Protokoll der Sitzung vom 25.04.2001

(Eleonore Rudolph CDU)

In allen Redebeiträgen wurde gesagt, daß wir die Hospize wollen und unterstützen. Frau Koppke hat sogar noch mehr gefordert. Ich habe mit einem Nebensatz erwähnt, daß die Finanzierung sehr schwierig ist und auf wackeligen Füßen steht. Das ist der Punkt, den ich genauer ansprechen möchte.

Die Hospize rechnen zur Zeit mit den Krankenkassen einen Tagessatz von 430 DM ab. Der Träger ist gehalten, 10 Prozent dieser Kosten selbst aufzubringen. Das heißt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Hospizes, die wirklich eine schwere Arbeit leisten, müssen nebenbei immer diese Summe von 10 Prozent erbringen. Für das Hospiz „Leuchtfeuer“ müssen beispielsweise durch Spenden etwa 500 000 DM im Jahr aufgebracht werden.

Man stelle sich einmal vor, daß Krankenhäuser eine solche Verpflichtung haben. Es ist unvorstellbar. Ich weiß, dies ist in Bundesgesetzbüchern festgehalten. Aber Gesetze sind auch dazu da, daß man sie hinterfragen muß. Wenn sie so sind, wie in diesem Fall, dann sollte man daran arbeiten, sie eventuell zu verbessern. Wenn wir uns fraktionsübergreifend einig sind, daß Hospize notwendig sind, dann müssen wir an den Finanzierungsmöglichkeiten arbeiten und sie verbessern.

Es war mir sehr daran gelegen, dieses noch einmal deutlich zu machen, weil es der Öffentlichkeit nicht bekannt ist.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der GAL)

Weitere Wortmeldungen zum zweiten Thema sehe ich nicht. Ich frage die antragstellende Fraktion, ob sie das dritte Thema für eine Minute aufgerufen wünscht? – Das ist erkennbar nicht der Fall. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe nunmehr die Punkte 2 bis 4 auf: Drucksachen 16/5576, 16/5591 und 16/5592: Wahlen von Deputierten der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung, Behörde für Inneres sowie der Umweltbehörde.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung – Drucksache 16/5576 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Inneres – Drucksache 16/5591 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Umweltbehörde – Drucksache 16/5592 –]

Die Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten Felder für die Zustimmung, Ablehnung und Wahlenthaltung. Kreuzen Sie bitte auf jedem Zettel nur ein Kästchen an. Mehrere Kreuze beziehungsweise weitere Eintragungen oder Bemerkungen führen zur Ungültigkeit. Ich bitte Sie nunmehr, Ihre Wahlentscheidung vorzunehmen.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Meine Damen und Herren! Sind alle Stimmzettel abgegeben? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden ermittelt und Ihnen im Laufe der Sitzung bekanntgegeben.

Ergebnis siehe Seite 4866 B.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Drucksache 16/5687, Große Anfrage der CDU-Fraktion zum Thema: „Was ist los im Hamburger Strafvollzug?“

[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Was ist los im Hamburger Strafvollzug? – Drucksache 16/5687 –]

Wer wünscht das Wort? – Die Abgeordnete Spethmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Was ist los im Hamburger Strafvollzug?“ fragen zu Recht viele besorgte Hamburger Bürgerinnen und Bürger.

Die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage offenbart eklatante Probleme und Sicherheitsrisiken im Hamburger Strafvollzug. Die Zahlen, die der Senat hier vorträgt, belegen eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit der Bürger durch entwichene Gefangene.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren! Ich wollte nur die Unruhe bei allen Fraktionen ein wenig dämpfen.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Der Ton ist zu leise! Es liegt nicht nur an der Unruhe!)

Auf den Zuruf des Abgeordneten Ehlers räume ich ein, daß wir die Lautsprecheranlage vielleicht etwas rauf- und die Stimmen etwas runterfahren sollten. Dann stimmt es.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Immer diese Harburger!)

Allein in den Jahren 1998 bis 2000 haben 233 Gefangene Fluchtversuche unternommen. 42 von ihnen, also ein Fünftel, befinden sich bis heute auf freiem Fuß. Diese zum Teil hoch gefährlichen Straftäter stellen ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung Hamburgs dar. Die Bewachung der Gefangenen muß daher deutlich, auch unter Einsatz modernster Technologien, verbessert werden.

In den Jahren 1997 bis 2000 sind insgesamt 993 Gefangene aus Urlaub, Ausgang oder Freigang nicht oder nicht rechtzeitig zurückgekehrt. Ich wiederhole noch einmal: Fast 1000 Gefangene sind nicht rechtzeitig oder gar nicht zurückgekehrt.

(Dr. Roland Salchow CDU: Das ist ja unglaublich!)

