Protokoll der Sitzung vom 25.04.2001

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Dr. Stefan Schulz CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Rüdiger Schulz.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird in den nächsten fünf Monaten wahrscheinlich schwierig werden, hier irgendein Thema zu diskutieren, ohne daß im Hinterkopf aller Beteiligten der 23. September schwirrt. Das ist schlichtweg so, und dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden.

Es gibt zwei Gefahren. Die eine besteht darin, daß man mit Blick auf den 23. September unzulässig dramatisiert. Und die zweite Gefahr besteht eher für eine Regierungspartei, daß sie ein Problem etwas schöner redet, als es in der Realität tatsächlich besteht.

Ich möchte versuchen, letzteres nicht zu tun. Es ist unbestritten, daß es im Dorf Neuenfelde Sorgen und Ängste gibt. Die Erweiterung von EADS, die Verkehrsentwicklung und die Zukunft des Obstbaus müssen bei den Menschen, die dort zum Teil mit ihren Familien seit Jahrhunderten wohnen, Unsicherheit und Sorgen auslösen.

Hacki, du hast gerade noch, was die Dramatisierungstendenz anging, die Kurve gekriegt. Wir sind regelmäßig vor Ort und haben viele Mitglieder, die dort – einschließlich der Obstbauern – fest verwurzelt sind. Den Vergleich mit dem Wendland kannst du vielleicht aus politischen Gründen sehen, aber beide Themen sind wirklich nicht vergleichbar. Es

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

liegt daran, daß die Rolle, die du dem Senat beigemessen hast, so einfach nicht ist.

Zu dem Antrag selbst. Die Probleme hast du richtig benannt. Diese Trasse haben wir uns als Harburger nicht unbedingt gewünscht. Sie stellt selbstverständlich ein Problem dar. Die Fragen der Verlängerung der Landebahn, ob es in diesem Gebiet zwei Trassen geben soll oder wir mit einer auskommen, stellen auch ein Problem dar. Wenn nur eine Trasse gebraucht wird: Wie sind die zeitlichen Abläufe? Wie kann das miteinander verzahnt werden? Das sind berechtigte Fragen.

Gleichwohl zu glauben, daß der Senat bis zum 1. Juni diese Fragen beantworten kann, kann niemand – auch nicht die Gruppe REGENBOGEN – ernsthaft glauben. Die Frage der A 26 geistert seit 15 oder 20 Jahren durch die politische Diskussion. Je nachdem wie der Termin lautete, stand der Bau unmittelbar bevor, und dann war sie wieder fünf oder zehn Jahre nicht im Gespräch. Mein letzter Kenntnisstand ist, daß im Generalverkehrsplan viele Autobahnen oberste Priorität haben, aber nur ein Bruchstück des Geldes dafür zur Verfügung steht.

Sie können sich einmal fragen, wer in den letzten 20 Jahren jede Autobahn in Deutschland in diese Prioritätenliste hineingenommen, aber die Frage der Finanzierung völlig außen vor gelassen hat. Hier hätten Sie einiges abzuarbeiten, denn es waren von Ihnen aufgestellte Generalverkehrspläne.

Ich sehe die Fragen. Die Aufforderung, daß der Senat sich bis zum 1. Juni verbindlich erklären soll, ist allein aufgrund der Sachlage nicht erforderlich. Wir werden heute vom Senat mit Sicherheit eine Reihe von Zwischenantworten bekommen. Die Diskussion im Ausschuß ist völlig vernünftig und unabhängig vom Wahltermin. Dieses Thema wird auch jeden weiteren Ausschuß im nächsten und übernächsten Jahr weiter beschäftigen, und das auch zu Recht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Stefan Schulz.

Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU stimmt dem Antrag der Gruppe REGENBOGEN zu. Die Menschen in Neuenfelde haben ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihrem Dorf in Zukunft passiert. Darüber sind wir uns zum Glück einig. Die Probleme sind allen klar.

Wir sollten uns einmal ansehen, was hinter dem Antrag steckt. Er verlangt keine sofortige Lösung, sondern es geht darum, daß der Senat zunächst einmal sagen muß, was er überhaupt will.

Es kommen zwei Dinge zusammen: Einerseits im Verkehrsbereich das jahrzehntelange Nichtstun, andererseits die Unterstützung der Ansiedlung für den Bau des Großraumflugzeuges. Dabei ist das Verfahren meiner Meinung nach nicht optimal und unprofessionell gelaufen.

Vor dem Verwaltungsgericht hat der Hamburger Senat verloren, weil – wie man der Presse entnehmen kann – unter anderem die vom Senat vorgelegten Gutachten zum Teil schlicht unbrauchbar waren. Das war unprofessionell. Dies hätte der Senat erkennen müssen, denn es ist seine originäre Aufgabe. Der Senat hatte auch die Zeit, dieses Gutachten professionell vorzubereiten und gerichtsfest zu ma

chen. Er konnte dann noch nachbessern, so daß das OVG das Vorhaben noch um Haaresbreite genehmigte.

