Protokoll der Sitzung vom 25.04.2001

Keinen Sinn macht es auch, immer wieder aus naheliegenden, aber dennoch sehr durchsichtigen politischen Gründen die sofortige Räumung dieses Gebäudes von angeblichen Besetzern zu fordern. Denn auch dafür bedarf es in einem Rechtsstaat zunächst einmal immer einer Rechtsgrundlage, die in diesem konkreten Fall durchaus zweifelhaft ist. Dabei ist schon allein die Behauptung, es handele sich um Besetzer, rechtlich höchst zweifelhaft und eher eine romantische Selbstüberschätzung der sogenannten Floristen. Denn niemand hat die Flora sozusagen im Handstreich besetzt. Vielmehr ist die Stadtteilkulturarbeit der Damen und Herren des Vereins Flora e.V., wie Sie wissen, nach dem Auslaufen ihres Mietvertrages im Jahre 1989 weiter geduldet worden. Dieser Zustand kann nur einen juristischen Laien – und dazu zählen wir natürlich den Herrn Oppositionsführer wirklich nicht – dazu veranlassen, zu glauben, eine sofortige Räumung des Gebäudes sei jederzeit möglich und anzuberaumen.

Nachdem in den frühen neunziger Jahren zahlreiche Vertragsverhandlungen unter verschiedenen Prämissen geführt wurden, die immer wieder scheiterten, schlug das Bezirksamt Altona nach dem Brand von 1995 und den ersten Sicherungsarbeiten am Gebäude 1996 einen gänzlich anderen Weg ein. Dabei kam es im Zuge der Brandfolgenbehebung unter beharrlichem Mitwirken der Dienststellen des Bezirksamtes Altona und der Feuerwehr zu Sicherungsmaßnahmen im Gebäude, die sich am Standard öffentlich-rechtlicher Normen messen lassen können. Insbesondere wurde dabei der Brandschutz nachhaltig verbessert, aber auch Lärmschutzauflagen wurden von den Nutzern umgesetzt, und die Verbesserung der hygienischen Zustände konnte erreicht werden.

Diese Maßnahmen, die im Laufe der Jahre zu genehmigungsfähigen Zuständen führten, waren im Interesse der

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke)

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Sicherheit der zahlreichen ganz normalen Besucher von Konzerten und Kulturveranstaltungen im Gebäude der Flora vordringlich wichtig. Nach Abschluß dieser öffentlich-rechtlichen Sicherungsmaßnahmen galt es, die Frage eines neuen Nutzervertrages zu lösen. Hierzu wurde dem Verein Flora e.V. im vergangenen Jahr – Sie alle wissen es – ein Mietvertragsentwurf zugeleitet, der zunächst auch im Kreise des Vereins ein gewisses Maß an Zustimmung fand. Das war nicht nur in den einschlägigen Publikationen der Flora nachzulesen, sondern das ergibt sich auch aus der Tatsache, daß die schließliche Absage zu dem Mietvertrag mehr als fünf Monate auf sich warten ließ. So lange hat man dort nämlich diskutiert.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Schlimm genug!)

Dieser Mietvertrag war im übrigen, auch wenn man das immer wieder liest und hört, alles andere als eine großzügige Geste des Senats. Kein anderes soziokulturelles Zentrum in dieser Stadt trägt die Bauunterhaltungskosten, so wie in dem Vertrag, der vorgesehen war, selbst. Jedes andere Stadtteilkulturzentrum erhält seine Mietausgaben in Form von Zuwendungen zurück.

(Dr. Stefan Schulz CDU: Die haben ja auch Einnah- men!)

Insofern war angesichts des tatsächlichen Zustandes des Gebäudes auch eine völlig korrekt errechnete Mietpreisforderung erhoben worden. Da aber die Damen und Herren des Flora-Vereins erkennbar Mühe hatten, ihre Verhandlungsposition zu diesem Mietvertragsentwurf zeitnah zu konkretisieren, hielten die Verhandlungsführer der Stadt es für angezeigt, neben der Option Mietvertrag auch andere Handlungsoptionen zu eröffnen. Dazu gehörten einige, die am Ende nicht zum Tragen kamen. Diese Möglichkeiten wurden dennoch mit Vertretern des Vereins beziehungsweise den Nutzern, ob nun mit oder ohne Mandat eines Plenums ausgestattet, ausgelotet, etwa Vereins-, Stiftungs- und Genossenschaftsmodelle. Am Ende aber standen schon frühzeitig auch konkrete Gespräche über die Möglichkeiten eines Verkaufs des Gebäudes im Raum.

