Protokoll der Sitzung vom 09.05.2001

In jedem Klassenzimmer wird eine Medienecke eingerichtet. Die steht da auch, das kann ich aus meiner kleinen HRSchule bestätigen. Viele Schulen sind inzwischen auch intranetmäßig auf dem Stand. Aber es gibt natürlich immer noch Situationen – das ist nicht unbedingt die Minderheit –, daß man nicht mit den Fortbildungen nachgekommen ist. Es gibt tatsächlich Kollegen, die fragen, ob es nicht reicht, wenn man ihnen zeigt, wie man den Computer anund wieder ausstellt, und wie das mit dem Schlüssel ist. Und das ist es dann. Da möchte ich die Aussage der Senatorin bestätigen, daß allein die Tatsache, daß ein Computer im Klassenzimmer steht, noch nicht den Unterricht verändert. Das ist genau der Punkt, an dem angesetzt werden muß. Ich möchte einige Beispiele zitieren, die deutlich machen, um was es eigentlich geht.

Es gab im „Spiegel“ den Leserbrief eines Elftkläßlers, der sich über die reformierte Oberstufe ausläßt und sagt:

„Gott sei Dank geht an mir ein Kelch vorüber, denn wieder einmal wird die Lösung der freilich vorhandenen Bildungsmisere in Deutschland auf einen Aspekt verengt: den Computer. Doch nur weil man einen gelangweilten Bildungszombie mit möglichst sinnentleerten englischen Begriffen bombardiert und vor einen Bildschirm setzt, verwandelt der sich nicht in einen aufgeklärten und heutzutage besonders wichtigen wettbewerbsfähigen Bürger. Durch den Computer mag man lernen, sein erworbenes Wissen zielgerichteter einzusetzen. Doch wem gelingt das nur? Doch nur wer vorgebildet genug ist, ihn sinnvoll einzusetzen, kann davon profitieren.“

Das ist genau die Frage, daß es nicht nur um diese reduzierte Benutzung geht.

Heute ist von Grietche Bettin, der medienpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen eine Studie vorgestellt worden, die sagt:

„Medienkompetenz umschreibt die grundlegende Fähigkeit, sich in einer von Medien geprägten Welt zurechtzufinden und entsprechend zu handeln. Der einzelne soll befähigt werden, Wirkungen und Ziele von Medien zu verstehen und aus dem Spektrum der Angebote bewußt auszuwählen, statt der Flut medialer Eindrücke passiv ausgesetzt zu sein.“

Zum Schluß erlaube ich mir, aus einem Thesenpapier meiner Kollegin Bettina Kähler zu zitieren, das ich hervorragend finde und was auch manchmal gut tut, wenn Schulmeister und -meisterinnen selbst im Umgang mit neuen Medien im Lernen begriffen sind. Aber dazu gehören eben nicht nur die Computer. Medienkompetenz bedeutet mehr. Ich möchte die zentralen Fragen noch einmal zitieren, mit denen Bettina Kähler sich besonders befaßt. Sie faßt zum Beispiel ein Problem an, das ich sehr interessant finde, nämlich die Frage der Entstehung einer Generationenkluft. Diejenigen, die wie ich ein bißchen älter sind, merken es ganz deutlich, daß wir versuchen, soziale Kompetenzen an eine Generation mit Computerkompetenzen zu vermitteln. Diese Kluft zu überwinden und in einen Dialog zu kommen, ist zum Beispiel eine Frage, mit der ich mich noch nicht intensiv genug beschäftigt habe, die aber für die Zukunft sehr wichtig ist. Sie warnt außerdem, nicht den Fehler zu begehen, sich auf die neue Technik zu fixieren und von ihr Heilserwartungen zu erhoffen. Computerkompetenz beschränkt sich nicht nur auf das Gerät, das ist mehrfach gesagt, es geht um soziale, ökonomische und andere Veränderungen, auf die wir vorbereiten müssen. Das muß Schule, und es ist eine gute Möglichkeit, es dort zu ma

chen. Es dürfen keine neuen Wissens- und Kompetenzklüfte entstehen und keine neue Eliten, weil die Zugänge nicht gesichert sind. Auch da hat Schule eine große Aufgabe, dieses auszugleichen, es muß also Zugänge in Schulen, aber auch in Bücherhallen und andere Einrichtungen geben.

