Protokoll der Sitzung vom 14.02.2001

zusammengestrichenen Sozialhilfesätze und – das haben wir vorhin schon gehört – natürlich die Probleme im Bereich der Pflege. Aber dennoch ist es nicht ganz uninteressant, sich einmal mit dem Freizeitverhalten von älteren Hamburgerinnen und Hamburgern zu befassen. Da hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges verändert. Das Bild der alten Leute, die alle vier Wochen einmal zum Altennachmittag schlappen und den Rest der Zeit zu Hause sitzen, ist überholt. Das ist vorbei. Viele orientieren sich inzwischen an anderen Bildern. Es ist auch kein Zufall, daß zum Beispiel in den letzten zehn Jahren bei den Sportvereinen doppelt so viele Mitglieder in der Sparte „Senioren“ zu verzeichnen sind. Gleiches gilt für Volkshochschulen und ähnliche Einrichtungen. Besonders hier, wie auch anderswo, sind es generationenübergreifende Angebote, die in der Beliebtheit immer weiter vorne sind. Dann, finde ich, ist es an dieser Stelle auch ein bißchen berechtigt zu hinterfragen, ob das Konzept Altentagesstätte noch wirklich zeitgemäß ist oder ob es nicht auch zeitgemäß wäre, dieses Konzept aufzubrechen und den Schwerpunkt mehr auf generationenübergreifende Angebote zu legen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das ist sicher in der Gesamtheit richtig. Aber es gibt immer noch eine Gruppe von Leuten, für die das ein wichtiges und richtiges Angebot in der Stadt ist, und deshalb ist es auch notwendig und richtig, daß dieses Angebot vorgehalten wird und nicht einfach, wie es die SPD gerade im Begriff ist zu tun, zusammengestrichen werden kann. Die Rahmenzuweisungen der Bezirke für diesen Bereich sind von 1997 bis 2001 um genau 15 Prozent zusammengestrichen worden,

(Wolfgang Baar SPD: Wie bitte?)

und genau damit wird den Bezirken das Wasser für diese mitunter ganz wichtigen Angebote abgegraben. Gerade die Einrichtungen, die ein neues Konzept fahren, die ihre Einrichtungen aufmachen, sind zunehmend gerade von diesen Kürzungen betroffen, und das, finde ich, ist ein nicht verantwortungsvolles Vorgehen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Genau deshalb haben wir bei den Haushaltsberatungen einen Antrag gestellt, daß diese Kürzungen, die im kommenden Jahr sehr empfindlich wirken, für das kommende Jahr ausgesetzt werden. Das haben Sie abgelehnt. Herr Baar, wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und die Arbeit der Tagesstätten loben, dann ist das in Ordnung, dann ist das richtig. Aber dann sagen Sie bitte auch die ganze Wahrheit. Sagen Sie, daß Sie es richtig finden, daß diesen Einrichtungen das Geld gekürzt wird in dieser Stadt. Sagen Sie, daß Sie es richtig finden, daß Ihnen das Geld zusammengestrichen wird. Diese Wahrheit ist die Wahrheit der Sozialdemokratie. Wir haben etwas anderes vorgeschlagen, was den Einrichtungen sicherlich besser getan hätte. Dem haben Sie sich verweigert. Das finde ich aus meiner Sicht ein bißchen heuchlerisch, wenn Sie das verschweigen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Frank-Thorsten Schira CDU)

Das Wort erhält Senatorin Roth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß die Altentagesstätten in Hamburg eine wichtige Infrastruktur für die Seniorinnen und Senio

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

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ren sind. Aber es ist auch richtig, daß diese Einrichtungen schon eine ältere Institution sind und sich angesichts der Veränderungen natürlich auch einem Wandel unterziehen müssen, weil die Menschen, die zukünftig in diese Einrichtungen gehen, andere sein werden als diejenigen, die in der Vergangenheit dort waren.

Es ist wahr, daß der demographische Wandel so ist, daß wir immer älter werden und es immer mehr ältere Menschen gibt. Aber es gibt eben sehr unterschiedliche Ältere, nämlich auch die jungen Alten, die aktiven Alten, die nicht in diese Altentagesstätten gehen. Deshalb ist es auch so, daß bestimmte Gruppen bisher nicht mit dieser Altentagesstätte konfrontiert oder involviert werden. Damit stellt sich die Frage, wie wir die Altentagesstätten so organisieren können, daß die Menschen dieses Angebot an Infrastruktur in den Stadtteilen annehmen und nicht nur die Älteren angesprochen werden, die bisher schon in dieser Einrichtung waren, sondern auch neue Gruppen von Älteren, die unter Umständen mit Jüngeren zusammen aktiv werden. Dazu gehört auch das Thema Integration von Migrantinnen und Migranten, ebenso wie andere Fragen und andere Gruppen, die bisher nicht angesprochen wurden.