Dank des Verhandlungsgeschicks der städtischen Unterhändler standen dafür mehrere Personen zur Verfügung, von denen am Ende mit zwei Personen Verträge paraphiert werden konnten. Der Senat hat sich – Sie alle wissen es – schließlich für denjenigen Käufer entschieden, der nicht nur einen vernünftigen Kaufpreis geboten hat, sondern auch die größtmögliche Gewähr dafür bietet, mit dem sensiblen Objekt sachgerecht und angemessen umzugehen. Der Senat hat aber mit Dankbarkeit festgestellt, daß es neben Herrn Klausmartin Kretschmer auch andere, unserer Stadt wohlverbundene Mäzene gibt, die sich in dieser Frage um eine quartiersverträgliche Lösung bemüht haben.

Ein paar Anmerkungen gestatten Sie mir zu dem am Ende abgeschlossenen Vertrag mit Herrn Kretschmer. Der ausgehandelte Kaufpreis – wir durften es auch heute wieder hören – ist bei weitem kein Schnäppchenpreis. Er ist im Gegenteil auf sehr reeller Grundlage errechnet und erarbeitet. Das Gebäude steht in den Resten, in denen es noch existiert, auf dem Boden eines Fünfziger-Jahre-Baustufenplans, der es als Fläche für besondere Zwecke ausweist. Auf Teilen dieser Fläche ist vor einigen Jahren sozialer Wohnungsbau errichtet worden. Andere Teile sind einer benachbarten öffentlichen Grünanlage zugeschlagen worden. Von daher hat jeder Erwerber dieses Gebäudes, auch, wenn man denn nur den nackten Grund und Boden be

trachtet, keinerlei Baurecht in Aussicht, das für dieses Grundstück eine besondere Attraktivität oder attraktive Nutzung brächte. Die Berechnung des Preises ist angelehnt an die Umgebung des sozialen Wohnungsbaus, denn kulturelle Einrichtungen, wie zum Beispiel Stadtteilkulturzentren, sind sogenannte Wohnfolgeeinrichtungen und können vom Bodenpreis her nur analog berechnet werden. Wertmindernd müssen natürlich noch die Abrißkosten mit einberechnet werden, und so ist der errechnete Kaufpreis einschließlich der Beträge der Feuerkasse, die ja noch bereitliegen und nicht an Herrn Kretschmer ausgekehrt werden, von insgesamt über 700 000 DM abzüglich potentieller Abbruchkosten ein voll und ganz im üblichen Rahmen liegender Preis.

Was die Nutzung anbelangt, haben sich alle Kaufinteressenten, insbesondere aber der, mit dem der Vertrag paraphiert und abgeschlossen worden ist, dauerhaft mit dem Fortbestand der jetzigen Nutzung als Stadtteilkulturzentrum einverstanden erklärt. Auch im Falle einer eventuellen Weiterveräußerung des Grundstücks ist der jetzige Käufer verpflichtet, alle Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag an einen neuen Käufer weiterzugeben. Dazu gehören insbesondere die hier schon erwähnte Nachleistungspflicht, falls eine höhere Ausnutzung irgendwann einmal – in absehbarer Zeit ist das nicht zu erkennen – von der Stadt zugestanden werden sollte. Im übrigen, um es ganz wasserdicht zu machen, ist die Nutzungsbindung auch grundbuchlich gesichert. Die weiteren Details ergeben sich aus der Ihnen vorliegenden Drucksache.

Noch ein Wort erlauben Sie mir zur weiteren, vor allem politischen Zukunft der Flora und ihres Betriebes. So wichtig und notwendig der Abschluß des Kaufvertrages war und ist, so ist damit natürlich nicht vermacht – und niemand hat dies behauptet –, daß es künftig keinerlei Auseinandersetzung mehr um die Flora geben wird. Aber das doch etwas krampfhafte Feindbild der Nutzer der Flora, das sich insbesondere gegen unsere staatlichen Institutionen wendet, ist den Damen und Herren damit sozusagen abhanden gekommen. Natürlich – auch das muß man hier noch einmal sagen – kann sich ein Eigentümer von einer Immobilie trennen, aus welchen Gründen auch immer. Das kann er auch dann, wenn Sie, lieber Herr von Beust, sich darüber ärgern und auch Frau Uhl das tut, wenn auch aus gänzlich unterschiedlichen Gründen.

