Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon spät, und jetzt kommen noch die fachspezifischen Debatten. Ich will mich auf einige Punkte beschränken.
Es geht um das Schulprogramm. Was bedeutet das eigentlich, und welche Funktion hat es? Ich erachte es für außerordentlich wichtig, dies noch einmal deutlich darzustellen, wie es auch im Vorwort in der Antwort des Senates erklärt wird.
Die Schulprogrammentwicklung ist ein großangelegtes Projekt im Rahmen der Autonomieentwicklung von Schule und ein absolut notwendiges Instrument, Schulen auf den Weg in die Selbständigkeit zu entlassen. Es ist kein einmaliges, statisches Projekt, sondern ein Prozeß. Wenn der nicht als solcher gesehen wird, wäre der Zweck im Rahmen der Qualitätsentwicklung von Schulen verfehlt.
Insofern begrüße ich es außerordentlich, daß man Professor Holtappels gewonnen hat, um einerseits die Auswertung der jetzt abgegebenen Schulprogramme zu vollziehen und andererseits in einer zweiten Phase die Frage der Weiterentwicklung der Evaluation zu betreiben.
Als wichtiges Instrument „Schulprogramm“ zu begreifen, war für die Schulen zu Beginn höchst kompliziert. Am Anfang bestand das Mißverständnis, die Darstellung, wie man einen Ökoteich anlegt, oder und was man sonst noch alles Schönes in der Schule machen kann, sollte das Schulprogramm sein. Es geht aber wirklich um den Unterricht und um die Pädagogik im Klassenzimmer, und dort soll angesetzt werden. Landesschulrat Herr Daschner sagte einmal, die Qualität wird im Klassenzimmer entschieden. Insofern ist das Schulprogramm Instrument für eine systematisch angelegte Schulentwicklungsarbeit.
Dieser Kraftakt ist gelungen. Mein Dank geht an alle Beteiligten, an die Kollegen, an die Eltern, an die Schüler. Es ist ein Meilenstein. Ich kann nur unterstreichen, daß von der Schulbehörde ein Dankesbrief an die Schulen geschickt wurde, der noch einmal betont, welche Kraft und Zeit dort abverlangt wurden.
1996 hat man das erste Mal in den Kollegien gehört über einen Artikel in „Hamburg macht Schule“, was ein Schulprogramm ist, und erst 1998 haben die Schulen einen Leitfaden bekommen. Neben allen Widerständen war es am Anfang kritisch, in diesen zwei Jahren das Schulprogramm umzusetzen, weil die Unterstützungssysteme am Anfang noch nicht kompatibel waren. Einige Schulen waren noch mit Konzepten der Verläßlichen Halbtagsschule beschäftigt und die beruflichen Schulen beispielsweise noch mit der Lernortkooperation. Es war eine mächtige Aufgabe, die an die Schulen gegeben wurde. Deshalb hier einen Dank, daß dieser Kraftakt gelungen ist, der im Rahmen der Autonomieentwicklung, auf die ich zum Schluß noch einmal eingehen werde, ein wichtiger Teil ist.
Außerordentlich wichtig war die Partizipation von Schülerinnen und Eltern an diesem Prozeß. Diesen Bereich haben wir in unserer Großen Anfrage sehr ausführlich hinterfragt. Sie liegt mir besonders am Herzen und ist sicherlich noch entwicklungsfähig. Das wird auch in der Antwort des Senats als kritisch gesehen. Dort wird deutlich gesagt, daß über die Rückkopplungen, inwieweit Eltern und Schülerinnen beteiligt waren, häufig nichts gesagt wurde. Es gibt in der Anlage eine Statistik, aus der deutlich hervorgeht, daß nur 34 Prozent der Schülerinnen beteiligt waren. Da ist noch eine große Verbesserung für den zweiten Schritt notwendig, wenn es darum geht, diese Schulprogramme immer wieder zu kontrollieren, weiterzuentwickeln und die Schulgemeinde – das heißt, Eltern wie auch Schüler – insgesamt zu beteiligen. Wir haben da sicher noch nicht die Feedback-Kultur, wie das in anderen Ländern bereits der Fall ist, daß Schülerinnen und Eltern als gesamte Schulgemeinde beteiligt werden.
Die Antwort des Senats zur Frage, was man noch alles tun könnte, ist sicherlich ein bißchen dünn. Wir sind alle gefragt, wie dieser Demokratisierungsprozeß noch weiterentwickelt werden kann.
Wie geht es weiter? Es darf auf keinen Fall passieren, daß die Schulen sagen, wir haben es geschafft, eine Hochglanzbroschüre abgeben, und das war es. Es muß im Rahmen der Evaluation geschaut werden, wie dieses Schulprogramm weiterentwickelt wird, um die Qualitätsentwicklung zu gewährleisten. Das ist gerade in den Antworten
unter römisch drei interessant. Dort sagt man deutlich, Fortbildung sei nötig, um die ehrgeizigen Vorhaben in den einzelnen Schulen umzusetzen. Es sollte einen Innovationsfonds geben, und zwar nicht nur für Sachmittel, sondern auch für Stellen, um den Schulen zu ermöglichen, daß sie diese wunderbaren ehrgeizigen Vorhaben auch umsetzen können. Es ist sicherlich auch spannend, wenn man Schulprogramm und Förderressourcen aneinanderkoppelt. In dem sogenannten DIPF-Gutachten wird bestätigt, daß ein Innovationsfonds sehr interessant wäre, um einen Anreiz zu geben, diese Projekte umzusetzen.
