Protokoll der Sitzung vom 15.02.2001

Für genau solche Projekte, die unverzichtbarer Bestandteil der Umwelterziehung sind, muß es in Zukunft noch verbesserte Möglichkeiten geben. Bundesweite Programme wie OPUS – Offenes Partizipationsnetz und Schulgesundheit –, das „Netzwerk Gesundheitsfördernde Schulen“ der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförde

(Hartmut Engels CDU)

rung oder Preise wie „Umweltschule in Europa“ und „Gesunde Schule in Hamburg“ ergänzen die Möglichkeiten zum Mitmachen für die Schulen.

Zweitens möchte ich auf das „Nachhaltigkeits-Audit“, das hier auch schon erwähnt worden ist, hinweisen. Die besondere Wichtigkeit erklärt sich daraus, daß möglichst viele Personen zum Mitwirken einbezogen werden sollen. Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Eltern und alle an Schule Beteiligten sollen in diesen Prozeß einbezogen werden, und es soll Bestandteil des Schulentwicklungsprozesses werden; daraus resultiert die Wirksamkeit dieses Ansatzes. Nachhaltigkeits-Audit-Verfahren, ökologische Verbesserungen auch in Elternhäusern und Unternehmen, Umwelterziehung, Umweltschutzmaßnahmen und moderne Pädagogik gehen hier gemeinsame Wege zum Nutzen und zum Wohle aller.

Lokales Lernen in globalen Zusammenhängen wird an Hamburger Schulen auch in Zukunft ein besonders wichtiges Thema sein. Wir werden mit Nachdruck für eine Bildung, für nachhaltige Entwicklung sorgen, damit unsere Kinder im Bewußtsein ihrer Verantwortung für das Leben auf unserem Planeten und das Zusammenleben der Menschen aufwachsen, damit sie den Zusammenhang zwischen ihrem persönlichen Verhalten und der Umwelt erkennen können.

Aus diesen Gründen werden wir dem Anliegen einer zukunftsfähigen Entwicklung in den Entwürfen für die neuen Rahmenpläne in besonderer Weise Rechnung tragen. Mein Ziel ist es, ihm eine wesentlich stärkere Bedeutung zukommen zu lassen als in den jetzt geltenden Lehrplänen und auch die fachlichen Möglichkeiten der Vernetzung dieser Aspekte zu verbessern. Die Rahmenpläne der Aufgabengebiete werden hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Die Rahmenpläne der einzelnen Fächer werden Hinweise auf andere Fächer und Aufgabengebiete enthalten, und beides wird die Wahrnehmung der gemeinsamen Aufgabe Lernen für eine zukunftsfähige Entwicklung in den Hamburger Schulen in besonderer Weise unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann ist die Große Anfrage besprochen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 51 auf, Drucksache 16/5535: Antrag der SPD-Fraktion zu Gender-Mainstreaming und Arbeitsmarktpolitik.

[Antrag der Fraktion der SPD: Gender-Mainstreaming und Arbeitsmarktpolitik – Drucksache 16/5535 –]

Auch wenn es sich um ein fremdsprachiges Wort handelt, warne ich Neugierige; ich lese sonst die lange Übersetzung vor.

(Dr. Roland Salchow CDU: Das war eine Drohung, Herr Präsident!)

Wer wünscht das Wort? – Die Abgeordnete Fiedler hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt zu verwirklichen, ist ein wichtiger Bestandteil unserer Hamburger Politik, und sie erschöpft

sich nicht in den traditionellen Handlungsfeldern der Frauenpolitik, sondern sucht immer wieder neue Gewässer.

Die SPD-Fraktion stellt deswegen heute einen Antrag zur Abstimmung, der sich im weitesten Sinne mit einem neuen Aspekt der Gleichstellungspolitik befaßt. Mit diesem Antrag fordern wir den Senat auf, auf alle laufenden und künftigen Maßnahmen der Hamburger Arbeitsmarktpolitik das Prinzip des Gender-Mainstreaming anzuwenden. Damit ergänzen wir die klassischen Instrumente der Gleichstellungspolitik, mit deren Hilfe wir uns seit Jahren für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt einsetzen, mit einem für uns neuen Handlungsansatz. Dieser Handlungsansatz verlangt aber zuerst einen gründlichen Paradigmawechsel in unseren eigenen Köpfen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ist Gender-Mainstreaming ein neues Modewort oder tatsächlich ein neuer Ansatz; auf jeden Fall zuerst einmal ein Begriff, der von Frauen und Männern gleichermaßen erschlossen werden muß, um die Möglichkeit eines neuen Dialogs zwischen den Geschlechtern zu initiieren, denn mit Gender-Mainstreaming sollen neue Strategien entwickelt werden, um dem gewünschten Ziel der Gleichstellung näherzukommen, indem politische Konzepte sich stärker an den tatsächlichen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten von Frauen und Männern orientieren. Dies bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, daß alle Entscheidungsprozesse auf die tatsächliche Gleichheit zwischen den Geschlechtern gerichtet sein sollten, und zwar in allen Bereichen und auf allen Ebenen.