Das Verfahren macht auch den Eindruck der Unseriosität. Es erinnert mehr an die geheime Kabinettsdiplomatie des 18. Jahrhunderts.

(Dr. Roland Salchow CDU: Tja!)

In der Zeitung stand unwidersprochen, daß der Wirtschaftsbehörde schon seit 1998 bekannt sei, daß die Startbahn verlängert werden soll und es angeblich entsprechende Zusagen gibt. Der Öffentlichkeit wird davon natürlich nichts erzählt, sondern ihr wird im Sinne der „Salamitaktik“ zunächst gesagt, daß zunächst das Mühlenberger Loch zugeschüttet und dann weiter gesehen wird.

Das Verhalten des Senats sollte nicht davon geprägt werden, in einer solchen komplexen Angelegenheit auf die normative Kraft des Faktischen zu setzen und sich durchzuwurschteln: Wenn das eine kommt, kommt irgendwie das andere. Alle Argumente müssen im Rahmen eines Gesamtpaketes auf den Tisch, damit vernünftig entschieden werden kann.

Herr Senator Mirow, Sie haben auch als Stadtentwicklungssenator bei der Frage der HafenCity mit der Geheimhaltungspolitik Erfahrungen gesammelt. Dort wurden heimlich Grundstücke aufgekauft, die im Jahre 1997 zum Wahlkampfschlager wurden. Das sei Ihnen gegönnt. Mir geht es nicht um den Aufkauf brachliegender Gewerbegrundstücke, sondern um die Interessen eines seit tausend Jahren bestehenden Dorfes, in dem viele Menschen wohnen, die einen Anspruch auf Fairneß haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, eine derartige Industrieansiedlung, verbunden mit Verkehrsproblemen, ist natürlich konfliktreich. Da gibt es verschiedene Interessen: die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, der immer die Zustimmung der CDU hat, die Schaffung von Arbeitsplätzen, aber auch der Erhalt der Natur und der bäuerlichen Struktur. Es geht darum, daß in einer Demokratie derartige Konflikte offen auf den Tisch müssen und alle Daten und Fakten der Öffentlichkeit genannt werden, damit sie dann gegeneinander abgewogen und mit der Mehrheit entschieden werden können, und zwar unter Kenntnis der wahren Grundsätze und der Tatsachen, die stimmen, und keine Salamitaktik, die die Bürger und letztlich auch das Parlament irgendwann vor vollendete Tatsachen stellt.

Bei der Verkehrspolitik haben wir mit Senator Wagner als Bau- und Verkehrssenator das Paradebeispiel seines kraftvollen Wirkens für die Freie und Hansestadt Hamburg erlebt. Die Probleme, wie die Ortsumgehung Finkenwerder und die A 26, liegen nun seit Jahrzehnten bei Herrn Wagner auf dem Tisch, sogar vor seiner Haustür in Finkenwerder. Aber es passiert absolut nichts.

(Erhard Pumm SPD: Er schreitet ja immer die Strecke ab!)

Ja, aber seit 20 Jahren läuft er dort entlang, und es passiert nichts. Heute wird eine Trasse genannt, die die Lösung sein soll, die es objektiv aber nicht sein kann. Fakt ist: Wir brauchen als erstes die A 26.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Ja!)

Wir sind der Meinung, wir brauchen die A 26. Unstrittig ist, daß das eine Entlastung für Finkenwerder wird.

(Ingrid Cords SPD: Wer war denn damals Ver- kehrsminister in Bonn?)

(Rüdiger Schulz SPD)

Der historische Ablauf der Verkehrsminister in Bonn hat nichts damit zu tun, was Hamburg will; und darum geht es doch. Wir können das Geld doch auch nicht drucken.

(Beifall bei der CDU)

Die A 26, wenn sie kommt, verläuft auch auf hamburgischem Gebiet. Es ist Aufgabe des Senats zu sagen, was er will. Da ist es egal, wer gerade Verkehrssenator ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es gab zahlreiche Pläne, es wurde geredet und erörtert, und die CDU hat, wie so oft, eine vernünftige Alternative vorgelegt. Herr Reinert hat 1999 eine Trasse der A 26 vorgeschlagen, die sogar von den Obstbauernverbänden akzeptiert worden ist. Wenn wir jetzt von dieser Trasse eine Stichstraße nach Finkenwerder bauen würden, würden wir auch Herrn Dr. Schmidt einen Gefallen tun: Wir kämen mit einer Trasse aus und hätten die Probleme beseitigt.

Das brauchen wir heute nicht zu entscheiden. Es geht aber darum, daß diese Probleme in einem Gesamtpaket auf den Tisch müssen, nämlich die Erweiterung von Airbus und die Lösung beider Verkehrsprobleme. Genau daran hat es bisher gehapert. Heute habe ich aber etwas von Herrn Dr. Schmidt gelesen, daß nämlich nur eine Trasse gebaut würde und alles andere gewissermaßen nur über seine Leiche passiere. Das ist ja bedenkenswert.

