braucht, um andere Gruppen aufzufangen.

Als Hauptgrund der Abwanderung wird neben persönlichen und individuellen Gründen angegeben – auch das wurde in der Studie eindrucksvoll bestätigt –, daß der Wunsch vieler Bürger, in Hamburg Eigentum zu bilden, schlicht nicht erfüllbar ist und sie deshalb aus Hamburg abwandern, obwohl – das sagen viele – sie sehr gerne in Hamburg, ihrer Heimatstadt, geblieben wären. Wir brauchen also Eigentumsmaßnahmen, denn an denen fehlt es. Darunter verstehen wir nicht nur ein riesiges Einfamilienhaus, sondern alle Formen kompakterer Bauweise wie Reihenhäuser, Doppelhäuser und Eigentumswohnungen. An all dem fehlt es, und warum ist das so? Nun kann man auf den ersten Blick sagen, Hamburg hat nicht so viele freie Flächen wie Friesland, die Stadt ist begrenzt, und da kann nicht überall ein Einfamilienhaus auf 2000 Quadratmetern stehen; so argumentiert der Senat immer.

(Barbara Duden SPD: So ist das auch!)

Das ist auf der einen Seite richtig, aber politisch grundfalsch, denn wir müssen uns angucken, welche Politik in den letzten 30 Jahren von der SPD gemacht wurde. Da wurde eine Politik gemacht, die ganz bewußt Eigentum verhindert hat, denn selbstverständlich gab und gibt es auch Flächen in der Stadt, die sich hervorragend geeignet hätten. Und was hat die SPD gemacht? Bis in die sechziger Jahre gab es noch relativ viele B-Pläne für Reihenhäuser. Danach war im Grunde überwiegend der Stil „big is beautiful“ angesagt, das haben andere Städte auch gemacht, aber nicht so stark. Die SPD hat 1974 deshalb einen Wahlkampf verloren, Allermöhe wollten die Leute nicht, nachdem schon drei Siedlungen in der Wüste standen – also Sozialwohnungen im Geschoßwohnungsbau –, und wenn Eigentum realisiert wurde, dann nach Möglichkeit so kompakt, daß dann die Bebauung zu massiv und ökologisch nicht zu verantworten war. Sie lachen, aber erinnern Sie sich doch an Ihre SPD-Parteitage. In den siebziger Jahren hieß es, Eigentum sei schädlich, in Hamburg gab es nur Grundstücke auf Erbpacht.

(Werner Dobritz SPD: Deshalb wollen wir doch in Klein Borstel bauen, aber das wollt ihr ja nicht!)

Dazu komme ich gleich. Herr Dobritz, Sie haben doch zehn Jahre lang gesagt, kein Eigentum, nur Erbpacht, und dann haben viele gesagt, es ist sinnvoller, aus Hamburg wegzugehen.

(Werner Dobritz SPD: Ihr seid alles Opportunisten!)

Wir haben gute Ideen, die ich Ihnen jetzt darlegen darf. Was ist denn das Ergebnis der Politik der Sozialdemokraten? Jetzt stehen überwiegend Sozialwohnungen leer, während die Einwohner die Stadt verlassen.

(Barbara Duden SPD: Wo denn?)

In Harburg, wo Sie sagen, wir brauchen Zuwanderer.

(Barbara Duden SPD: Das ist doch Blödsinn, das wissen Sie selbst!)

Nein, dort stehen Sozialwohnungen leer.

Nun zu Herrn Dobritz: Sie sagen immer, die CDU fordere das zwar in der Bürgerschaft, aber in den Bezirken verhindere sie die B-Pläne, und insoweit seien wir die eigentlich Schuldigen.

(Barbara Duden SPD: Das ist auch die Wahrheit!)

