Protokoll der Sitzung vom 15.02.2001

Wenn ich mich auf den Titel „An Arbeit und Umwelt orientiert“ dieser Verkehrsentwicklungsplanung beziehe, dann stelle ich die Frage: Ist es eine an Arbeit und Umwelt orientierte Verkehrspolitik, wenn in West-Ost-Richtung ganz Hamburg stundenlang im Stau steht? Wieviel Arbeitszeit wurde im Stau vergeudet, und wie sehr wurde die Umwelt geschädigt?

(Beifall bei der CDU)

Der Stillstand durch den zweimaligen Stau dieser Woche dient dem Benzin- und dem Dieselverbrauch, aber nicht der Fortbewegung, von der die Handelsdrehscheibe abhängig ist, sondern führt nur zur Umweltbelastung.

Es zeigt sich, daß erstens ein fließender Verkehr sauberer und umweltfreundlicher ist als ein Stau und daß zweitens das Hamburger Straßennetz extrem störungsanfällig ist, weil es immer am Rand der Überlastung arbeitet und

(Beifall bei der CDU)

es keine aufnahmefähigen Ausweichstrecken gibt, wenn eine Hauptverbindung lahmgelegt ist.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Dann müssen wir die Unfälle abschaffen!)

Das heißt, wir brauchen das, was in anderen großen Städten Deutschlands und Europas Standard ist: Wir brauchen einen Autobahnring mit dynamischer Richtungswegweisung um unsere Stadt herum,

(Beifall bei der CDU)

wie dies im Raum Hannover geschieht. Aber in Hamburg findet so etwas nicht statt.

Wenn gestern die Verkehrsleitzentrale dazu aufrief, die A7 bei Neumünster zu verlassen, dann ist dies ein Beleg dafür, daß eine hamburgnahe Umfahrung fehlt. Es beweist auch – Frau Duden hat das Thema Elbquerung angesprochen –, daß wir oberhalb und unterhalb Hamburgs weitere Elbquerungen brauchen.

Noch einen Hinweis zu Einschätzungen anderer Städte zu dem Autoring. Was passiert in einer relativ unverdächtigen Stadt wie München, in der die Regierung die gleiche farbliche Zusammensetzung wie der Hamburger Senat hat? Die Verlängerung der A99 zur Komplettierung des Autobahnrings um München herum soll von der Stadt vorfinanziert werden, weil sie weiß, wie dringend erforderlich dies ist. Aber in Hamburg wird gesagt: Das brauchen und wollen wir nicht. Das ist unverantwortlich!

(Beifall bei der CDU – Barbara Duden SPD: Das ha- ben wir nie gesagt!)

Der Verkehrsentwicklungsplan will beim motorisierten Individualverkehr auf den Stand von 1990 zurück. Das ist völlig illusorisch. In diesem Fall kann ich die rotgrün zusammengesetzte Bundesregierung als unverdächtigen Kronzeugen vorweisen.

Schauen Sie doch einmal in den Verkehrsbericht der Bundesregierung hinein. Darin werden drei Szenarien vorgestellt: Laisser faire, Integration und Überforderung. Die Verkehrsleistung wird nach dem sogenannten Integrationsszenario im Güterverkehr um 64 Prozent und im Personenverkehr um 20 Prozent steigen. Was der Senator für Hamburg hier erreichen will, ist das, was die Bundesregierung als Überforderungsszenario bezeichnet. Das sollte Ihnen zu denken geben.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Aber nicht für Groß- städte!)

Wenn wir letztlich einen Blick auf Modernität und ÖPNV werfen, geht es hier nicht nur um attraktive Zugänge zu den Bahnsteigen, Herr Dr. Schmidt – obwohl Sie in der Sache recht haben –, es geht um sehr viel mehr. In den heutigen Zeitungen stand: Die AKN kann technisch gesehen jetzt bis zum Hauptbahnhof durchfahren. Was sagt die Baubehörde, was sagt der Verkehrsentwicklungsplan? – Nein, daran ist nicht gedacht.

Hier ließen sich für den öffentlichen Personennahverkehr 7500 Fahrgäste dazugewinnen. Sie aber wollen das nicht; ein überzeugendes Argument dafür gibt es meines Erachtens nicht.

(Barbara Duden SPD)

Wenn Sie den öffentlichen Personennahverkehr fördern wollen, dann müssen Sie auch das Umsteigen fördern und einen entsprechenden Ausbau der P+R-Anlagen vornehmen. Hamburg will in den nächsten zehn Jahren insgesamt 1000 und München 11800 P+R-Plätze zusätzlich schaffen. Das sind Kennzahlen!

(Beifall bei der CDU – Michael Dose SPD: Und wie- viel haben wir, und wieviel haben die?)

Das Wort erhält Frau Sudmann.

Wenn ich mir den Verkehrsentwicklungsplan nicht als Sprachwissenschaftlerin, sondern als Verkehrsteilnehmerin ansehe, dann muß ich feststellen, daß auch unter Rotgrün Fuß, Rad, Bus und Bahn vom Auto überrollt werden.

Wenn Sie einen Blick auf die Maßnahmenübersicht werfen, dann verstehe ich ehrlich gesagt nicht, warum Herr Reinert so traurig ist. Die Maßnahmen, die uns in dem beschlossenen Verkehrsentwicklungsplan vorgestellt werden, sind genau dieselben wie vor einem Jahr, die auch schon vor sechs Jahren unter Rotgrau überlegt wurden.

