Protokoll der Sitzung vom 09.05.2001

(Wolfgang Beuß CDU: So sind sie halt!)

Deshalb fordern wir als CDU-Fraktion den Senat auf, sich endlich seiner Vorbildfunktion, auch in der Ausbildung der IT-Berufe, bewußt zu werden und sich angemessen an der dualen Ausbildung zu beteiligen. Darüber hinaus hat der Senat in Hamburg ebenfalls Rahmenbedingungen zu schaffen, die es einer größeren Anzahl von Betrieben dieser Branchen ermöglicht, eine Ausbildung in diesen Beru

(Wolfgang Drews CDU)

fen anzubieten. Denn die Mitteilung führt zu Recht aus, daß die Berufsbilder beziehungsweise die Bedürfnisse der Firmen und der Ausbildungsberufe naturgemäß in dieser Branche nicht deckungsgleich sind.

Unsere Vorschläge zu diesem Thema liegen seit fast einem Jahr auf dem Tisch. Deswegen fordern wir Sie, auch angesichts der nicht gelösten und nicht beantworteten Fragen, zu einem gemeinsamen Handeln auf, zu einem Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes und vor allem damit auch zu einer Verbesserung der Situation des Ausbildungsstellenmarktes in Hamburg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Müller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Irgendwie glaubt man, wenn man die Reden von Herrn Drews und die vorherige von der SPD hört, daß wir hier zwei verschiedene Welten haben. Ich denke, es gibt nur eine in Hamburg, und die ist weit entfernt von dem, was Herr Drews hier geschildert hat.

(Beifall bei der GAL – Wolfgang Beuß CDU: Sie rücken das wieder zurecht!)

Meine Damen und Herren! Wir reden hier speziell über den IT-Bereich und Fachkräftemangel. Wir wissen alle, daß der Fachkräftemangel zur Zeit auch andere Branchen trifft. Wir haben uns hier mit einer Greencard-Debatte endlich einmal dem Thema angenähert, um das es bei dieser ganzen Fragestellung in Wirklichkeit geht, nämlich um die Einwanderung. Darauf komme ich später.

Die 174 Greencards – ob es nun zwei mehr oder zwei weniger sind, sei dahingestellt – sind sicherlich nicht im geringsten ausreichend, um das Problem, das die Hamburger Wirtschaft in diesem Bereich hat, zu lösen. Aber wenn wir von dem Bereich Aus- und Weiterbildung sprechen, dann kann man von einem sehr großen Erfolg reden, der schon innerhalb eines Jahres seit dem Berichtsersuchen auf den Weg gebracht wurde. Es wurde schon gesagt, daß die Auszubildendenanzahl erheblich erhöht wurde. Ich habe ganz andere Zahlen herausaddiert. Wir haben zur Zeit um die 1800 Auszubildende im IT-Bereich. Es waren vor einem Jahr wesentlich weniger. Es waren weit, weit unter 1000. Wir haben in dem Bereich circa 3000 Studierende. Allein wenn man diese Zahlen zusammenzieht, kommt man annähernd auf knapp 5000 Auszubildende, die in Zukunft diesen Fachkräftebedarf von 6000 Auszubildenden, der im Raum steht, zu einem großen Teil decken. Wir haben doch inzwischen auch gelernt, daß wir den Arbeitskräftemangel in Zukunft weder in Hamburg noch in ganz Deutschland aus eigenen Ressourcen decken können. Das ist, glaube ich, von allen akzeptiert. Die Union hat inzwischen selber Vorschläge für ein Einwanderungsgesetz ausgearbeitet und vorgelegt. Die Kommission des Bundestages wird in Kürze – im Juli – folgen. Uns allen ist klar, daß es hier nicht darum geht, die Greencard nachzubessern oder fortzuentwickeln, sondern daß es um grundsätzlich neue Fragen geht, wie man dieses Problem löst.