Auch das ist auf den ersten Blick richtig, auf den zweiten Blick ist es aber falsch, denn wir – zum Teil auch die GAL – stehen für eine Art der intelligenten Politik. Man kann doch nicht die ganze Stadt mit Sozialwohnungen oder Eigentum auf einem Haufen zubauen und dann sagen, nun bieten wir euch Eigentum in dieser massiven Form an. Die CDU, zum Teil auch die GAL, haben zum Beispiel im Horstweg – das ist hydrologisch und auch sonst ein wertvolles Gebiet, und es liegt so weit im Wald, daß es überhaupt keine Anbindung gibt – gesagt, das eignet sich nicht. Der GAL verdanken wir es, daß der B-Plan im Moment noch auf Eis liegt.

Wenn das Interesse der Bevölkerung da ist und wir sagen, möglicherweise kann man im Horstweg eine intelligente Form bauen, nämlich Reihenhäuser und Doppelhäuser, und die SPD will das nicht, dann kann man der CDU ja nicht vorwerfen, die alten Strukturen zu erhalten.

(Antje Möller GAL: Sagen Sie doch mal was zu Volksdorf!)

(Vizepräsident Berndt Röder)

Beim Kornweg und ähnlichen Projekten gilt im Prinzip auch „big is beautiful“. Das heißt, Sie knallen überwiegend alles mit Geschoßwohnungen voll, so daß die Anlieger mit Recht sagen, das ist sozial unverträglich. Auch hier heißt es dann immer, der Investor sagt, es lohne sich sonst nicht. Es ist aber doch die Aufgabe der Politik, Eigentumsmaßnahmen anzubieten, die eine hohe Akzeptanz haben. Anhand Ihrer Zwischenrufe merke ich, daß die Einsicht wohl nicht da ist. Deshalb fordere ich Sie auf, hier etwas zu machen. Wir sehen erste Ansätze in der HafenCity. Senator Wagner gibt ein bißchen mehr Geld in die WK, und Herr Maier sagt auch, im Prinzip ist das richtig. Aber gleichwohl werden unsere Anträge, wie zum Beispiel minimaler Eigentumswohnungsbau auch in Brennpunkten, ohne daß jemand vertrieben wird, abgelehnt.

(Antje Möller GAL: Alles Quatsch!)

Von daher fordern wir Sie auf, aus den Sünden der Vergangenheit die Konsequenzen zu ziehen und bereit zu sein, Eigentum intelligent, aber umweltverträglich anzubieten. Wir werden Ihnen bei jedem B-Plan genau sagen, wo unsere Positionen sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Duden.

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Herr Schulz hat hier intelligente Lösungen angekündigt, die ich in dieser Rede noch nicht erkennen konnte.

(Beifall bei Andrea Franken GAL – Bernd Reinert CDU: Das spricht nicht für Ihre Intelligenz!)

Über meine Intelligenz will ich hier nicht diskutieren, denn Herr Schulz hat darauf hingewiesen, daß intelligente Lösungen nur von der CDU zu erwarten sind; die Schlußfolgerungen überlasse ich Ihnen.

Ganz neu ist dieses Thema in der Bürgerschaft nicht. Wir haben uns in letzter Zeit bei verschiedenen Anfragen dazu geäußert; auch in unserer Haushaltsrede haben wir über die Abwanderungsproblematik geredet. Deshalb ist es nicht ganz vermeidbar, den einen oder anderen Punkt noch einmal zu erwähnen, damit auch die CDU deutlich merkt, was wir in dieser Stadt wirklich wollen.

Die CDU will in ihrer Großen Anfrage deutlich machen, daß Hamburg allzu viele einkommensstarke Familien in das Umland abziehen läßt und wir hilflos hinterherschauen, weil unsere Eigentumsmaßnahmen nicht auf diesen Personenkreis zugeschnitten und auch nicht attraktiv genug sind. Daß das so nicht stimmt, kann man anhand einiger Verhaltensweisen, die im übrigen auch in der Studie stehen, die Dr. Schulz eben erwähnt hat, deutlich erkennen, denn die Modellfamilie, die die CDU immer vor ihrem inneren geistigen Auge hat, zieht zu 50 Prozent, wenn sie ins Umland zieht, in eine Mietwohnung oder sie will auf keinen Fall weiter in Hamburg wohnen bleiben. Das ist für uns als überzeugte Hanseaten zwar schwer vorstellbar, aber solche Fälle soll es geben.