(Bernd Reinert CDU: Die genügten damals auch nicht!)

Herr Reinert hat gerade so traurig herumgequakt, weil so vieles nicht gebaut würde. Er muß aber nur genau hinsehen, denn im Verkehrsentwicklungsplan sind die A 252, die Westumfahrung Hamburg, die A26 bis zur A7, die A21, die K80 und die A1 aufgeführt. Das sind alles Projekte, die Sie fordern und die vom Senat auch gemacht werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Insofern müßten Sie eigentlich jubilieren. Rotgrün sollte darüber nicht klatschen, sondern müßte eher blaß werden, weil genau die Verkehrspolitik gemacht wird, die die CDU fordert.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ich muß mich in einem Punkt korrigieren, bei dem ich Rotgrün unrecht getan habe. Es wurden nämlich zwei Buchstaben verändert. Im Entwurf des Verkehrsentwicklungsplans hieß es noch:

„Eine Anhebung der Parkgebühren in der Innenstadt und in den Bezirkszentren solle stattfinden.“

Jetzt heißt es nicht mehr Anhebung, sondern „eine Erhebung der Parkgebühren solle stattfinden“. Das ist eine tolle Leistung, weil es schon lange Parkgebühren gibt. Wenn das der Fortschritt ist, dann sieht es für uns schlecht aus.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Es gab im Verkehrsausschuß – das ist richtig – sehr viele Anhörungen und Debatten zum Verkehrsentwicklungsplan. Jetzt haben Sie aufgrund dieser Anhörungen und Debatten einen Plan beschlossen. Dann ist es doch ganz normal, daß Sie zu diesem Plan stehen und sich auch den entsprechenden Fragen stellen.

(Barbara Duden SPD: Dazu hatten Sie doch nun wirklich Gelegenheit!)

Ich möchte schon gern wissen, warum Sie dies und das beschlossen haben, was aber zum Beispiel die Experten nicht vorschlugen. Wir haben damals etwas ganz anderes diskutiert. Deswegen ist es eher ein Trauerspiel, daß Sie

den Verkehrsentwicklungsplan nicht an den Ausschuß überweisen wollen. Aber bitte, das ist Ihre Art von Politik.

Wenn wir uns die wichtigsten Änderungen zum Verkehrsentwicklungsplan ansehen, die der Senat in seiner Pressemitteilung verkündet hat, dann können wir nicht feststellen, daß der öffentliche Personennahverkehr gefördert wird, sondern daß der Senat konkret den Ausbau von vier Straßen nennt: Beim Ring 2 soll geprüft werden, inwieweit er an bestimmten Kreuzungen ausgebaut wird, der Ring 3 soll komplettiert werden – die K 80 wird verlängert – und so weiter. Ich möchte das nicht alles einzeln ausführen.

Unkonkret wird der Senat immer dann, wenn es um die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs oder des Radverkehrs geht. Herr Schmidt, für die Einführung der Stadtbahn – sie taucht auf, keine Frage – fehlt immer noch – das müssen Sie mir zugestehen – die Grundsatzentscheidung.

Mich freut einzig, daß Konzepte für die Lärmminderung erarbeitet werden. Das hätten Sie schon vor über einem Jahr haben können, als wir genau das in der Bürgerschaft beantragt hatten. Aber das war natürlich schlecht, weil es unsere Idee war; Pech für uns.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Deine Idee? Ach!)

Aber, Martin Schmidt, ich komme gerne auf dein Lieblingsthema, den Radverkehr, zurück.

Beim Radverkehr finden wir auf Seite 62 eine Darstellung, daß die Baubehörde festgestellt hat, von den werktäglich 700 000 unter vier Kilometern zurückgelegten Fahrten in Hamburg würden 30 bis 40 Prozent auf den Radverkehr entfallen. Während diese Aussage ganz deutlich im alten Verkehrsentwicklungsplan stand, wird dies jetzt – das ist phänomenal – anders formuliert.

Fest steht, daß es werktäglich 700 000 Fahrten von weniger als vier Kilometern gibt. Jetzt wird gesagt – Zitat –:

„Man kann daher grundsätzlich theoretisch von einem Potential von rund 700 000 werktäglichen Pkw-Fahrten ausgehen, die eine Fahrstrecke bis zu vier Kilometern ausmachen.“

Im alten Entwurf hieß es noch, daß davon ausgegangen werden könne, daß diese 700 000 Fahrten auf das Fahrrad verlagert werden könnten.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Wie macht man das? Mit Gewalt?)

Du hast es damals selbst gesagt, Martin Schmidt: Nicht mit Gewalt, sondern mit guten Angeboten.

Es nützt nichts, daß wir den Radverkehr fördern wollen, aber gleichzeitig schreiben wir in den Verkehrsentwicklungsplan, daß dies immer von der jeweiligen Finanzlage abhänge, aber kein Wort davon, daß die von Ihnen geplanten Straßenbauvorhaben von der Haushaltslage abhängen.

Insofern läßt sich feststellen, daß mit diesem Verkehrsentwicklungsplan Rotgrün meilenweit von einer Verkehrswende entfernt ist. Es reicht eben nicht, hier das Scheitern des Klimagipfels zu beklagen oder zu sagen, es würde alles schlechter, aber gleichzeitig im eigenen Stadtstaat keine ernsthaften Schritte zur Reduzierung des Autoverkehrs einzuleiten. Das ist traurig.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)