Es muß in der zweiten Stufe, die jetzt kommt, geschaut werden, daß die Bildungspläne mit dem Schulprogramm verzahnt werden. Es geht außerdem in diesem Prozeß von Kontrolle in Richtung Beratung auch um das Leitbild der Schulaufsicht. Schulprogramme ermöglichen auch personalscharfe Einstellungen.
Dann kommen wir schon zur Debatte um die Gesamtautonomie. Diesen Teil wollen wir in der nächsten Bürgerschaftssitzung debattieren, damit wir sehen, wie alles miteinander zusammenhängt. Das Schulprogramm ist ein wichtiges Instrument in diesem Prozeß. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vor knapp vier Jahren haben wir ein neues Schulgesetz verabschiedet, das dem Schulalltag viele positive Impulse gegeben hat. Dazu gehört unter anderem der Auftrag an die Schulen, ein Schulprogramm zu entwickeln. Der Begriff Schulprogramm ist neu, aber das, was sich dahinter verbirgt, gibt es an vielen Schulen schon lange.
Wir alle kennen Schulen, die sich einen bestimmten Schwerpunkt gesucht haben und diesen gemeinsam mit den Lehrkräften, Eltern und Schülern entwickelt und fortgeführt haben. Die Schwerpunkte liegen im Bereich der sportlichen Aktivitäten, der musischen Erziehung, des sozialen Engagements, wie zum Beispiel der Integration von behinderten Kindern und ausländischer Schüler, der Partnerschaft mit Schulen in Entwicklungsländern und im Bereich der Umwelterziehung oder der Berufsfindung.
Damit haben sich Schulen ein Profil geschaffen, das sie attraktiv für Eltern, Schülerinnen und Schüler macht, die gerade diesen Schwerpunkt für wichtig halten und gerade diese Schule wählen. Mit der Aufforderung, ein Schulprogramm zu entwickeln, knüpft das Schulgesetz also an eine bewährte hamburgische Tradition. Das Schulgesetz verpflichtet allerdings alle Schulen, ein Schulprogramm zu entwickeln. Damit soll einerseits ein qualitatives Auseinanderdriften der verschiedenen Schulen und andererseits eine mögliche Beliebigkeit bei der Entwicklung eines Schulprogramms verhindert werden.
Das Instrument Schulprogramm bildet den Rahmen, der von den einzelnen Schulen ausgefüllt wird, indem sie ihre Entwicklungsschwerpunkte im Unterricht und in der Erziehung sowie dem gesamten Schulleben, der Organisationsstruktur und der Kommunikation verbindlich festlegen. Oberstes Ziel der Entwicklung von Schulprogrammen ist, die pädagogische Qualität von Schule zu verbessern und zielorientiert weiterzuentwickeln. Schulleitung, Lehrkräfte, Eltern und Schüler haben an vielen Schulen die Schulpro
gramme gemeinsam erarbeitet, zum Teil mit der Unterstützung des Instituts für Lehrerfortbildung. Die Ergebnisse können sich sehen lassen, wie aus der Beantwortung der Großen Anfrage der GAL hervorgeht.
Dennoch möchte ich einen Aspekt zu bedenken geben, der mir große Sorgen macht. Was passiert, wenn sich eine Schule ein Schulprogramm gibt, das sie besonders attraktiv für viele Schülerinnen und Schüler macht, und sich mehr Schüler für die Schule entscheiden, als Aufnahmekapazität vorhanden ist?
Da Eltern zwar die Schulform wählen dürfen, nicht aber eine bestimmte Schule, muß dann das Schulgesetz greifen und die überzähligen Schülerinnen und Schüler auf andere Schulen verteilen? Oder werden rollende Container zum Markenzeichen unserer Schulen? Dies führt unweigerlich zu Konflikten. Es müssen Lösungen gefunden werden, damit kein Ranking der Schulen entsteht und der Schulfrieden in den Regionen gewahrt bleibt.
Zum Schluß möchte ich noch betonen: Schulprogramme sind zwar verbindliche Vereinbarungen, aber sie müssen sich in der Praxis bewähren. Wenn es sich zeigt, daß es noch bessere Wege zu dem angestrebten Ziel gibt, dann müssen sie umgeschrieben werden.
Das bedeutet, alle Beteiligten müssen in einem ständigen Diskurs die Umsetzung ihres Schulprogramms begleiten, prüfen und möglicherweise korrigieren. Wenn die Weiterentwicklung der Schulprogramme ernsthaft betrieben wird, wird das hoffentlich zu einer weiteren Demokratisierung des Schulalltags führen, und es wäre ein positives Ergebnis der Einführung von Schulprogrammen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Goetsch, Sie haben in letzter Zeit immer wieder damit pressemäßig Furore gemacht, daß Sie in vielen Schulen gewesen sind.