Ich bin aber – im Gegensatz zu Herrn Drews – guter Dinge, daß wir gerade in Hamburg bei der Vielzahl von Studiengängen – es sind 14 Studiengänge, zwölf Ausbildungsberufe und eine unzählige Anzahl von Weiterbildungsbereichen und -angeboten – auf einem guten Wege

sind, gerade in diesem Bereich in Deutschland führend zu werden, sowohl was das qualitative als auch das quantitative Angebot betrifft. Ich kann insofern die Kritik überhaupt nicht nachvollziehen. Daß die Stadt sicherlich noch ein bißchen mehr ausbilden kann, ist ohne Frage, Herr Drews. Aber das ist doch nicht der Kern, den wir hier besprechen, ob die Stadt nun die Ausbildungszahlen in diesem Bereich erhöht, sondern es geht um die Gesamtsicht, was in Hamburg los ist. Da kann man doch jetzt schon sagen, daß die Wirtschaft aufgewacht ist und mehr Ausbildungsplätze anbietet und daß sich in den Hochschulen einiges getan hat. Es sind einige Studiengänge dazugekommen, die vor einem Jahr noch gar nicht zur Debatte standen. Ich bin guter Dinge, daß wir auch im Weiterbildungsbereich, was angesprochen wurde, zu einer Koordinierung kommen, denn es sind unheimlich viele Weiterbildungsangebote. Wir wissen aber nicht, wieweit sie zusammenfassend – sozusagen spitz – auf die Nachfrage in der Wirtschaft reagieren. Da würde uns erst einmal ein Weiterbildungsbericht weiterhelfen. Dann müßte man gucken, wieweit man das noch koordiniert. Aber, Herr Drews, das sind alles Aufgaben, bei denen man sagen kann, da muß optimiert werden. Wir arbeiten immer daran. Rotgrün ist dabei, das zu optimieren, aber das sind doch nicht die wahren Probleme, vor denen wir vor einiger Zeit standen, und es ist auch nicht momentan das zentrale Problem in Hamburg.

Ich möchte abschließend sagen, daß wir in den letzten Wochen zum Teil die Frage der Ausbildung in der Film- und Fernsehwirtschaft diskutiert haben. Der Senat hat eine Studie vorgelegt, die auch in diesem Bereich die zukünftigen Wege beschreibt, nämlich die Einrichtung einer Akademie. Ich finde, das rundet das Ausbildungsangebot nicht nur im IT-, sondern auch im Medienbereich in Hamburg ab. Ich bin ganz sicher, daß wir neben einer Multimedia-Hochburg damit auch eine Ausbildungshochburg für diesen Bereich werden. Das einzige, was ich mir noch wünsche, ist, daß die Menschen, die wir in Hamburg ausbilden, auch in Hamburg einen Job finden und nicht nach München und Berlin gehen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD – Dr. Stefan Schulz CDU: Das geht aber nur bei einer CDU-Regierung!)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß, daß die Opposition immer die Aufgabe hat, kritische Fragen zu stellen, aber anhand dieses Berichtes sollten doch auch den Regierungsparteien ein paar kritische Fragen einfallen, die zunächst einmal notwendig sind, um dieses Thema zu diskutieren.

Zum einen fällt auf, daß ganz kräftig gesagt wird, daß im IT-Bereich 6000 Fachkräfte in dieser Stadt verzweifelt gesucht werden. Das sind die Aussagen der Unternehmen. Dann stellen wir in diesem Bericht fest, daß es insgesamt immerhin noch 650 Datenverarbeitungsfachleute gibt, die arbeitslos sind. Als Erklärung wird uns dann innerhalb dieser Drucksache serviert, daß man das nicht so genau wüßte, aber hinsichtlich der Altersstruktur habe die Studie des Arbeitsamtes ergeben, daß gut die Hälfte dieser arbeitslosen IT-Kräfte über 40 Jahre alt ist. Was soll uns das sagen? Die Hälfte der Erwerbstätigen ist über 40 Jahre alt. Dementsprechend ist es ein normaler Durchschnitt. Ich

(Wolfgang Drews CDU)

finde, daß dies als Erklärung für mich als über Vierzigjährigen eine ziemliche Frechheit ist.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ich denke, daß es durchaus vernünftig ist, ein paar kritische Fragen zu stellen, inwieweit diese 6000 Fachkräfte eigentlich wirklich eine realistische Zahl ist oder inwieweit dort nicht auch gerne mit irgendwelchen Zahlen jongliert wird nach dem Motto: Wir suchen Leute, die fertig studiert haben, phantastische Fachkräfte sind, mindestens 20 Jahre Berufserfahrung haben und nicht älter als 26 Jahre alt sind. Ich selber stamme aus solch einem Unternehmen und weiß, daß wir das auch immer gerne als Anforderung schreiben. Das zu dem einen Krisenbereich.

