Protokoll der Sitzung vom 04.04.2001

(Jürgen Schmidt SPD: Das wüßte ich aber!)

Als Antwort auf einen Anruf bei der Innenbehörde hieß es, wir können dazu nichts weiter sagen. Fragen Sie doch einmal in der BAGS-Pressestelle nach. Bei einem Anruf in der BAGS-Pressestelle wurde geantwortet: Ich war in der letzten Woche nicht da, ich weiß von nichts. Fragen Sie doch einmal im Parlamentsreferat der BAGS nach. Der Anruf im Parlamentsreferat der BAGS ergab, wir sind nicht zuständig, fragen Sie doch einmal in unserer Pressestelle nach.

Meine Damen und Herren, heute habe ich von einem Journalisten gehört, daß der Pressesprecher ihm geraten hat: Fragen Sie doch mal die, die in der Zeitung zitiert sind. Fragen Sie doch mal die Innenbehörde.

Noch deutlicher kann man es doch nicht machen, daß Drogenpolitik in Hamburg überhaupt nicht koordiniert ist oder daß die eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Das macht das Abstimmungsdefizit deutlich. Deshalb bin ich sehr gespannt, was die Senatorin sagt.

Offenbar wollen Polizei und Justiz diese Runde einrichten, aber die BAGS taucht ab. Ich frage mich, wie lange die Senatorin diesen Widerstand gegen eine solche Runde noch aufrechterhält. Auch das gehört dazu: Sie hat heute bei einer anderen Sache die Entscheidung zurückgenommen. Es gibt keine Heroin-Abgabestelle in der Lübecker Straße in Hohenfelde. Frau Roth, der heutige Rückruf von Ihnen war überfällig, weil die Entscheidung in der Sache falsch war, aber auch, weil diese Entscheidung politisch wieder so schlecht vorbereitet war, daß Sie wiederum keine Akzeptanz für die Drogenmaßnahme in der Stadt gefunden haben.

(Uwe Grund SPD: Dafür haben Sie aber kräftig mit- gesorgt! – Gegenruf von Heino Vahldieck CDU: In der Tat. Das war unser Ansatz!)

Genau. Ich sage Ihnen auch warum: Weil die Bürger in der Stadt Ihnen nicht glauben, daß ein rotgrüner Senat wirkungsvoll gegen Drogenkriminalität und offene Szenebildung im Umfeld solcher Einrichtung vorgehen kann. Sie glauben es Ihnen nicht;

(Beifall bei der CDU)

auch wenn Sie es rauf und runter versprechen. Wenn man mit der U- oder S-Bahn fährt, wenn man am Bahnhof ist, sieht man, wie hilflos sich dieser Senat gegenüber der offenen Szene und dem Drogenhandel gebiert. Deshalb haben die Bürger zu Recht Angst, denn es ist ein leeres Versprechen, das Sie an vielen anderen Stellen in der Stadt nicht einhalten können.

(Beifall bei der CDU)

Sie schützen uns nicht vor der offenen Drogenszene.

Deshalb fordern wir endlich eine kompetente Drogenpolitik aus einer Hand, die den Süchtigen hilft, die Dealer aus dem Verkehr zieht und die die offene Drogenszene auflöst. Dazu brauchen wir eine solche Montagsrunde, wie auch immer man sie hier in Hamburg nennen möchte. Frau Roth, ich bitte, daß Sie uns heute darüber aufklären, was die BAGS zu diesem Punkt plant und was Sie machen werden.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Zamory.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir brauchen mehr Koordination zwischen den Säulen der Drogenpolitik, die wir in Hamburg vereinbart

(Dr. Martin Schäfer SPD)

haben. Es gibt viele Runden, das ist schon dargestellt worden. Eine kompetente Entscheidungsrunde, wie sie in der „Welt“ am Samstag dargestellt wurde, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Wenn wir uns erinnern, hat es so eine Runde im Ansatz in Hamburg auch schon mal gegeben. Ende der achtziger Jahre gab es eine Runde von Suchthilfeträgern, Drogenreferat, Landesstelle gegen Suchtgefahren, Polizei und Staatsanwaltschaft, die aber dann, als Herr Bossong Drogenbeauftragter wurde, nicht weitergeführt wurde. Ich denke, daß die jüngsten Ereignisse in Hohenfelde deutlich zeigen, daß es Akzeptanzprobleme gibt, die besser gelöst werden können, wenn sich die Beteiligten – dazu rechnen wir auch die Suchthilfeträger – verbindlich absprechen und auch gemeinsam handeln.