(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Da sollten Sie auch mal hingehen – das bildet! – Dr. Holger Christier SPD: Er ist doch jeden Tag in der Schule!)
Sie haben gesagt, daß Sie dieses Schulprogramm als einen Meilenstein in der Schulgeschichte Hamburgs empfinden. Schüler, Schulleitungen und Lehrer, mit denen ich gesprochen habe, haben das eher als einen Klotz am Bein empfunden denn als einen Meilenstein. Ich habe mich allen Ernstes gefragt, was Sie damit bezweckt haben, diese Anfrage so früh zu stellen, obwohl Sie eigentlich wissen müßten, daß sich die Behörde und die Wissenschaftler mitten in der Auswertungsphase befinden. In der Antwort Ihrer Anfrage steht wenig qualitativ Entscheidendes, sondern sie wird eher geprägt von den unbestimmten Aussagen wie: „es muß noch überprüft werden“, „es muß noch weiter ausgewertet werden“. Für mich ist Ihre Initiative viel zu früh gekommen. Mich erinnert deshalb Ihre Aktion ein bißchen daran, daß Sie jetzt „auf den letzten 100 Metern“ anfangen, mit solchen Initiativen Wahlkampfgeklingel zu betreiben.
Letztlich hat die Entwicklung der Schulprogramme zu einer erheblichen Mehrbelastung insbesondere in den Kollegien geführt. Sie fühlen sich in dieser Stadt oftmals vor den Karren der Schulpolitik gespannt. Ihnen ist häufig mangels Aufklärung nicht klar gewesen, wohin diese Reise eigentlich gehen soll. Es hat große Probleme in bezug auf das Formulieren, Redigieren und nochmalige Aufsetzen dieses Schulprogramms gegeben. Wenn man sich die Senatsantworten ansieht, muß man feststellen, daß darin sehr viel Beliebigkeit und Individualität steckt. Ich frage mich, wohin der rotgrüne Faden bei der Evaluation dieser Programme überhaupt gehen soll. Woher kommen die Ressourcen, um die Schulen bei der Evaluation wirklich vernünftig zu betreuen? Aus der Anfrage geht doch klar hervor, daß personell zusätzlich nichts geplant sei. Statt dessen müssen wir in der Antwort auf die Anfrage insgesamt allgemeine Plattheiten hinnehmen: Bemerkenswert sei die fächerübergreifende Orientierung, oder vorbehaltlich weiterer Detailauswertung ließen sich in einem ersten Zugriff die und die Tendenzen erkennen, oder Entwicklungsvorhaben im Bereich der Berufsorientierung würden häufig in allen Schulen benannt. Was heißt denn das, die Antworten sind völlig unkonkret? Letztlich ist die Anfrage viel zu früh gekommen. Den Senatsantworten fehlt die große Linie, sie ist ein Sammelsurium von Strukturen, die jedoch eigentlich gar keine sind.
„Da die Implementierung der ersten Schulprogramme vor der Fertigstellung und Implementierung erster Bildungspläne liegt, wird ein ,Gleichklang‘ frühestens in einer zweiten Phase der Schulprogrammentwicklung möglich sein.“
Erstens: Es ist von den Schulen eine enorme Fleißarbeit geleistet worden, allerdings ohne politische Unterstützung.
Zweitens: Die bisherigen Ergebnisse, wie sie uns in der Antwort auf die Anfrage vorliegen, sind zur Zeit noch sehr fragwürdig.
Drittens: Es ist völlig unklar, wie es mit der Weiterentwicklung der Schulprogramme – abgesehen von außerhalb der Evaluationsphase – generell weitergehen soll.
Viertens: Wir sollten die Schulgremien zu keinem Beschäftigungsinstrument der rotgrünen Schulpolitik in dieser Stadt machen, sondern die Sache muß konkret klar und zielgerichtet weiter auf den Weg gebracht werden.
Sehr dürftig ist alles, was wir aus der Antwort dieser Anfrage entnehmen. Das bisherige Ergebnis bringt die Hamburger Schulen nicht weiter.
Sie haben, Frau Goetsch, die Eltern angesprochen, aber leider nicht richtig zitiert. Wenigstens die Organisation der Erstellung der Schulprogramme sollte doch gewährleistet sein, sie ist es aber offensichtlich nicht gewesen.
„Aus den Rückmeldungen von Eltern im Rahmen dieser Maßnahme wurde deutlich, daß sich viele Eltern unzufrieden zeigten, weil das Schulprogramm ihrer Schulen sehr spät und dann unter starkem Zeitdruck erarbeitet wurde und sie als Eltern erst zum Schluß einbezogen wurden.“
Wenn man Elternmitarbeit in der Schule haben will, dann ist diese Aussage eine schallende Ohrfeige, denn dann ist da etwas schiefgelaufen, und das ist ganz bestimmt nicht Spitze für die Hamburger Schulpolitik gewesen, die sie ja sonst immer so rühmen.