Protokoll der Sitzung vom 09.05.2001

und diese hohen finanziellen Forderungen sind unglaubwürdig. Vielleicht liegt bei der CDU mal die eine oder andere Million auf einem Konto; für den Bundeshaushalt gilt das jedoch nicht.

(Glocke)

In einem letzten Satz kann ich Ihnen sagen, daß Sie bei der Aufstellung der Kandidaten für die nächste Bürgerschaft gezeigt haben, daß sie nicht bereit sind, mehr als 20 Prozent Frauen und Müttern Platz in Ihrer Abgeordnetenschaft zu machen. Das zeigt auch, welchen Stellenwert Frauen für Sie haben. – Danke.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist bei weitem überschritten.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Pawlowski.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der letzte Satz war völlig überflüssig.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Aber wichtig!)

Das hatte nichts mit dem Thema zu tun. Weil Sie ja so frauenfördernd und so sehr für die Familien sind, gehe ich einmal dazu über, welche Politik Sie in Hamburg für die Frauen und Familien machen.

(Beifall bei der CDU)

Im vergangenen Jahr beschlossen Sie, 27 Millionen DM im Kita-Bereich einzusparen. Wenn wir an Frauen und Arbeit denken, sind Kitas, wie wir alle wissen, das erste wichtige Element, das wir brauchen. Darauf baut sich auf, daß die Frauen arbeiten können.

Dann kam die Kita-Card, die wir hinsichtlich der Flexibilisierung teilweise mit unterstützt und seit Jahren gefordert haben. Endlich haben Sie es auch begriffen und versuchen, es nun umzusetzen.

(Lachen bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Sehr richtig!)

Dann kam es bei der Kita-Card zur Erhöhung der Elternbeiträge. Darüber gibt es ein Gerichtsurteil, das weiß ich, aber es gibt kein anderes Bundesland, in dem die Eltern so viel Geld für die Unterbringung ihrer Kinder aufbringen müssen wie in Hamburg. Das können Sie nicht bestreiten.

(Beifall bei der CDU)

Das führte eindeutig dazu – das konnte man in der „Bild“-Zeitung verfolgen –,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Die lügt!)

daß Eltern sich verschuldet haben – es gab ein Eltern-Telefon, bei dem Sie sich die Wahrheit in Hamburg einmal hätten anhören können –, daß die Beiträge in den Bezirken über Monate nicht errechnet wurden und manche Leute bis zu 10 000 DM nachzahlen müssen, was sie nicht aufbringen können. Das ist die Realität, meine Damen und Herren;

(Beifall bei der CDU)

setzen Sie sich damit einmal auseinander. Somit hat sich auch für uns der Senat bezüglich der Kita-Card disqualifiziert.

Ferner nannten Sie das Stichwort Kindergeld; so weit so gut. Wir fordern Familiengeld nicht erst jetzt, sondern schon seit langer Zeit.

(Petra Brinkmann SPD: Seit 1998; ganz schön lange!)

Wir haben auch die 600 DM Erziehungsgeld ins Leben gerufen; nur zur Erinnerung, falls Sie ein so schwaches Gedächtnis haben.

Außerdem möchte ich Ihnen noch sagen, was eine echte Mogelpackung ist: In den Familienbeiträgen, die für die Kitas errechnet werden, wird das Kindergeld mit eingerechnet. Das heißt, Sie ziehen es auf der anderen Seite wieder heraus; das ist nachweisbar. Die 30 DM zu bekommen ist gut, es ist auch Geld, aber wie Sie es sich auf der anderen Seite wiederholen, ist den Eltern schon klar; ganz zu schweigen von den Ganztagsschulen, die nach den Kitas kommen – da fehlen genug – und ein nicht gewollter Ausbau des Pädagogischen Mittagstisches sind.

Ich finde es interessant, daß Sie hier eine innovative Familienpolitik verkaufen, die für mich aber genau die Politik „Frauen zurück an den Herd“ bedeutet. Dabei entsetzt es mich,

(Britta Ernst SPD)

(Lachen bei der SPD)

daß Sie dafür sorgen, daß Frauen ihre Kinder nicht mehr in die Kitas bringen oder sie abmelden, weil es für sie einfach nicht mehr lohnt, arbeiten zu gehen. Dafür kann ich Ihnen sehr viele Beispiele nennen. Wir tragen eine solche Politik „Frauen zurück an den Herd“ nicht mit. – Vielen Dank.

(Lachen bei der SPD – Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Steffen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich mich recht erinnere, war das Thema, das wir heute hier zu dieser Zeit diskutieren, die neue Balance für Familie und Arbeitswelt und nicht die Kita-Card; das noch mal zum letzten Beitrag.

Was heißt das, neue Balance zwischen Familie und Arbeitswelt? Was wollen wir erreichen? Das ist ein umfassendes Thema; Frau Ernst hat den Aspekt schon einmal unter frauenpolitischen Gesichtspunkten beleuchtet. Das, denke ich, läßt sich aber durchaus erweitern, weil das Thema damit nicht erschöpft ist. Neue Balance bedeutet für uns Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wahlmöglichkeiten für Elternteile inklusive – und das dann vorrangig – bestmöglicher Versorgung ihrer Kinder in der Kinderbetreuung als auch in Schulen. Dazu gehören dann natürlich auch Ganztagsschulen.