Ich bin sehr offen bei der Frage, wie dieses Konzept zukünftig aussehen soll, wie eine Altentagesstätte der Zukunft sein muß. Aber das als Behörde zu definieren, halte ich für falsch. Es geht darum, die Menschen, die sich dort wohl fühlen sollen, die dort ihren Alltag mitgestalten sollen, zu beteiligen. Deshalb haben wir einen beteiligungsorientierten Prozeß gemacht und nicht von oben herab erzählt, wie das Konzept des Senats für diese Altentagesstätten auszusehen hat. Nein, wir haben gesagt, es geht darum, daß diejenigen, um die es geht, mit darüber nachdenken, was sie wollen. Das geht nicht auf Knopfdruck, sondern nur mit den Trägern dieser Altentagesstätten und vor allen Dingen nur mit den Menschen, die drin sind, und denjenigen, die reinwollen oder die vielleicht noch draußen stehen und die wir gewinnen wollen. Deshalb haben wir diesen Prozeß auch organisiert. Es gab dazu vor kurzem einen Workshop mit der Frage, was getan werden muß, um die Attraktivität dieser Altentagesstätten zu erhöhen.

Gleichwohl will ich anmerken, daß es nicht nur um die Altentagesstätten geht. Unsere Seniorenpolitik ist mehr als nur dieses. Aber es ist ein Baustein im gesamten Seniorenbereich, und deshalb sollten wir ihn nicht vernachlässigen, sondern gucken, daß wir den Wandel dieser Altentagesstätten so organisieren, daß er am Ende angenommen und vor allen Dingen auch akzeptiert wird. Deshalb haben wir diesen Prozeß organisiert. Wir sind dabei, vor allen Dingen auch auf Wunsch der Seniorinnen und Senioren, neue Angebote zu organisieren. Dazu gehört auch das Thema Internet, weil die Altentagesstätten auch dieses gut gebrauchen können, um ihre Attraktivität zu steigern. Dazu gehört auch das Thema Qualifizierung der Ehrenamtlichen. Es ist nicht damit getan, die Ehrenamtlichen nur an den Programmen zu beteiligen, wenn sie nicht gleichzeitig entsprechend qualifiziert werden. Deshalb sehe ich in bezug auf die Ehrenamtlichkeit und weil das so wichtig und gut ist, vor allen Dingen einen Qualifizierungsbedarf, den wir anbieten müssen, damit diese ehrenamtliche Arbeit auch attraktiv ist und die Menschen diese am Ende auch gerne machen und dabei bleiben und nicht nach einem halben Jahr sagen, das gefällt mir nicht, das ist zu wenig interessant.

Wir brauchen eine Veränderung in diesem Bereich, wir sind dabei, diese zu organisieren. Wir müssen aber auch sehen,

daß dieser Bereich nur ein Teil ist und nicht isoliert gesehen werden darf.

Deshalb sollten wir gemeinsam überlegen, wie wir die Attraktivität gestalten, mehr Integration schaffen können und wie wir vor allen Dingen den Generationenwechsel bei den Ehrenamtlichen, die bisher diese Altentagesstätten getragen haben, so organisieren, daß am Ende auch die Altentagesstätten funktionieren. Sie funktionieren nämlich nur dann, wenn wir die Menschen dafür gewinnen, weiter ihre ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Der Dank an die Ehrenamtlichen, die bisher die Arbeit geleistet haben, ist selbstverständlich. Ihre Anregung ist angekommen, aber darüber hinaus gilt es vor allen Dingen, neue Menschen zu gewinnen, damit diese ehrenamtliche Tätigkeit auch im Sinne der alten Menschen gut organisiert wird.

Ich hoffe und wünsche, daß uns dies gelingt. Das geht aber eben nur gemeinsam.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit ist die Große Anfrage besprochen.

Ich komme nunmehr – wie bereits angekündigt – auf die Tagesordnungspunkte 3, 4 und 4a zurück: Drucksachen 16/5013, 16/5448 und 16/5540. Danach haben wir drei Wahlen vorzunehmen, und zwar die Wahl eines bürgerlichen Mitglieds des Richterwahlausschusses, die Wahl einer oder eines Deputierten der Wirtschaftsbehörde und die Wahl einer oder eines Deputierten der Stadtentwicklungsbehörde. Die Wahl eines Stellvertretenden Mitgliedes der Kommission für Bodenordnung findet vereinbarungsgemäß erst morgen statt.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl von Mitgliedern des Richterwahlausschusses und ihrer Vertreterinnen und Vertreter – Drucksache 16/5013 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Wirtschaftsbehörde – Drucksache 16/5448 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Stadtentwicklungsbehörde – Drucksache 16/5540 –]

Die Fraktionen und die Gruppe haben vereinbart, die heute vorzunehmenden Wahlen in einem Wahlgang durchzuführen. Die Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei jedem Namen je ein Feld für die Ja- und Nein-Stimmen und für die Stimmenthaltung. Kreuzen Sie bitte bei jedem Namen nur ein Kästchen an. Mehrere Kreuze bei einzelnen Namen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit führen. Ich bitte Sie, nunmehr Ihre Wahlentscheidung vorzunehmen. Die Schriftführerinnen und Schriftführer darf ich bitten, mit dem Einsammeln zu beginnen beziehungsweise fortzufahren.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Meine Damen und Herren! Sind alle Stimmzettel abgegeben? – Das ist erkennbar der Fall. Damit schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden ermittelt und im weiteren Verlauf der Sitzung bekanntgegeben.