Ich möchte noch einmal darstellen, was in Frankfurt über zwölf Jahre so gut geklappt hat. Das erste war, daß die dort Beteiligten einander vertrauten und deshalb Alltagsprobleme besser, einvernehmlicher und schneller regeln konnten. Sie haben aber mehr getan. In dieser legendären Frankfurter Montagsrunde war es möglich, einen Rahmenplan zur Gestaltung der Drogenpolitik zu erstellen und auch die Weiterentwicklung des Suchthilfesystems ständig zu diskutieren und dann auch umzusetzen. In der Montagsrunde erging innerhalb eines dreiviertel Jahres der Auftrag an das Drogenreferat der Stadt Frankfurt, einen Vorschlag zur Behandlung der Crackproblematik zu machen, und ein dreiviertel Jahr später gab es den Ruheraum mit der sogenannten nachlaufenden Straßensozialarbeit, bei der Crackpatienten, wenn sie in die Erschöpfungsphase fielen, in diesem Ruheraum quasi begleitet werden konnten und vielleicht erstmalig für das Hilfesystem ansprechbar waren.

All das sind Erfolge, die sich, wie ich meine, auch in Hamburg – auch wenn Hamburg größer ist – wieder lohnen ins Leben zu rufen beziehungsweise sie neu auszuprobieren. Deshalb begrüßen wir es, egal wie sie heißt, daß diese Runde auf Hamburger Ebene wieder neu geschaffen werden soll. Wir werden sehr genau beobachten, welche Erfolge und Wirkungen wir dadurch erzielen, und werden des weiteren darauf achtgeben, damit die Suchthilfeträger, wenn es um solche Themen geht, wenigstens mit einbezogen werden.

All das reicht noch nicht aus. Ich möchte an die Gesundheitsausschußsitzung erinnern, in der die Suchtwissenschaftler aus Hamburg zu Gast waren, die vorgeschlagen hatten, neben einer solchen Entscheidungsrunde auch eine Diskussions- und Austauschrunde zu schaffen, in der sie ihre Erkenntnisse mit den Praktikern vor Ort diskutieren können. Das sind jedoch nicht nur die Suchthilfeträger, sondern selbstverständlich auch die Polizisten wie auch wir Politiker – wenn auch nicht als Praktiker – als Verantwortliche auf Bürgerschafts- und Bezirksebene.

Ich möchte vorschlagen, daß die Drogenbeauftragte vierteljährlich zu einem Jour fixe einlädt, bei dem Suchtwissenschaftler, Politiker der Bezirke und der Bürgerschaft sowie Polizisten und Suchthilfeträger miteinander ein bestimmtes Thema diskutieren. Das dient dazu, sich auszutauschen, sich kennenzulernen, und ich denke, daß auch dieser weiche Punkt der Koordination zusätzlich sinnvoll ist. Die Hamburger Drogenpolitik muß sich nicht verstecken, sie kann aber noch verbessert werden. Wenn sie an Effizienz und Schlagkraft zunimmt, um aktuelle Probleme zu lösen, finden wir das großartig. Zu glauben, Herr Wersich, daß die Repression allein besser umgesetzt wer

den kann, greift zu kurz. Die Drogenszene in Hamburg ist mit Repression allein und selbst mit besser koordinierter Repression nicht einfach wegzubeten oder unsichtbar zu machen.

(Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

Das sage ich Ihnen.

Trotzdem ist es auch eine bittere Lehre, die wir aus der Diskussion um den Standort Hohenfelde ziehen, daß mehr Kontakt mit den betroffenen Bürgern nötig ist, um die Akzeptanz für die Hamburger Drogenpolitik zu erhöhen. Das steht für uns außer Zweifel.

(Beifall bei der GAL und SPD – Wolfgang Beuß CDU: Hört, hört!)

Das Wort hat Frau Senatorin Roth.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe hier eine Liste von Gremien in unserer Stadt, die sich mit der Koordinierung der Drogenpolitik befassen.

(Antje Blumenthal CDU: Deswegen klappt sie nicht!)

Das beginnt mit den Senatoren, die für diesen Bereich zuständig sind, einschließlich dem Senator für Stadtentwicklung. Darüber hinaus gibt es einen interbehördlichen Koordinierungskreis Drogen, ferner zahlreiche Lenkungsgruppen zur Suchtprävention, zur Weiterentwicklung des Qualitätsstandards, Fachausschüsse für Drogen- und Alkoholsucht.

(Antje Blumenthal CDU: Sagen Sie doch mal etwas zum Erfolg!)

Es gibt auch Gremien zur Koordinierung beispielsweise in St. Georg und so weiter. Insofern hat der Abgeordnete Schäfer recht, in Hamburg gibt es eine ganze Reihe von Koordinierungskreisen

(Helga Christel Röder CDU: Die Koordinierungs- kreise koordinieren sich selbst!)

und Aktivitäten, die alle auf ihrer unterschiedlichen Ebene zusammenarbeiten. Es wäre gut, wenn das nicht nur im Einzelbereich stattfinden würde, sondern auch insgesamt.