Jetzt komme ich zurück auf meinen lieben Kollegen, der am liebsten überhaupt nicht mehr mit Computern anfangen würde, der zu Hause noch nicht einmal eine Schreibmaschine hat; das ist in unserem Metier keine Ausnahme. Es ist wichtig, auch eine Aufbruchsstimmung herzustellen, das heißt, Bildung und Schule dürfen sich nicht dagegen wehren. Ich will jetzt gar nicht die „Best-Practice-Beispiele“ nehmen. Die sind wunderbar, aber es gibt sie noch nicht in der Fläche. Wir müssen daran arbeiten, daß man sich nicht abwehrend und widerwillig daran begibt, sondern daß die Möglichkeiten der neuen Medien als vielfältig empfunden werden. Schule kann genau dies voranbringen. Daran werden wir in Zukunft und in der nächsten Legislatur mit aller Kraft arbeiten. – Danke.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Senatorin Pape.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will mich auf wenige Bemerkungen beschränken, weil der Inhalt unserer Senatsmitteilung schon ausreichend zur Sprache gekommen ist. Es ist deutlich geworden, daß der Erwerb von Medienkompetenz von allen hier vertretenen Fraktionen und Sprechern für außerordentlich wichtig gehalten wird und im Mittelpunkt steht.

Herr Beuß, wenn Sie beklagen, wir hätten zu spät angefangen, dann frage ich Sie: Warum haben wir eine Greencard-Diskussion in diesem Lande? Wir haben in diesem Land insgesamt alle zu spät angefangen. Das ist keine Entschuldigung, aber eine Feststellung.

(Beifall bei Farid Müller GAL)

In Hamburg sind wir aber keineswegs hintendran. Während andere Länder darum ringen, ihre Schulen ans Netz zu bekommen, sind in Hamburg Schulen seit dem vorigen Jahr am Netz. Woran messen Sie eigentlich Geschwindigkeit?

Alle fachlich wichtigen Auskunftsgeber bestätigen Hamburg eine Spitzenstellung. Die Internet-Zeitschrift „Tomorrow“ hat gesagt, Hamburg hat eine Spitzenstellung. Die „Wirtschaftswoche“ hat uns bestätigt, daß in Hamburg doppelt so viel Geld wie in dem nächst nachfolgenden Bundesland Baden-Württemberg für die Ausstattung der Schulen mit Computern ausgegeben wird. Wir sind im dritten Jahr eines Ausstattungsprogramms, das sich sehen lassen kann. Wir sind nicht am Ziel, aber wir sind auf einem sehr guten Wege. Andere Länder beneiden uns um die Position, die wir uns hier erarbeitet haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Entscheidend ist, daß Schülerinnen und Schüler Medienkompetenz erwerben. Dafür wird es allerdings einer großen Kraftanstrengung bedürfen. Wir sind auf didaktischem Neuland, was die Implementierung angeht. Es stellt sich die Frage, wie Schüler in der Schule Medienkompetenz erwerben und dort von den Lehrern entsprechend unterstützt werden können. Das ist bis heute ein didaktisches Neuland, das wir betreten. Deswegen freue ich mich dar

(Christa Goetsch GAL)

über, daß wir sagen können, es gibt in Hamburg in den Schulen bei der Lehrerschaft ein Rieseninteresse daran, dieses Neuland zu beschreiten, zu füllen und sich am Entwickeln von didaktischen Konzepten zu beteiligen. Das messe ich daran, daß wir im vergangenen Jahr ein erstes Medienforum gemacht haben. Da war der Stadtteil rund um das Institut für Lehrerfortbildung zugeparkt.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Die Aufmerksamkeit bei den Fraktionen ist unterschiedlich entwickelt.

Wir werden dieses Jahr ein zweites Medienforum machen können. Das wird wegen des großen Interesses in den Messehallen stattfinden. Wir haben über 40 Schulen, die dort ihre „Best-Practice-Beispiele“ zeigen werden. Es ist ein ermutigendes Zeichen. Wir investieren massiv in Fortbildung. Die Lehrer sind sehr begierig, ihre Kompetenzen auszuweiten. Das sind gute Zeichen. Wir sind auf einem guten Wege.

Schule hat heute die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig von ihrer Herkunft, Medienkompetenz erwerben können. Schule hat hier in großem Maße eine kompensatorische Aufgabe, der wir nachkommen, indem wir eine Ausstattung für alle Schulen sicherstellen, so daß Lehrerinnen und Lehrer in Zukunft Medienkompetenz für Schülerinnen und Schüler

herstellen können. Das ist für unsere Schülerinnen und Schüler ganz besonders wichtig. Hamburg ist eine große Medienmetropole. Wir eröffnen damit den Schülerinnen und Schülern hervorragende Berufs- und Zukunftschancen. Das ist gut für Hamburg, das ist gut für unsere Schülerinnen und Schüler, das ist eine gute Situation für alle. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Die Bürgerschaft soll Kenntnis nehmen. Das hat sie getan.

Den Fußballfreunden wünsche ich einen spannenden, Ihnen allen einen guten Abend. Die Sitzung ist geschlossen.