Protokoll der Sitzung vom 14.02.2001

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das stimmt doch nicht!)

Von innovativen Angeboten – gerade an dem Beispiel Rotterdam und den Basements orientiert – hört man von der SPD-Fraktion in dieser Stadt gar nichts. Da können Sie mir nicht widersprechen.

(Dr. Holger Christier SPD: Das stimmt nicht, wir müssen doch nicht alles mitmachen! – Glocke)

Herr Abgeordneter, das Verdecken der Leuchte für die Redezeitbegrenzung hilft auch nicht. Die fünf Minuten sind am Ende.

(Heiterkeit im ganzen Hause)

Sie müssen jetzt den Schlußsatz formulieren.

Ich werde jetzt einen Schlußsatz formulieren. Unterm Strich hat nicht nur die CDU in der letzten Zeit deutlich gemacht, daß sie sich von einem nutzerorientierten Hilfeeinsatz verabschiedet; es macht leider auch die SPD. Das hilft niemandem in der Stadt, das hilft nicht den Menschen, die abhängig geworden sind, und Sie werden merken, das wird Ihrem Wahlergebnis auch nicht helfen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt Senator Wrocklage.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vor-Wahlkampfzeit ist die Zeit der Populisten, der Scharfmacher, der Propheten, die oberflächliche Rezepte verkünden.

(Ole von Beust CDU: Meinen Sie Herrn Freiberg?)

Insofern ist das eigentlich eine schlechte Zeit, mit einem so schwierigen Problem umzugehen.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Gott sei Dank, daß wir Sie haben!)

Das glaube ich auch, Herr Ehlers.

(Barbara Ahrons CDU: Antworten Sie doch mal sachlich. Einmal!)

Wir müssen erkennen, daß es in keiner Stadt der Welt, weder in New York noch in Rotterdam, noch in Berlin, in Frankfurt oder in Hamburg, ein Patentrezept gibt. Das ist die schlichte Wahrheit. Wir müssen uns gemeinsam um einen richtigen Weg bemühen.

Mich hat sehr beeindruckt das Poldermodell, das in den Niederlanden, in Rotterdam, erörtert wird als Möglichkeit, zueinander zu gelangen, um gemeinsam ein Problem zu lösen. Es muß jedem Hamburger und jeder Hamburgerin klar sein, daß man nicht mit monokausalen Konzepten ein so schwieriges Problem angehen kann.

(Antje Blumenthal CDU: Deswegen sind Sie ja so erfolgreich!)

Wir haben ein interdisziplinäres, übergreifendes Konzept entwickelt, und uns bringt ein Schill nicht dazu, einen Rechtsruck zu vollziehen. Wir bleiben bei unserer Linie, und wir glauben, daß wir damit erfolgreich sind.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich habe mir angesehen, was die CDU zu bieten hat, insbesondere das hochnaive Angebot, einen Sicherheitspakt zu schließen, das mir mein Thema wegnehmen will, Herr von Beust. Das kann ich natürlich nicht akzeptieren. Ich habe mir angesehen, was Sie wollen. Sie schlagen ein Aufenthaltsverbot vor. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, daß wir das aufgrund des Paragraphen 3 SOG schon lange haben. Sie schlagen Brechmittelvergabe vor und wollen dazu das SOG ändern. Das zeigt, daß Sie die Vergabe von Brechmitteln offenbar als ein Instrument zur Herstellung der Sicherheit und Ordnung ansehen. Sie müssen sich überlegen, was das bedeutet, wenn man das durchbuchstabiert. Mit Brechmitteln erlangte man Beweise im Zusammenhang mit den Strafverfahren. Justizbehörde und Innenbehörde haben aber gemeinsam Beweisregeln vereinbart, die eine Vergabe von Brechmitteln nach derzeitigem Stand überflüssig machen. Ich schalte einmal die gesamte Crackproblematik aus. Gestern habe ich, Herr Vahldieck, in Ihrer schönen Sendung gehört – dieser Punkt ist in dem Zehn-Punkte-Programm gar nicht enthalten –, daß Sie auf den Gedanken gekommen sind, den Unterbindungsgewahrsam als das letzte Rezept vorzuführen. Herr Vahldieck, gucken Sie sich das Polizeirecht an. Auch dort heißt es, daß ein Unterbindungsgewahrsam, der über eine längere Frist wirksam sein könnte, unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit steht, und nach Ende des Gefahrenzustandes wären die in Gewahrsam genommenen Personen sowieso zu entlassen. Mit anderen Worten: Es ist überhaupt gar keine Lösung, die Sie hier vortragen. Sie gaukeln den Menschen eine falsche Hoffnung vor.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir Sozialdemokraten werden den Wahlkampf dazu benutzen, die Hamburgerinnen und Hamburger davon zu überzeugen, daß unser Problem ein gemeinsames Problem der ganzen Stadt ist, über die Institutionen weit hinaus.

(Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke)

(Dietrich Wersich CDU: Wahlkampf ist dazu da, Lö- sungen vorzustellen!)

Aber auch die Institutionen haben natürlich konzertiert zu arbeiten. Es sind bereits die vier Säulen vorgetragen worden: Aufklärung, Prävention als ein wichtiger Gesichtspunkt, Überlebenshilfe und Basisversorgung als zweiter wichtiger Gesichtspunkt, als dritter Therapieangebote und psychosoziale Betreuungsangebote und natürlich auch – das gehört mit dazu, und das sage ich auch in aller Deutlichkeit – Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Alle diese Elemente gehören zusammen, um zu einem Höchstmaß an Erfolg zu kommen. Es gehören eine große Ehrlichkeit und Zivilcourage dazu, diese Position gegenüber einer durch Herrn Schill und andere emotionalisierten Öffentlichkeit zu vertreten.

Ich glaube, daß wir gemeinsam gute Karten haben, daß wir die Menschen von unserer Linie überzeugen können. Ich mache das immer mit dem Beispiel, daß jedes Kind jeder Familie jederzeit betroffen sein könnte, drogensüchtig zu werden. Da spielt es als Erfolgskriterium eine Rolle, daß die Zahl der Drogentoten in Hamburg stetig abnimmt, während sie in München und in Berlin ansteigt. Für mich ist das ein wirklich wichtiges Zeichen, ein wichtiges Merkmal für den Erfolg unserer Drogenpolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Vahldieck.

(Manfred Mahr GAL: Jetzt kommt der gesund- heitspolitische Sprecher!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wrocklage, mit monokausalen Konzepten dürfe man nicht vorgehen. Herr Wrocklage, wir wären dankbar, wenn überhaupt mit irgendwelchen Konzepten vorgegangen würde.

(Beifall bei der CDU)

Daran fehlt es doch schon.

Wenn wir hier – Herr Wersich hat das geschildert – die größte offene Drogenszene Deutschlands, möglicherweise Europas haben...

(Vereinzeltes Lachen bei der GAL und der SPD so- wie Zurufe)

Ja, so ist es. Da gibt es gar nichts zu lachen.

Wenn hier 2000 Menschen der offenen Drogenszene angehören, wenn Stadtteile unter der offenen Drogenszene leiden und der SPD nichts anderes einfällt, als in einer Presseerklärung vom 7. Februar zu schreiben, der Kurs in der Drogenpolitik stimmt, dann frage ich mich, ob Sie uns veralbern wollen. Ist das Zeugnis von exzessivem Rindfleischgenuß, oder wollen Sie sich für eine Satirezeitung qualifizieren? Dafür würde es reichen, aber auch nur dafür, Herr Christier.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich ist die Bekämpfung der offenen Drogenszene völlig erfolglos geblieben in dieser Stadt. Wir haben überall Dealer in der Stadt, am Hauptbahnhof ein bißchen weniger, das ist zugestanden, aber immer noch viel zu viele. Im Schanzenviertel, in Teilen von St. Pauli, in den U- und S-Bahnen, in den Bahnhöfen, sogar in Hamburgs guter

Stube, hier vor der Tür, am Jungfernstieg und am Neuen Wall sind Dealer zu finden.

(Peter Zamory GAL: Wo sollen sie denn hin?)

Hunderttausende von Platzverweisen und Tausende von Ingewahrsamnahmen in den letzten Jahren haben überhaupt nichts bewirkt und keinen nachhaltigen Erfolg gezeigt.

Die Situation ist für die Menschen in der Stadt und insbesondere in den betroffenen Stadtteilen eine schlichte Zumutung. Insbesondere für die Männer und Frauen ist es eine Zumutung, die die Aufgabe haben, die Sicherheit in der Stadt zu gewähren, nämlich für die Polizei.

(Beifall bei der CDU – Uwe Grund SPD: Das ist eine Zumutung, wie Sie mit dem Thema umgehen!)

Die Polizisten arbeiten sozusagen nur für die Statistik, haben relativ wenig Erfolge, viel zu wenige Verurteilungen, sie sind personell schlecht bestückt. Die sogenannte Drogeneinsatzgruppe ist mit 20 Mann ausgerüstet. Das ist angesichts einer solchen Drogenszene eine lächerlich geringe Zahl. Sie werden von den Dealern veralbert und verlacht. Der Kokainhandel aus dem Mund ist das beste Beispiel dafür, wenn Dealer beim Erscheinen der Polizei – meistens sind es farbige Dealer – die Kugeln verschlucken.

(Zuruf: Ah!)

Nicht ah, das ist ein Faktum.

(Manfred Mahr GAL: Das macht die Farbe, nicht?)

Das hat nichts mit der Farbe zu tun.

(Manfred Mahr GAL: Das hat doch damit zu tun!)

Wenn Sie die Wahrheit nicht ertragen können, Herr Mahr, kann ich Ihnen auch nicht helfen.