Am Stichtag, dem 1. Februar 2001, waren 194 Gefangene unrechtmäßig abwesend. 128 von diesen mehr als ein Jahr, also zwei Drittel der entwichenen Gefangenen waren länger als ein Jahr nicht anwesend. Das kann nicht wahr sein. Auch diese Straftäter bedrohen die Sicherheit der Hamburger Bürger.

Vor diesem Hintergrund ist die Gewährung von Vollzugslockerung dringend zu ändern. Es kann nicht angehen, daß – wie der Senat selbst einräumt – ein Gefangener, der bereits gegen Freigangsvorschriften verstoßen hat, nach einer Ermahnung kurze Zeit später wieder Freigang erhält und natürlich wieder nicht zurückkehrt. Die bisherige Praxis zeigt, daß berechtigte Sicherheitsinteressen der Bürgerinnen und Bürger vom Senat und von der Justizsenatorin nicht genügend ernst genommen werden.

Grundsätzlich muß insoweit auch mehr, als es bisher der Fall war, bei Vollzugslockerungen externer Sachverstand

(Petra Brinkmann SPD)

zur Beurteilung des Sicherheitsrisikos eingeholt werden. Es gilt insbesondere, daß auch die Vollzugsbediensteten mehr unterstützt werden müssen.

Die Belegungssituation in den Hamburger Justizvollzugsanstalten ist katastrophal. Die Anstalten sind zum Teil deutlich überbelegt, und noch immer sind viel zu viele Gefangene in Sälen mit bis zu acht Gefangenen untergebracht. Diese Art der Unterbringung begünstigt die Entstehung von Aggressionen und Gewalt, die sich untereinander im Jahre 2000 in über 100 Fällen, aber auch gegenüber den Bediensteten in weiteren Fällen dargestellt haben. Häufig beschweren sich Gefangene, die an Schulungsmaßnahmen teilnehmen, sie könnten sich wegen der Situation in diesen Gruppenunterkünften nicht auf Arbeiten vorbereiten und lernen. Aber gerade eine schulische und berufliche Ausbildung ist eine hervorragende Resozialisierung von Straftätern, die das Strafvollzugsgesetz auch vorsieht. Insbesondere entstehen in diesen Sälen auch eigene kriminelle Strukturen. Zum Teil trauen sich Vollzugsbedienstete gar nicht mehr in diese Säle hinein. Sie müssen sich vorstellen, daß acht Hochkriminelle in einem solchen Saal festgehalten sind. Da traut sich ein einzelner Beamter nicht hinein.

Diese Gemeinschaftsunterkünfte müssen zurückgebaut werden. Die CDU-Fraktion fordert seit geraumer Zeit die Abschaffung der Saalunterbringung. Es geht hier zu langsam.

Der Senat geht auch bei seinen Planungen zur Erweiterung der Haftkapazitäten generell von falschen Vorstellungen aus. Hamburg braucht mehr Haftplätze im geschlossenen Vollzug, denn gerade in diesem Bereich herrscht die größte Überbelegung. Die geplante geschlossene Vollzugsanstalt, mit deren Bau erst 2004 begonnen werden soll, kommt also viel zu spät.

Der Ausländeranteil in den Justizvollzugsanstalten ist extrem hoch. Im geschlossenen Vollzug beträgt dieser weit über 40 Prozent. Zur Entlastung des Strafvollzuges ist es darum unerläßlich, ausländische Strafgefangene wesentlich früher als bisher zur weiteren Strafverbüßung in ihr Heimatland zu verlegen. Von der Möglichkeit, bei Ausländern Abstand von Strafverfahren und Strafvollzug zu nehmen, wenn Auslieferung, Ausweisung und Strafvollstreckung in den Heimatstaat erfolgen können, wurde bislang – wohl aus Rücksichtnahme auf die GAL – nicht in ausreichendem Umfang Gebrauch gemacht.

Künftig müssen auch noch verstärkter die Möglichkeiten zur Vermeidung ersatzfreier Strafen durch Ableistung gemeinnütziger Arbeit genutzt werden. Dies ist eine alte Forderung der CDU. Indem der Senat diese desolaten Zustände im Hamburger Strafvollzug toleriert, verletzt er seine Fürsorgepflicht gegenüber den friedlichen Gefangenen, die Opfer von Gewalttaten werden, aber auch gegenüber den Bediensteten im Strafvollzug, die im Rahmen ihres Dienstes Verletzungen erleiden, und das nicht gerade wenig im geringen Maße der Erheblichkeit.

Der Senat behauptet, gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Gefangenen seien auch durch eine stärkere Präsenz von Vollzugsbediensteten nicht auszuschließen. Es tut mir leid: Natürlich sind sie auszuschließen. Wenn sich teilweise Beamte nicht trauen, über Stunden hinweg einen bestimmten Flügel zu betreten, weil sie dort alleine sind, dann ist das ein Skandal, denn dort sind die Gefangenen aufeinander angewiesen beziehungsweise werden aufeinander losgelassen, und das kann nicht sein.