(Ole von Beust CDU: Unbestritten!)

Im Zusammenhang mit zahlreichen positiven Entwicklungen in den zurückliegenden Monaten im Schanzenviertel ist diese Privatisierung der Flora ein geeigneter Schritt, um im Quartier eine langfristige, nachhaltige Beruhigung zu erreichen, denn es ist bei weitem nicht so, daß sich die Menschen im Stadtteil mehrheitlich gegen ein Stadtteilkulturzentrum in der Flora wenden. Vielmehr handelt es sich um einen in Teilen durchaus auch kulturell angesehenen Treffpunkt, der von weiten Bevölkerungskreisen angenommen wird. Von daher mußte es beim Finden einer Lösung auch darum gehen, die großstadtverträglichen und großstadtgemäßen Aspekte der gegenwärtigen Flora-Nutzung zu erhalten. Gleichzeitig wird es natürlich immer unsere Sorge sein und immer unsere Aufmerksamkeit erfordern, exzessiven Ausformungen, die die Regeln unseres Rechtsstaates tangieren, deutlich zu begegnen. Auch dafür hat dieses Vertragswerk, das wir Ihnen heute zur Annahme vorgelegt haben und um dessen Annahme wir bitten, eine neue Grundlage geschaffen. In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal sehr herzlich bei denen bedanken, die beim Zustandekommen dieses Vertrages hilfreich waren.

(Senatorin Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit)

Zum Schluß: Wie schön, lieber Herr von Beust, daß wir endlich darin übereinstimmen, daß die Hafenstraße dauerhaft und wirksam befriedet worden ist

(Ole von Beust CDU: Befriedet ja! Ob dauerhaft, weiß ich nicht!)

auch das muß man sich einmal vor Augen führen –, die Hafenstraße, die übrigens mit unserem heutigen Thema nichts zu tun hat. Auch die Randale von Montag ist nach meinen Informationen gänzlich anders zu verorten als auf einer Achse, die Sie sich vorstellen: Schanzenstraße, Hafenstraße.

(Ole von Beust CDU: Das hat der Verfassungs- schutzchef gesagt! Sie müssen mehr Radio hören!)

Ich kenne ganz andere Menschen, die dafür verantwortlich gemacht werden.

Wir kommen noch einmal zurück zu der von Ihnen so gelobten Hafenstraße. Die mühsame Konstruktion eines Unterschiedes, die Sie gebracht haben, dort Kultur, hier Wohnen oder umgekehrt, trägt doch nicht.

(Ole von Beust CDU: Das ist ein Unterschied!)

Ich kann nur sagen, daß es Ihnen sehr spät eingefallen ist, daß es diesen Unterschied gibt und daß der etwas ausmachen könnte, denn ich habe noch ganz genau Ihre Kassandrarufe im Ohr, wie es denn gräßlich mit der Hafenstraße enden wird.

(Ole von Beust CDU: Da saß ich noch gar nicht hier!)

Da Kassandra sich damals geirrt hat, wollte ich mit Ihnen allen zusammen die Bitte und die Hoffnung aussprechen, daß Kassandra so fortfahren möge. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Dobritz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dies ist ein Thema, bei dem man häufig ein wenig hin- und hergerissen wird, wenn man sich an der Diskussion beteiligt. Man merkt dann später, daß man eigentlich zu denen gehört, die auf der richtigen Linie liegen. Wir haben es eben erlebt. Herr von Beust nennt es Dumpingpreis und Frau Uhl nennt es reinen Kapitalismus. Da, denke ich mir, ist der Wert, den wir erzielt haben, vermutlich der richtige.