Hier sollen natürlich mit der Gleichheit nicht alle über einen Kamm geschoren werden, sondern unterschiedliche Voraussetzungen, Bedingungen, Kompetenzen und Lebensbiographien von Frauen und Männern erkannt und diese bei der politischen Gestaltung berücksichtigt werden, zum Beispiel die von allein erziehenden Vätern oder Teilzeitwünsche von männlichen Führungskräften.

Das Prinzip ist, zugegeben, radikal, die Bezeichnung ist gerade für die Öffentlichkeit noch recht sperrig. Das Festhalten an dem englischen Begriff Gender-Mainstreaming hat zwar den großen Vorteil, eine international entwickelte Strategie bekanntzumachen und somit eine bessere Verwirklichung auf internationaler Ebene zu ermöglichen. Dennoch finde ich gerade im Zuge der sprachlichen und kulturellen Vielfalt persönlich die Bezeichnung in meiner Muttersprache Italienisch durchaus erwähnenswert, und sie lautet: Movimento principale del genere.

(Beifall bei der SPD, der GAL und vereinzelt bei der CDU – Dr. Roland Salchow CDU: Molto bene! – Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Und nun auf platt- deutsch!)

Ihr könnt sie natürlich notieren, und wir können versuchen, diesen Begriff hier durchzusetzen.

Jetzt noch ein paar Worte zur Historie dieser Strategie. Sie ist zwar in der Bundesrepublik Deutschland durch die Politik der Europäischen Union bekanntgeworden, ihre Wurzeln liegen jedoch in der Weltfrauenpolitik und ihren Erfahrungen mit der Durchsetzung von Forderungen an die Regierungen. Diese Erfahrungen führten zu Diskussionen darüber, wie eine weltweite Frauenpolitik aus der Position der Bittstellerinnen herauskommen und die berechtigten Forderungen wirksam umgesetzt werden können. Aus der Taufe gehoben wurde das Konzept auf der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking anno 1995. Seit 1999 bindet der

(Senatorin Ute Pape)

A C

B D

Amsterdamer Vertrag die europäischen Mitgliedstaaten an dieses Prinzip.

Um Mißverständnisse zu beseitigen: Das Gender-Mainstreaming oder Movimento principale del genere ersetzt in keiner Weise die üblichen kompensatorischen Programme der Frauenförderung und der Diskriminierungsabwehr. Vielmehr ist sie als vierte Säule zu den klassischen Strategien der Gleichstellungspolitik zu verstehen und darauf angelegt, schon im Vorfeld die Durchsetzungsdefizite zwischen den Geschlechtern effektiver zu beseitigen. Die Hamburger Arbeitsmarktpolitik berücksichtigt bereits seit einiger Zeit die besondere Situation von Frauen, die beispielsweise nach der Erziehungsarbeit den Wiedereinstieg ins Berufsleben planen.

Aber trotz dieser positiven Entwicklung in den letzten Jahren in bezug auf die Frauenerwerbstätigkeit gibt es immer noch erhebliche strukturelle Benachteiligungen für sie auf dem Arbeitsmarkt. So wissen wir doch alle, daß Frauen überproportional hoch in Berufen mit niedriger Bezahlung arbeiten und im Durchschnitt nur 70 Prozent des Lohnes ihrer männlichen Kollegen erhalten, von den Migrantinnenlöhnen ganz zu schweigen. Frauen rücken vor allem in Berufe nach, die von Männern wegen ungünstiger Arbeitsbedingungen verlassen werden, obwohl es noch nie eine so gut ausgebildete Frauengeneration gegeben hat wie heute.

(Elke Thomas CDU: Ja, das stimmt!)

Aber gerade an dieser Schnittstelle beginnt die lange Liste der ungleichen Verteilung von Rechten und Pflichten zwischen den Geschlechtern. Darum wollen wir mit unserem Antrag erreichen, daß Maßnahmen der Hamburger Arbeitsmarktpolitik nach dem Prinzip des Gender-Mainstreaming oder Movimento principale del genere konzipiert und realisiert werden. Und jetzt die Frage: Wie müssen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angelegt sein, um weder Frauen noch Männer von vornherein auszuschließen? Die frühere Gestaltung im gewerblichen Bereich hat Frauen faktisch, wenn auch nicht gesetzlich, ausgegrenzt. Deswegen müssen die Folgen der Ausrichtung von Projekten und Programmen künftig im Vorfeld geprüft werden, um Beschäftigungsdefizite bei Frauen effektiv zu vermeiden oder sie wenigstens zu verringern.

Selbstverständlich heißt es für uns in diesem Kontext auch, die Hürden für Männer bei sogenannten typischen Frauenberufen sinnvoll zu überwinden, und ich glaube, daß an dieser Stelle noch viel Aufklärungsarbeit vonnöten ist.