Deshalb haben wir, die Senatoren, in der Senatorenrunde beschlossen, und das wird umgesetzt, daß es ein Gremium von Amtsleitern aus allen Bereichen geben soll, wozu anlaßbezogen auch die Träger gehören, die nicht nur koordinieren, sondern auch entscheiden können. Das ist eine Weiterentwicklung der gesamten Ebene der Koordination, daß es im Rahmen dieser Runde – dafür werden wir sicher auch noch einen Namen finden – nicht nur darum geht, zu koordinieren, sondern vor allen Dingen auch Entscheidungen zu treffen, und zwar regelmäßig. Dadurch wird man am Ball bleiben, um zu sehen, wie diese Maßnahmen umgesetzt werden, welchen Erfolg sie haben und ob man noch weitere Maßnahmen durchführen muß.

Allein zu glauben, daß sich damit die Entwicklungen im Bereich der Drogenhilfe so verändern, daß wir von heute auf morgen eine andere Situation haben, ist, glaube ich, falsch. Wir alle haben die vier Säulen unserer Drogenpolitik im Kopf – ich will sie nicht noch einmal wiederholen –, und alle müssen zusammenarbeiten. Daher geht es darum, das Hilfesystem so zu entwickeln, daß es bei den Menschen

(Peter Zamory GAL)

A C

B D

ankommt, und auf der anderen Seite die Repression so zu organisieren, daß es in der Stadt auch sichtbar wird. Das zusammengenommen ist richtig und notwendig. Aber daran zu glauben, daß diese Runden allein all das verändern, wäre falsch. Trotz allem glauben wir, daß es ein solches Gremium geben muß, um die Geschwindigkeit der Entscheidungsprozesse zu forcieren, und darum geht es uns jetzt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Jobs.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schäfer, Sie sprachen von den vier Säulen des Drogensystems. Sie waren doch im Gesundheitsausschuß dabei, als uns deutlich gemacht wurde, daß es in Hamburg einer fünften Säule bedarf, damit es tatsächlich zu einer vernünftigen Arbeit kommt. Die fünfte Säule braucht man in Hamburg für die Koordination. Das ist uns von allen Expertinnen und Experten deutlich gemacht worden, die sich zu diesem Thema zu Wort gemeldet hatten. Dann können Sie doch hier nicht sagen: Alles läuft bestens. Wir haben es jetzt am Eingeständnis der Behörde gehört, daß es genügend gibt, was nicht läuft. Eine Montags- oder Freitagsrunde, oder wie immer sie heißen mag, wird natürlich nicht alles besser machen und alle Probleme sofort lösen, aber sie gibt erst einmal die Gelegenheit, daß alle Akteure in diesem Hilfebereich zusammenkommen; und sie sollen auch alle zusammenkommen. Es reicht nicht, wenn sich nur der Fachrat trifft oder das interbehördliche Gremium, das sowieso nie zusammenkommt, sondern alle müssen an einen Tisch, damit es zu einem tatsächlichen großen Runden Tisch aller kommt, die mit diesem Thema befaßt sind, um dieses Hilfesystem, das in Hamburg bitter nötig ist, endlich voranzubringen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Wir wollen eine Koordination dieser Akteure nicht, um die Repression gegen alle Drogenkonsumenten voranzubringen, wie es die CDU offenbar beabsichtigt. Wir wollen, daß sich das Gremium an den Beispielen anderer Städte orientiert, um das Hilfesystem so voranzubringen, daß es den Konsumentinnen und Konsumenten die Hilfen anbieten kann, die sie brauchen. Daran muß immer wieder und weitergehend gearbeitet werden. Wir erleben es gerade bei der Crackproblematik, daß Angebote noch nicht gemacht werden können.

Konsequent weiter gedacht, Herr Wersich, würde so eine Weiterentwicklung des Hilfesystems derartige offene Szenen, wie Sie es nennen, abbauen helfen. Sehr schnell würde klar werden, daß es eine kontrollierte Abgabe aller Drogen geben muß, und zwar legal, und das würde viele Begleiterscheinungen dieser Szene sofort abbauen. In diesem Sinne muß es in Hamburg eine Weiterarbeit geben. Wenn ich Herrn Zamory recht verstanden habe, findet er es richtig, wenn die Gespräche zur Drogensituation vierzehntägig und nicht vierteljährlich als Jour fixe wie in Frankfurt stattfinden. Daher gehe ich davon aus, daß Sie zumindest diesem Antrag zustimmen, denn dieses wichtige Feld der Drogenpolitik – das ist hier in der Debatte auch deutlich geworden – braucht in Hamburg eine wesentlich bessere Koordination. Dafür ist unser Antrag ein vernünftiges Angebot. Ich gehe davon aus, daß Sie alle,

wenn Sie das Problem erkannt haben, unserem Antrag Ihre Zustimmung geben werden. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Herr Wersich.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Roth, entschuldigen Sie, aber war es Ihnen nicht – ehrlich gesagt – peinlich, hier wieder mit einer riesig langen Liste an das Pult zu treten und zu sagen, was es alles gibt? Die Schlußfolgerung wäre doch, daß Sie angesichts der offenbaren Mängel dieser Stadt trotz dieser Maßnahmen nicht fähig sind, die richtige Politik zu machen.