Ich hatte ein weiteres ähnliches Erlebnis. Viele von uns müssen oder dürfen in der Dienstags-Sendung „Schalthoff live“ teilnehmen. Letzten Dienstag hatte ich die Möglichkeit, bei der Diskussion über eine Metropole mit Herrn Hunke, aber darüber hinaus mit dem Chef der TourismusZentrale und dem Geschäftsführer von Stage-Holding – das ist das Unternehmen, das auf der anderen Seite der Elbe ein Musical macht und demnächst gerne noch zwei Musicals bauen möchte – ins Gespräch zu kommen.

Die beiden mußte ich in der Diskussion auf den Boden zurückbringen, weil sie den Fernsehzuschauern dramatisch erzählten, wie wichtig es sei, daß eine Metropole so etwas wie das Schanzenviertel hat. Sie erklärten darüber hinaus auch noch, daß es beim japanischen Tourismus nach Hamburg die klare Vorgabe gibt, mit dem Bus an der Hafenstraße entlang zu fahren.

Warum ist das so? Das ist genau aus dem Grund so, Herr von Beust, den Sie genannt haben: In den Bussen wird den Touristen erklärt, daß es Hamburg gelungen sei, über einen Zeitraum von 13 Jahren – das war zwar ein schmerzlicher Prozeß,

(Ole von Beust CDU: Teuer!)

das gebe ich zu –, am Ende einen erfolgreichen Dialog organisiert zu haben, der zu einer Befriedung der Situation geführt hat. Es ist erstaunlich und mit dem Hinweis zu verbinden, daß Hamburg solche Fragen anders gelöst hat, als sie teilweise in Sao Paulo oder in Los Angeles gelöst wurden. Das ist positiv.

Insofern, Herr von Beust – hier muß ich auch Herrn Schmidt widersprechen –, ist es kein unsensibler Akt gewesen, die Teilnehmer eines Medienkongresses – der übrigens Mediendialog heißt –

(Dr. Martin Schmidt GAL: Der heißt nur so!)

dort feiern zu lassen. Es ist nicht unsensibel, sondern gut, an dem Ort rund 1000 Menschen feiern zu lassen, die aus allen Medienbereichen kommen. Der Kongreß hat mit einem Durchschnittsalter von zwischen 30 und 35 Jahren die jüngsten Teilnehmer.

Warum man den Ort gewählt hat, ist klar. Auf der anderen Seite der Elbe wurde an diesem Abend an der Außenwand des Docks 10 der Werft Blohm+ Voss ein Kunstwerk „Das neue Hamburg und seine Partnerstädte“ enthüllt. Es hat auch etwas mit Dialog zu tun, dort zu feiern und dieses Kunstobjekt anzuschauen.

Es war ein guter Ort. Nebenbei gesagt, Frau Uhl, feiern wir in Hamburg dort, wo es möglich ist und wo wir dazu Lust haben, aber nicht dort, wo es die Gruppe REGENBOGEN für sinnvoll erachtet. Das ist klar.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch etwas zu Herrn Schmidt sagen. Es ist mitunter so, daß man sich bei der Verbreitung von Vorurteilen genauso fahrlässig mitverantwortlich macht wie die, die diese Vorurteile produzieren. Auf diesem Fest ist kein Champagner getrunken worden, sondern schnödes Bier.

(Dr. Roland Salchow CDU: Das ist ja nicht kulturell!)

Darüber hinaus war das Fest auch sehr anspruchsvoll.

Frau Uhl, zu Ihrem Zwischenruf, warum dort keine Menschen aus der Szene mitgefeiert haben: Es haben sehr viele aus der Szene mitgefeiert. Der Inhaber des Pudelclubs, den Sie kennen, war eingeladen und hat sich dort sehr wohl gefühlt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Andere Teilnehmer der Mediennight haben im Pudelclub mitgefeiert. Das hat gut geklappt. Zu einem Punkt möchte ich – die Senatorin hat darauf hingewiesen – etwas ausführlicher Stellung nehmen, daß nämlich andere verantwortlich seien.

Die dortige Auseinandersetzung hat mit der Hafenstraßenszene überhaupt nichts zu tun; das ist richtig. Hier ist in der letzten Phase vor Durchführung der Veranstaltung von Menschen gezündelt worden, weil sie andere Interessen verfolgen, die zum Beispiel etwas mit der Nutzung des Fictionparks oder des Antonioparks zu tun haben.

Wer darauf setzt und derartige Zündeleien vornimmt, ist als Ansprechpartner für diese Stadt immer weniger brauchbar