(Dr. Holger Christier SPD: Was, seine Leiche?)

Mit dem Ausdruck der Entschuldigung war das sozusagen die Absicht, die ich bei der Äußerung von Herrn Dr. Schmidt hatte: Nur eine Trasse; etwas anderes würde seiner Meinung nach mit der GAL-Fraktion nicht zustimmungsfähig sein.

(Ingrid Cords SPD: Das ist der Unterschied, das ist ganz wichtig!)

Das, meine Damen und Herren, ist bedenkenswert. Nur eine Trasse, das ist auch unsere Meinung. Aber hier besteht doch die Gefahr, daß die Doppeltrasse dann trotzdem gebaut wird. Auch wenn Herr Dr. Schmidt nicht mehr Mitglied der Bürgerschaft ist und er hier Nachfolger hat, kann es doch sein, daß erst einmal eine Trasse gebaut wird und nach zehn Jahren dann wieder die goldenen Worte von Herrn Dr. Voscherau in aller Munde sind, nach dem Motto: Wenn die A 26 bis zur Landesgrenze fix und fertig ist, wird sie in Hamburg nicht an einem Jägerzaun enden. Es liegt auf der Hand, daß das wieder für eine Salamitaktik spricht.

Mein Namensvetter, Herr Schulz, hat ausgeführt, daß es Probleme gibt, ist klar, und daß der Senat sie bis zum 1. Juni 2001 auch nicht beantworten kann. Dann soll er es später machen. Aber die Verantwortung für die Zukunft von Neuenfelde und der weiteren Umgebung liegt beim Senat. Zu diesem Thema müssen alle Tatsachen auf den Tisch. Es ist schlicht abwegig und dummerhaftig, jetzt zu sagen, man wisse nicht, ob für die A 26 das Geld aus Berlin komme oder nicht. Darum geht es aber nicht, sondern darum, daß die Freie und Hansestadt sagen muß, was sie will: Wohin die Autobahn kommt, ob sie kommt, wo die Umgehung vorgesehen ist, wie die Erweiterung gedacht ist. Das muß in einem Gesamtpaket dargelegt werden. Darüber kann diskutiert und abgestimmt werden, aber diese ewige Salamitaktik ist unehrlich und unseriös. Deshalb unterstützen wir den Antrag der Gruppe REGENBOGEN. – Danke.

(Beifall bei der CDU und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf Antrag der GAL-Fraktion wird dieser Antrag der REGENBOGEN-Gruppe an den Ausschuß überwiesen, um den Effekt, den wir jetzt hier haben, zu verhindern, daß nämlich der Antrag von jeder Rednerin und jedem Redner für die eigenen Zwecke benutzt werden kann.

Ich glaube, daß eine Ausschußauseinandersetzung schon hilfreich ist, um vielleicht noch einmal die Sachlage insgesamt zu klären. Wenn man dem Debattenbeitrag des CDURedners folgt und dann dem Beitrag von Herrn Hackbusch, denkt man, es geht um zwei völlig unterschiedliche Angelegenheiten.

Der Kollege von der SPD, Herr Schulz, hat schon sehr deutlich gesagt, worum es tatsächlich geht, um die Entwicklung in Neuenfelde, die Zukunftsperspektive für die dort jetzt ansässigen Menschen. Ich stimme mit allen, die bisher darüber gesprochen haben, darin überein, daß das Bild, das sich im Moment in der Bürgerschaft hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung ergibt, ein Stückwerk darstellt. Ich gehe aber davon aus, daß sich dieses Bild beim Senat zur Zeit nicht anders stellt; das ist vielleicht das Problem. Solange aus interessierter Ecke immer wieder die Vision formuliert wird, es gebe eine Art Geheimplan des Senats, der eigentlich schon alles festgezurrt habe und genau wisse, wie es weitergehe, und daß dies unredlich sei, kommen wir nicht weiter. Wenn beispielsweise klar formuliert wird, es werde eine agrarstrukturelle Entwicklungsplanung geben oder eine Südtrasse in der gestern verabschiedeten Form, ohne daß es eine A 26 dazu gibt, solange die Vision im Raum steht, der Senat habe schon längst alles verabredet und werde alles anders machen, werden auch wir hier kein Einvernehmen erzielen. So, wie man bei der DASA-Debatte insgesamt sagen kann, es werde niemals 4000 neue Arbeitsplätze geben, kommen wir nicht weiter. Solange die Aussage immer nur angezweifelt wird – das kann man natürlich leicht tun –, daß die Arbeitsplätze abzählbar geschaffen werden oder die Straße tatsächlich gebaut ist oder die Entwicklungsplanung vorliegt, weiß ich nicht, wie wir weiter kommen. Wir werden dieses Thema nicht zu einer – jetzt sage ich auch dieses Wort – konkreten Vision, zu einer Planung für den Süderelberaum bis hin nach Neuenfelde entwickelt bekommen, wenn immer nach Belieben gesagt wird, man glaube dieses oder jenes nicht.