Als ein Beispiel will ich nur erwähnen – ich habe dies in den Haushaltsberatungen bereits getan –, daß es gerade in den neuen Berufszweigen eine erhöhte Mobilität von Familienernährern gibt, und dem kann auch Eigentumswohnungsbau in Hamburg nicht immer Rechnung tragen.

In Hamburg werden schon heute Familien, die Wohnungen suchen, weit über das normale Maß, das in anderen Bundesländern üblich ist, und unabhängig von der Kinderzahl gefördert. Das ist in den anderen Bundesländern nicht so. Die Wohnungsbaukreditanstalt hat die Höchstgrenze der Förderungswürdigkeit für Familien auf 126 000 DM pro Jahr festgesetzt. Wer dann noch als Familienernährer darüber liegt – da sind wir sicher –, kann auch Wohnungseigentum ohne Hilfe der Wohnungsbaukreditanstalt bilden. Diese großzügigen Förderungsmöglichkeiten sind bei weitem nicht in allen Bundesländern Standard. Die CDU möchte, daß über Veränderungen am Punktesystem nachgedacht wird. Wir sind der Meinung, daß das Punktesystem zur Zeit nicht verändert werden soll, weil es auch heute schon Grundstücke in dieser Stadt in besonderen Lagen gibt, die teuer sind, aber auch von Familien nachgefragt werden, die auf dieser Liste stehen und für teurere Grundstücke zur Verfügung stehen. Vor allen Dingen wollen wir in der Koalition das Punktesystem nicht ändern, weil es die von uns politisch gewollte Zielsetzung verändert, nämlich Eigentumsmaßnahmen für breite Bevölkerungsschichten anzubieten. Die Flächen, die dafür zur Verfügung stehen können, sind natürlich – das ist auch schon Einsicht der CDU – in einem Stadtstaat stärker begrenzt. Doch es gibt auch in der Zukunft Flächen in dieser Stadt, die attraktiv sind. Ich habe schon des öfteren in Diskussionen zu diesem Thema auf die Flächen des Landesbetriebes Krankenhäuser hingewiesen, aber auch auf die Flächen der zukünftigen HafenCity. Einen Hinweis an die CDU will ich doch noch einmal geben: Sie sollten Ihre Bezirksabgeordneten – meinetwegen die alten, aber auch die zukünftigen neuen – in einem Workshop auf ihre bürgerschaftlichen Ziele, mehr Flächen für den Wohnungsbau auszuweisen, einschwören,

(Werner Dobritz SPD: Das ist hoffnungslos!)

denn ich habe trotz Ihrer Bemerkung zu diesem Thema eher den Eindruck gewonnen, daß die Haltung der CDUAbgeordneten in den Bezirksversammlungen zu mehr Flächenausweisung in der Regel scheitert. Die Fläche in Bergstedt ist ein Bilderbuchbeispiel dafür. Wer heute davon redet, daß man solche Flächen dem Wohnungsbau nicht anbieten kann, weil sie zur Zeit noch nicht bebaut sind und keine Verkehrsanbindung und Infrastruktureinrichtung haben, der lügt sich doch in die eigene Tasche. Wir haben doch in Allermöhe auch nicht zuerst angefangen, dort irgendeinen Krämerladen hinzubauen und dann über Wohnungsbau zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD – Heike Sudmann REGENBO- GEN – für eine neue Linke: Schön wäre es gewe- sen!)