(Beifall bei der SPD, der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, daß Maßnahmen der Hamburger Arbeitsmarktpolitik an Transparenz gewinnen. Wir wollen Informationen darüber erhalten, ob und wie das Gender-Mainstreaming-Prinzip bereits in der Arbeitsmarktpolitik zum Beispiel hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf verankert ist. Auf die Ergebnisse sind wir alle sehr gespannt. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der GAL, der CDU und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Koop.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die sehr ausführlichen und gehaltvollen Darstellungen von Frau Fiedler wecken Hoffnungen. Wenn ich zurückblicke, dann war mein frauenpolitisches Engagement immer von dem Motto geprägt: „Hoff’, o du arme Seele, hoff’ und sei unverzagt.“ Unverzagt bin ich geblieben, und Hoffnungen habe ich immer noch, und deswegen unterstütze ich auch jede Initiative – ich betone: jede –, die Frauen angemessen in Einfluß- und Entscheidungsbereichen vertreten sieht, die für eine gerechte Verteilung von Arbeit auf allen Gebieten zuständig ist und die Frauen nachhaltig materiell eigenständig macht.

Eine besondere Freude ist es mir natürlich, da ich selber vor einigen Wochen hier von der Neuorientierung der Gleichstellungspolitik gesprochen habe, daß Sie jetzt einen neuen Aspekt in die Gleichstellungspolitik hineinbringen. Wenn es denn der Sache dient, so sind wir natürlich auch dafür.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Setzen Sie es in der CDU durch!)

Wir sind genauso lernfähig wie Sie.

Die bekannten Maßnahmen haben nicht unbedingt den Erfolg gebracht, mit dem wir eigentlich gerechnet haben, denn erst nachdem die strukturellen Hindernisse beseitigt wurden, kamen die Frauen in Arbeit, und diese Opferrolle, in der sich die Frauen befunden haben, ist nicht das, was wir wollen. Die 68er haben nicht von den strukturellen Hindernissen gesprochen, sie haben von der strukturellen Gewalt gesprochen, und das sollten wir manchmal nicht vergessen. Wir drücken uns heute etwas sanfter, etwas gemäßigter aus, aber das ist schon in manchen Bereichen damit gleichzusetzen.

Gender-Mainstreaming soll präventiv – das haben Sie sehr schön deutlich gemacht – bereits im Vorfeld einsetzen, um diese strukturellen Hindernisse gar nicht erst aufkommen zu lassen.

(Uwe Grund SPD: Das ist es! Genau!)

Jede Maßnahme, die die strukturellen Hindernisse gar nicht erst aufkommen läßt, ist zu begrüßen, aber ich habe selten so viele Fragen zu diesem Begriff Gender-Mainstreaming erlebt wie in der letzten Zeit.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Nicht nur in der CDU!)

Nein, nicht nur in der CDU.

Was ist das eigentlich? Muß es denn immer auf englisch sein, haben wir denn keinen vernünftigen deutschen Begriff dafür? Italienisch hörte sich viel schöner an, das war melodisch, aber verstehen konnten wir es vielleicht trotzdem nicht. Wir haben eine Fülle von überflüssigen Anglizismen – ich frage mich zum Beispiel, ob das Wort Waste-Watcher unbedingt notwendig war, aber das gehört hier nicht hin –, aber in diesem Fall ist es tatsächlich notwendig, den Begriff „Gender“ zu nehmen, denn im Deutschen unterscheiden wir nicht zwischen Sex und Gender, dem biologischen und dem sozialen Geschlecht, sondern subsumieren das alles. Sie wissen das vielleicht, Weihnachten ist noch nicht so lange her, da heißt es: „Josef..., weil er aus dem Haus und Geschlecht Davids war...“, und es heißt nicht, daß er wie David ein Mann war, denn seine Frau stammte auch aus dem Geschlecht. Den Historikern unter Ihnen ist vielleicht auch der sogenannte Geschlechterfriedhof in Lunden in meiner Heimat Dithmarschen be

(Luisa Fiedler SPD)

kannt. Auf dem Friedhof werden nicht Männlein und Weiblein getrennt beigesetzt, sondern es wird nach bestimmten sozialen Gruppierungen unterschieden, und hier geht es um die soziale Gruppierung Mann und die soziale Gruppierung Frau. Da müssen wir ansetzen, das läßt sich eben im Deutschen nicht trennen und deswegen dieses Gender.

Es hat nicht unbedingt nur Nachteile, wenn man das mal auf englisch sagt. Wenn nicht jeder weiß, daß mit Gender-Mainstreaming Frauenförderung gemeint ist, dann werden vielleicht die eine oder der andere strukturellen personellen Hindernissen einer Maßnahme eher zustimmen; das kann ja auch von Vorteil sein. Der Nachteil ist allerdings – wir sollten natürlich darauf achten, was wirklich umgesetzt wird –, daß jemand, der das nicht versteht, sagt, ehe ich etwas Verkehrtes mache, lasse ich es lieber.

Also beobachten wir das, führen wir es zum Prinzip der Hoffnung vom Anfang meiner Rede zurück und sagen, möge es denn etwas nützen. Deswegen stimmen wir dem Antrag zu.