Protokoll der Sitzung vom 25.04.2001

„die bei einem privaten Grundeigentümer voraussichtlich nicht gegeben wären.“

Na gut, warten wir ab. Jedenfalls gibt es in Zukunft nicht mehr die Schwierigkeiten zwischen den Floristen und dem Staat, weil der Staat, der sowieso eigentlich nicht mehr der Hauptfeind ist, dann auch als realer Grundbesitzer wegfällt.

(Heiterkeit bei Dr. Holger Christier und Dr. Andrea Hilgers, beide SPD)

Das wird neue Taktiken der Floristen zur Folge haben – ich bin neugierig –, und es fällt in der Tat die allgemeine Empörung weg, daß auf Staatsgrund Leute arbeiten und etwas organisieren können, die den Staat nicht lieben. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Ich vermute, daß die Liebhaber des Staates in diesem Land sowieso in der Minderheit sind, aber dies sind nun spezielle Nichtliebhaber des Staates. Sie sollen dort auch leben bleiben können und ihr Stadtteilkulturzentrum weiterführen. Es ist offensichtlich so – das hat die Debatte um die Verkaufsverhandlungen ergeben –, daß dieses Stadtteilkulturzentrum im Schanzenviertel durchaus akzeptiert, wenn nicht sogar beliebt ist.

(Anja Hajduk GAL: Stimmt!)

Dagegen habe ich noch nie etwas gehört. Selbst nach solchen Affären wie im vorigen Mai stellt sich immer wieder heraus, daß Ihre Forderung, Herr von Beust, das müßte jetzt unbedingt abgerissen werden, im Viertel selbst beileibe nicht populär ist. Deswegen lassen wir das in Zukunft ruhig etwas anders stattfinden. Ich finde, das ist gut so.

Nun haben Sie noch eingewandt, das sei ein Dumpingpreis. Auch hier glaube ich nicht, daß man Stadtteilkulturzentren auf dem Markt beliebig hin und her handeln kann. Da gibt es bestimmte Probleme, die der Senat in der Frage

der Bewertung auch dargestellt hat. Sie könnten ja ein neues Angebot liefern, wenn Sie meinen, 370 000 DM seien viel zuwenig.

(Vereinzelte Heiterkeit bei der SPD, der CDU und der GAL)

Es kann ja einer kommen, der das Doppelte bietet.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD – Ole von Beust CDU: Sie überschätzen mein Einkom- men!)

Dann bin ich gerne bereit, die Frage mit Ihnen neu zu erörtern, ob der Staat hier etwas verschenkt.

Nun kommt noch der letzte Zwischenfall, der Hafenstraßen-Gedenkgottesdienst vom letzten Montag. Das hatten wir alles schon einmal. Warum irgendwelche Leute von irgendwelchen Medienschaffenden oder Messeorganisationen geglaubt haben, das sei am Montag abend direkt vor der Hafenstraße besonders nützlich und dann noch mit Erlaubnis oder Nichterlaubnis des Bezirksamtes ein bißchen Sträucher beseitigen, entzieht sich meiner Einschätzung. Ich halte das natürlich auch für ziemlich unsinnig, so etwas zu machen. Aber, wenn dann schon Zwischenfälle drohen – es gab ja, wie ich gehört habe, ein Flugblatt, das wahrscheinlich oder sicher gefälscht war,

(Ole von Beust CDU: Wahrscheinlich ist gut!)

mit dem die Anwohner zum Champagner eingeladen wurden –, warum hat man das nicht aufgegriffen? Warum gab es nicht auf beiden Seiten der Barrikade Champagner?

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Weil man keine Chao- ten haben will!)

Was wäre denn passiert, wenn die Veranstalter, anstatt die Polizei um Hilfe zu rufen, selbst Ideen gehabt hätten, wie man mit möglichen Unruhen umgeht? Was wäre denn passiert, wenn die Veranstalter beschlossen hätten, tatsächlich ernst zu nehmen, in welchem Stadtviertel sie das organisieren? Vielleicht dürfen wir auch von solchen Leuten in Zukunft mehr Phantasie erwarten. Die ganze Medienwirtschaft soll doch die Fortschrittlichste und Bedeutendste der Zukunft sein. Warum fällt denen nicht ein, wie man mit so etwas schlauer umgeht, als daß man die Polizei um Hilfe ruft und sich dann nachhaltig im Stadtteil unbeliebt macht. Also erwarten wir auch in dieser Frage in Zukunft Besseres. Ansonsten, Herr von Beust, haben sich die Fronten geändert.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Uhl.

Ich gebe zu, daß ich gelegentlich die Reden von Martin Schmidt gerne höre, und hänge auch immer an seinen Lippen, wenn er versucht zu argumentieren.

(Erhard Pumm SPD: Kommen Sie mal zur Sache!)

Jetzt komme ich zur Sache. Ich finde, Martin Schmidt hat argumentiert, aber eigentlich nicht für einen Verkauf, sondern, warum ein Verkauf nicht so schlimm ist und man es passieren lassen könnte. Nun ist solch eine Entscheidung, wie wir sie heute treffen, schon ein bißchen so, daß man sagen sollte, warum man dafür oder mit falschen Argumenten dagegen ist.

(Dr. Martin Schmidt GAL)

(Heiterkeit bei Dr. Martin Schmidt GAL und beim Ersten Bürgermeister Ortwin Runde)

Okay, selbst gestellte Falle. Die richtigen Argumente, die dagegen zu sagen sind, kommen trotzdem noch, weil es die nämlich auch gibt. Der Bürgermeister kriegt sich nicht mehr ein. So etwas haben wir noch nicht erlebt. Klappt es wieder?