Das sind doch Maßnahmen, die wir alle in der richtigen Reihenfolge diskutieren müssen. Die CDU macht in den Bezirksversammlungen – und das ist bis jetzt unwidersprochen – allzuoft eine Feigenblattpolitik, die unter dem Motto läuft: Alles, was wir an Wohnungsbau verhindern können, spricht für die CDU in den Bezirken. Aber wenn Ihr Fraktionsvorsitzender immer noch damit antritt, in Zeitungsüberschriften unwidersprochen zu fordern, keinen Wohnungsbau mehr für Walddörfer, Volksdorf oder was auch immer, dann kann ich nicht erkennen, daß die CDU das, was sie heute hier erzählt hat, wirklich ernst meint.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Dieser Workshop, wenn er denn jemals zustande käme, ist natürlich dann der aktive Teil der CDU zur Lösung dieser

(Dr. Stefan Schulz CDU)

Problematik. Wir müssen aber in der Diskussion weg von der Idee, daß nur ein entsprechendes Angebot von Einfamilienhäusern die Abwanderungsproblematik lösen kann. Das haben wir auch schon in vielen anderen Fällen deutlich gemacht. Flächensparendes Bauen kann ebenso attraktiv sein, wenn es die Belange von Familien berücksichtigt. Neuere Studien haben übrigens auch bewiesen, daß es sich bei den Umlandsflüchtlingen nur allzuoft um eine zeitweise Flucht handelt. Es gibt den Trend, nach der Familienphase mit dem Einfamilienhaus auf der grünen Wiese den urbanen Charme einer Großstadt wieder attraktiv zu finden und in die Stadt zurückzukehren. Die Problematik des Pendelns und all diese ökologischen Bedenken will ich jetzt einmal außer acht lassen. Wir Sozialdemokraten setzen auf ein bezahlbares Wohnungsangebot für alle. Häuser für Familien werden ein Schwerpunkt für die Wohnungs- und Familienpolitik der nächsten Jahre sein. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Aufregung lohnt sich im Grunde nicht, wenn die CDU dieses Thema anmeldet, aber zwei Dinge haben mich dann doch irritiert. Das ist zum einen die Tatsache, daß Herr Dr. Schulz eigentlich immer das gleiche oder sogar dasselbe sagt

(Dr. Michael Freytag CDU: Gleichbleibend gut! – Barbara Duden SPD: Auf CDU-Niveau!)

gleichbleibend gut, das ist die Frage, das möchte ich bezweifeln –, und zum anderen, daß zu der Großen Anfrage und vor allem den Antworten des Senats überhaupt nichts gesagt worden ist. Ich weiß nicht, ob das nicht doch der Grund für die Anmeldung war, aber vielleicht war es auch nur der Vorwand, um hier endlich einmal wieder das gleiche zu sagen.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen – ich will nicht alles wiederholen, was Frau Duden gesagt hat –: Es kann nicht sein, daß wir die Wünsche, die in der Antwort – und jetzt nehme ich einmal bewußt Bezug auf die Antwort des Senats zu der Frage 2 – deutlich geworden sind, nämlich daß 45 Prozent der Bewerber und Bewerberinnen für ein Baugrundstück ein Einzel- oder Doppelhaus wollen, in der Hansestadt Hamburg befriedigen.

(Barbara Duden SPD: Das wollen wir auch nicht!)

Das wird aus Flächengründen nicht gehen. Es wäre auch falsch, Hamburgs Zukunft mit Einfamilienhäusern zuzupflastern. Die Antwort aber bleiben Sie schuldig. Die Antwort ist der Bau von differenzierten und attraktiven Eigentumswohnungen, von autoreduziertem Umfeld zum Beispiel. Sie haben im übrigen das Argument vergessen, daß die meisten derjenigen, die aus der Stadt heraus wollen, unter dem Verkehrslärm leiden und vor allem unter dem Verkehrslärm in den Wohngebieten.

(Dr. Stefan Schulz CDU: Deshalb lassen Sie sie raus, damit Sie mit dem Auto wieder reinfahren!)

Ja, darüber diskutieren wir ein anderes Mal. Das ist das Argument für den Wegzug aus der Stadt, und hier hilft ein autoreduziertes Wohnumfeld.

Die Mehrzweckhäuser, die die Stadt auch braucht, also Wohnen und Arbeiten und Dienstleistungen, kommen auch