Was ist notwendig? Einerseits muß man dabei bedenken, daß wir im großen und ganzen nicht mehr die klassische Familie vor uns haben. Wie wir wissen, beträgt die Scheidungsrate in unserem Land 42 Prozent; dazu muß man nicht mehr viel sagen. Wir haben es also mit einem Großteil alleinerziehender Elternteile zu tun; immer noch mehr alleinerziehende Elternteile, die in anderen Partnerschaften leben, und immer noch mehr alleinerziehende Mütter als Väter, aber auch das ist zu berücksichtigen, wenn man an die Rahmenbedingungen heran will.

Welches sind die Rahmenbedingungen, um die wir uns kümmern müssen? Es sind die besseren Rahmenbedingungen für Familien, um auch eine bessere Balance herzustellen. Dazu gehört schon das Kindergeld, das auf 300 DM erhöht wird, und ab dem dritten Kind dann für jedes weitere 50 DM und mehr. Die Erhöhung um diese 30 DM wird kommen. Das kostet die Stadt Hamburg dann immerhin 30 Millionen DM. Das ist kein kleiner Betrag, wie ich meine, denn wir alle wissen, wie es um den Haushalt bestellt war und ist. Insofern ist das ein kräftiger Einsatz, den die Stadt leisten wird.

Es geht aber auch um steuerliche Erleichterungen. Es wird ein Fürsorgefreibetrag von 4200 DM beschlossen, die Erhöhung des Kinderfreibetrages, und außerdem können berufstätige Eltern – in diesem Zusammenhang ist dann auch die Förderung der Kinderbetreuung für Berufstätige zu sehen – bis zu 3000 DM steuerlich absetzen, wenn sie die Kosten nachweisen. Das war einerseits. Andererseits heißt die Balance von Familie und Arbeitswelt aber auch, daß wir uns diesem Thema einmal von einer anderen Seite nähern müssen. Das heißt beispielsweise Erziehungsarbeit anzuerkennen und Erziehungsarbeit, die in Familien geleistet wird, ernst zu nehmen.

Es gilt ferner zu berücksichtigen, daß es Menschen gibt, die sich bewußt dafür entschließen, nicht zu arbeiten und Erziehungsarbeit in der Familie zu leisten. Auch dieses

muß anerkannt werden. Das ist also etwas, bei dem es noch viel zu tun gibt.

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke: Verlogenes Pack! – Glocke)

Herr Abgeordneter Hackbusch, ich rufe Sie zur Ordnung.

(Beifall bei der Anja Hajduk GAL)

Ein weiterer Punkt ist, die Einkommensarmut von Familien mit Kindern zu verhindern. Dazu ist ein Kindergrundsicherungssystem angedacht, das von den Grünen im Bund verfolgt wird. Auch darüber gilt es sich Gedanken zu machen, denn Einkommensarmut ist eine strukturelle Größe, die eine schlechte Rahmenbedingung für Familienförderung und die Frage Balance zwischen Familie und Arbeitswelt betrifft.

Außerdem wären da noch die Angebote der Familienförderung zu verbessern. Das heißt doch, wenn ich Erziehungsarbeit ernst nehmen will, muß ich frühzeitig dafür sorgen, daß diejenigen, die erziehen wollen, auch erziehen können. Dazu wäre es vielleicht denkbar, anzuregen, auch den Begriff Erziehung in Schulfächern gezielter einzuführen. Zum Teil wird es im Unterricht bereits gemacht, aber dieses explizit auszuweiten und schon Jugendliche heranzuführen, was es heißt, Erziehungsverantwortung zu übernehmen, wenn sie später Familien gründen wollen, ist etwas, was Rahmenbedingungen für den gesellschaftlichen Wert von Familie verändern kann.

Ferner ist die Frage der Interessenlage von Familien, von Kindern und Eltern zu berücksichtigen – dazu kommen wir noch. Wie ist denn die Beteiligung bei Planungen und Entwicklungen? Dazu haben wir hier in der Bürgerschaft schon einmal eine Drucksache diskutiert. Wir haben auch festgestellt, daß der Senat schon viel, aber noch nicht überall Globalrichtlinien verabschiedet hat, die gerade die Belange von Kindern und Jugendlichen in allen Politikbereichen betreffend berücksichtigen sollen; anzudenken wäre doch aber so etwas wie eine Kinderfreundlichkeitsprüfung. Wir sollten uns diesem Thema noch einmal widmen,

(Glocke)

um das zu vertiefen.

Ich komme zum Schluß. Wenn wir uns dem Titel der heutigen Debatte widmen, eine bessere Balance zwischen Familie und Arbeitswelt herzustellen, gehört dazu einerseits die Möglichkeit, gute Rahmenbedingungen für Berufstätige und Frauen zu schaffen.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, ein so langer Schluß ist nicht zulässig. Sie sind schon eine halbe Minute über die Zeit.

Andererseits gehört dazu aber auch, daß gesellschaftliche Rahmenbedingungen ermöglicht werden, die Spaß machen, wenn man Familie hat.

(Beifall bei der GAL und der SPD)