Ergebnisse siehe Seite 4589 B.

(Senatorin Karin Roth)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Drucksache 16/5085: Große Anfrage der CDU-Fraktion über Rechtspflege.

[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Rechtspfleger – Drucksache 16/5085 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Professor Karpen bekommt es.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sind fleißige, gut ausgebildete Arbeitskräfte des gehobenen Dienstes, ohne deren Einsatz in der Justiz nichts liefe.

Frau Senatorin, Sie behandeln Ihre Rechtspfleger nachlässig und stiefmütterlich, setzen sie einem Verdrängungswettbewerb mit Volljuristen aus, den die Rechtspfleger nicht gewinnen können.

(Jürgen Schmidt SPD: Warum nicht?)

Das zeigt die Beantwortung unserer Großen Anfrage, die zugleich ein Muster für eine unsolide und unpräzise Bearbeitung von Parlamentsanfragen ist. Das möchte ich in fünf Punkten aufzeigen.

Erstens: Nichtübernahme von Rechtspflegeranwärtern.

Sie holen, Frau Senatorin, die Nachwuchskräfte in die Rechtspflegerausbildung nach Maßgabe frei werdender Stellen. Die jungen Leute verlassen sich auf die Übernahme als Rechtspfleger. In diesem Vertrauen wurden sie in den letzten Jahren böse enttäuscht. Sie schreiben in der Antwort:

„1999 wurden von 24 Anwärtern sieben übernommen.“

Das stimmt so nicht. Diese sieben sind keine Rechtspfleger mit angemessener Besoldung geworden. Vier wurden Aufstiegsbeamte ohne Besoldungserhöhung, eine Rechtspflegerin verblieb in der mittleren Laufbahn, und zwei wurden Zeitsoldaten. Im Jahre 2000 wurden von 18 Anwärtern zehn nicht übernommen. Drei von ihnen wurden als Gerichtsvollzieher im mittleren, also nicht im gehobenen Dienst verwandt, vier als Rechtspfleger unterhalb der normalen Besoldung eingesetzt.

Auch 2001 sieht es düster aus. Fast alle Bewerber wurden bei der Übernahme unter Wert behandelt. Sie blieben überwiegend im mittleren Dienst und somit in ihrem bisherigen Status. Frau Senatorin, das ist eine völlig unbefriedigende, die Menschen frustrierende Personalplanung.

Zweitens: Karrierehemmungen.

Es geht um die Amtsanwalts- und Oberamtsanwaltstellen, also um die Besoldungsgruppe A 12/A 13. Das ist die höchste Besoldungsstufe, die die Rechtspfleger erreichen können und für die sie auch vorgesehen sind. Voraussetzung dafür ist die Laufbahnbefähigung für den gehobenen Justizdienst und eine Zusatzausbildung für die Amtsanwaltslaufbahn, alternativ die Befähigung zum Richteramt.

Da Hamburg in den vergangenen vier Jahren die Zusatzausbildung nicht zur Verfügung gestellt hat, werden Bewerber aus anderen Ländern bevorzugt, die die Befähigung zum Richteramt haben. Das ist ein Verdrängungswettbewerb nach unten, der die Rechtspfleger der Chancengleichheit beraubt. Das bedeutet eine Vorfahrt für die Volljuristen. Frau Senatorin, ich meine, daß das ein Verstoß gegen Ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Rechts

pflegern ist. Hoffentlich ist der Zusatzkurs, in dem Sie seit Januar 2001 wenige Rechtspfleger ausbilden, keine Eintagsfliege.

Der dritte Punkt: Rechtspfleger werden von Führungspositionen ferngehalten. Wir haben sehr konkret gefragt, welche Führungspositionen in der Hamburger Justiz mit Rechtspflegern besetzt sind. Das haben Sie unpräzise und vage beantwortet, indem Sie von Leitungspositionen reden, aber verschweigen, welche das sind.

Zudem ist die Antwort auch unvollständig. Außer im Finanzgericht werden nämlich auch im Verwaltungsgericht Führungspositionen von Fachhochschulabsolventen, den sogenannten Verwaltungsfachwirten, aber nicht von Rechtspflegern wahrgenommen. Bei der Staatsanwaltschaft sind durch die Einführung des Gerichtsmanagers die Chancen der Rechtspfleger deutlich verringert worden.

Im übrigen geht Ihre Behörde, Frau Senatorin, mit dem denkbar schlechtesten Beispiel voran. Es gibt in Ihrer Behörde an der Drehbahn überschlägig 24 Positionen als Abteilungsleiter, Referatsleiter und Abschnittsleiter, die für die Rechtspfleger in Betracht kommen. Tatsächlich sind nur sechs Positionen von Rechtspflegern, die anderen sind von Juristen und Verwaltungswirten besetzt. So, Frau Senatorin, demotivieren Sie Ihre wichtigsten Kräfte.