(Beifall bei Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Dann versuche ich es jetzt, weil der Bürgermeister nämlich auch einer ist, der sich zu dem Verkauf sehr viel geäußert hat. An ihm ist auf der Pressekonferenz auch deutlich geworden, daß dieser Verkauf wieder einmal die schlechten Angewohnheiten der Regierenden zutage fördert. Ich erzähle Ihnen das gerne.

Der Bürgermeister saß auf der Pressekonferenz

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Hat er schon wieder ge- lacht?)

und hat dann so richtig mit der Arroganz der Macht erklärt, wie lächerlich er es findet, daß man mit den Nutzerinnen über so etwas wie den Verkauf redet, weil das eigentlich die Sache der Herrschenden sei. Ich finde, das ist die alte Politik: Dialog? Nein danke, machen wir nicht. Statt dessen wissen wir, daß wir Ordnungshüter haben. Das war übrigens dann auch die Situation, die wir am Montag vorgefunden haben.

In einem Punkt, finde ich, hat der Senat recht. Der Verkauf ist ein ganz normales kapitalistisches Geschäft, und das ist so ziemlich die einzige Aussage, die ich mit dem Bürgermeister teile, und so ist der Käufer dann eben auch. Allen Recherchen entsprechend gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß man diesem selbstloses Mäzenatentum unterstellen könnte.

Kommunikationsfähigkeit hat er auch nicht bewiesen, auch keinen Grund, der für einen Verkauf spräche.

Im übrigen finde ich, daß in diesem Hause ein bißchen wenig Dankbarkeit zu hören ist.

(Oh-Rufe bei der SPD – Dr. Martin Schmidt GAL: Sollen wir singen?)

Es ist ein wenig historische Dankbarkeit zu spüren, auch seitens des Senats. Man muß auch noch einmal daran denken, wie die Situation vor zehn oder elf Jahren war. Ich finde, die Leute, die die Rote Flora nutzen, haben damals den Senat von einem großen städteplanerischem Blödsinn abgehalten.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Möchtest du einen Or- den, das Bundesverdienstkreuz?)

Stellen Sie sich einmal vor, das wäre nicht passiert. Dann hätten wir dort heute ein riesiges Musical-Theater oder inzwischen eher eine riesige Bauruine.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Igitt!)

Wahrscheinlich wäre das Schanzenviertel ein noch viel gieriger aufgewertetes Viertel und würde nicht so aussehen, wie es heute aussieht. Sie loben es ja alle. Im übrigen finde ich, daß damals wie heute sehr spannende Beiträge aus dem Nutzerinnenkreis der Roten Fora auch zu der sozialen Stadtteilpolitik gekommen sind. Unter uns gesagt finde ich, daß die zum Teil sogar klüger sind als das, was wir uns hier gelegentlich erzählen.

Von daher sollte sich diese Dankbarkeit auch darin ausdrücken, daß man entspannt damit umgeht und einfach

das dort stattfinden läßt, was dort in den letzten Jahren Gutes stattgefunden hat.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Darin werden wir die Nutzerinnen auch weiterhin unterstützen. Diese Entspanntheit kann man auch wunderbar ohne einen Verkauf haben. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Senatorin Dr. Peschel-Gutzeit.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Ihnen zur Zustimmung vorgelegten Kaufvertrag, betreffend die Alte Flora, erhält der nunmehr fast zwölf Jahre währende Streit um dieses Anwesen einen entscheidenden Impuls zur Lösung dieses latenten Konfliktes.

(Ole von Beust CDU: Na, mal gucken!)

Vieles ist im Laufe dieser Jahre über die Alte Flora geschrieben und auch in diesem Hause gesagt worden. Um es noch einmal sehr deutlich zu sagen: Nicht alles davon war richtig.

So hat die hamburgische Polizei mit jedem Einsatz, den sie an diesem Ort durchgeführt hat, bewiesen, daß es auch an dieser Stelle keinen rechtsfreien Raum in dieser Stadt gibt. Alle anderen Behauptungen, lieber Herr von Beust, werden nicht richtiger dadurch, daß sie wiederholt werden. Sie sind einfach falsch.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Keinen Sinn macht es auch, immer wieder aus naheliegenden, aber dennoch sehr durchsichtigen politischen Gründen die sofortige Räumung dieses Gebäudes von angeblichen Besetzern zu fordern. Denn auch dafür bedarf es in einem Rechtsstaat zunächst einmal immer einer Rechtsgrundlage, die in diesem konkreten Fall durchaus zweifelhaft ist. Dabei ist schon allein die Behauptung, es handele sich um Besetzer, rechtlich höchst zweifelhaft und eher eine romantische Selbstüberschätzung der sogenannten Floristen. Denn niemand hat die Flora sozusagen im Handstreich besetzt. Vielmehr ist die Stadtteilkulturarbeit der Damen und Herren des Vereins Flora e.V., wie Sie wissen, nach dem Auslaufen ihres Mietvertrages im Jahre 1989 weiter geduldet worden. Dieser Zustand kann nur einen juristischen Laien – und dazu zählen wir natürlich den Herrn Oppositionsführer wirklich nicht – dazu veranlassen, zu glauben, eine sofortige Räumung des Gebäudes sei jederzeit möglich und anzuberaumen.