(Dr. Roland Salchow CDU: So ist es! Tatsächlich hat die Justizsenatorin anläßlich der Amtsein- führung des neuen Leiters des Strafvollzugsamtes vor ei- nigen Wochen auch eingeräumt, daß die Personaldecke im Strafvollzug aufgrund der Haushaltskonsolidierungsmaß- nahmen erheblich angespannt ist. In der Antwort auf un- sere Große Anfrage gibt der Senat zu, daß die Personal- planung für die Justizvollzugsanstalten in der Vergangen- heit nicht bedarfsgerecht vorgenommen worden ist. Sie kann auch in Zukunft nicht vorgenommen werden, und das ist ein Skandal. Konsequenzen aus dieser Einsicht wurden aber bisher nicht gezogen. Der Senat läßt die Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter des Strafvollzuges vielmehr mit den Problemen allein. Die Folge: Die Stimmung unter den Mit- arbeitern des Strafvollzuges ist schlecht. Die Belastung und der Krankenstand extrem hoch, teilweise bis zu 30 Prozent. Der Senat muß endlich auch diese Bedürfnisse der Mitar- beiter im Strafvollzug ernst nehmen. Der allgemeine Voll- zugsdienst und der Werkdienst müssen personell verstärkt werden. Die Bewachungsanlagen müssen technisch so aufgerüstet werden, daß das Personal in diesen Bereichen entlastet wird. Darüber hinaus muß nachgedacht werden, inwieweit die Besoldungsstruktur zur Motivation der Be- diensteten dringend verbessert werden kann. Der Senat muß auch dringend auf die veränderten Struk- turen in den Justizvollzugsanstalten reagieren. Immer mehr Straftäter aus osteuropäischen Ländern sitzen im Ham- burger Strafvollzug ein. Die Hemmschwelle dieser Straftä- ter ist sehr niedrig, und sie neigen zum Teil zu äußerster Brutalität. Hier scheitert eine Resozialisierung nach dem Strafvollzugsgesetz. Hier geht es um Erstsozialisierung und ganz neue Strukturen, auf die wir eingehen müssen. Ein Konzept für den Umgang mit dieser Tätergruppe fehlt bis heute jedoch völlig. Damit nimmt der Senat leichtfertig Gesundheitsverletzungen von Bediensteten und anderen Gefangenen durch Angriffe dieser Straftäter in Kauf. Neben einem allgemeinen Handlungskonzept kann hier auch eine Verbesserung der Binnendifferenzierung nach Gefährlich- keit und Gefährdungsgrad der Gefangenen Abhilfe schaf- fen. Aber auch auf die veränderte Drogenproblematik weiß der Senat nicht adäquat zu reagieren. Zu diesem Thema hört man lediglich häufiger: Eine drogenfreie Justizvollzugsan- stalt könne es heute nicht mehr geben. Hier müssen wir ansetzen. Es muß das Ziel sein, daß wir eine drogenfreie Haftanstalt haben. Die Antwort des Senates zeigt, daß im- mer mehr harte Drogen gefunden werden. Insbesondere Kokain- und Crack-Konsum macht die abhängigen Ge- fangenen noch aggressiver. Der Senat steckt vor dieser Herausforderung den Kopf in den Sand. Auch hier nützt mehr Personal für mehr Durchsuchungen und ähnliches. (Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Dann werden sie alle clean mit mehr Perso- nal?)

Neben verstärkten Kontrollen müssen verstärkt Therapiemöglichkeiten angeboten werden. Die Anbieter externer Suchtberatungen müssen gestärkt und nicht weiter abgebaut werden, wie es zur Zeit der Fall ist. So kann man des Problems nicht Herr werden. Der Senat läßt den Strafvollzug verkommen. Die Sicherheit innerhalb und außerhalb der Justizvollzugsanstalten ist wegen der zahlreichen Versäumnisse des Senates gefährdet. Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Vollzugsbediensteten

(Viviane Spethmann CDU)

werden in Hamburg nicht genügend ernst genommen. Vor diesem Hintergrund kann in unseren Justizvollzugsanstalten auch keine Resozialisierung stattfinden. Daher ist die Rückfallquote entlassener Strafgefangener immens hoch. Wesentliche Probleme werden entweder falsch angegangen oder völlig ignoriert.

Ein CDU-geführter Senat wird die von mir beschriebenen notwendigen Maßnahmen zur Stärkung des Strafvollzuges ergreifen, die Sicherheit innerhalb und außerhalb der Strafvollzugsanstalten deutlich erhöhen und eine wirksamere Resozialisierung der Straftäter als bisher ermöglichen, an der uns gelegen ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Kretschmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Spethmann, ich glaube, Sie müssen Herrn Professor Karpen während seiner Abwesenheit nicht unbedingt nachmachen.