Der zweite Krisenbereich, der mir auffällt, ist der Universitätsbereich. Diese Universität fällt in gewisser Weise dadurch auf, daß es zwar eine Menge Studierende gibt, aber recht wenig Leute, die dort ihren Abschluß machen. Von 1700, 1800, 2000 vorhandenen Studenten machen hier 144 oder 120 den Abschluß. Das ist eine relativ geringe Zahl. Dementsprechend müßte uns doch normalerweise erklärt werden, wie dieses Problem eigentlich gelöst wird, denn es ist doch ein gewisses Problem. Es wird zwar in dieser Drucksache nicht richtig als Problem genannt, aber nur wenn man Probleme sieht, kann man sie auch angehen. Das wird aber lieber nicht gemacht, sondern immer gesagt, Hamburg ist deutsch, bunt, klug und sonstwas alles, und alles ist schön.

Dann wird in der Drucksache gesagt, daß eine hohe Zahl von Studierenden das Studium vielleicht nicht abschließt, sondern direkt irgendwelche Jobs annimmt. Das ist zu erwarten. Das habe ich mir so auch ungefähr gedacht. Dafür brauche ich keine Analyse zu machen. Das hätte ich auch so schreiben können, daß das ziemlich wahrscheinlich ist. Dementsprechend ist das auch eine Nichtaussage. Das ist ein Krisenbereich. Dazu müssen Sie sagen, warum diese Universität nicht in der Lage ist, dort mehr Leute auszubilden.

Der dritte Punkt, der einem auffällt, ist, daß ich zu diesem Bereich eine Anfrage von Herrn Erdem aus alten Zeiten gefunden habe, die eigentlich die gesamte Greencard-Diskussion ein bißchen auf den Kopf stellt. Das Problem ist, daß an dieser Universität und an diesem Fachbereich viele Personen und Menschen studieren, die nicht aus EU-Ländern kommen. Nach dem Gesetz, das in Deutschland existiert, dürfen diese während ihres Studiums noch nicht einmal normale Praktika an den deutschen Unternehmen machen, geschweige denn, daß sie, nachdem sie studiert haben, in Hamburg arbeiten könnten, was eigentlich doch nur vernünftig und klug wäre. Wir haben 200, 300 Menschen, die dort ausgebildet und danach wieder in ihre Länder, wahrscheinlich sogar mit Ihrer Hilfe, zurückgeschickt werden, und sind praktisch nicht in der Lage, das zu ändern.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ändert sich!)

Das ist eine Situation, wo man sagen muß, das ist doch verrückt. Wir haben diese Leute, die die Probleme lösen und hier arbeiten könnten. Das in einer solchen Drucksache mal zu sagen, daß das zu verändern ist – auch wenn der Senat das nicht gleich machen kann –, daß man dazu etwas machen sollte, daß diese Leute zumindest ihre Praktika in Deutschland machen könnten, wäre doch eine wichtige Aussage, damit in diese deutschtümelnde Arbeitsmarktpolitik etwas Bewegung kommt. Dagegen ist diese Greencard-Diskussion wirklich klein und niedlich, weil

Greencard-mäßig viel weniger Leute kommen, als praktisch Nicht-EU-Länder dort im Fachbereich studieren. Das zeigt, daß diese Sache, auch aus Wahlkampfzwecken, eine etwas aufgeblasene Nummer ist. Es ist notwendig, das so zu lösen, daß die Menschen, die hier studieren, Praktika machen können und hier arbeiten können. Dann wären wir einen wichtigen Schritt weiter. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Senator Dr. Mirow.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Haben Sie auch schon ein Praktikum ge- macht?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will einige wenige Bemerkungen zu Fragen und Hinweisen aus der Debatte machen und dann aus meiner Sicht eine zentrale zusätzliche Bemerkung im Hinblick auf das Thema machen.

Zunächst, Herr Drews, das sagt sich so leicht, da habe es in letzter Zeit aber auch Abwanderungen gegeben. Da hat es in letzter Zeit keine Abwanderungen gegeben. Jedenfalls keine, die in irgendeiner Weise bemerkenswert wären, sondern dies ist ein Bereich, in dem es in den letzten Jahren durchweg nur Zuwanderungen und Zuzug gegeben hat. Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, im Vorgriff auf die heutige Debatte einen Blick in das „Hamburger Abendblatt“ zu werfen, dann hätten Sie festgestellt, daß eine jüngste Umfrage wiederum zu dem Ergebnis gekommen ist, daß mit ganz großem Abstand Hamburg von den Verantwortlichen in den Unternehmen in Deutschland als führende Metropole auf dem Gebiet betrachtet wird.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GAL)

Das „Hamburger Abendblatt“ lesen Sie doch auch immer so gerne. Genauso gerne wie ich.

(Wolfgang Beuß CDU: Hamburg ist wieder Spitze! – Michael Fuchs CDU: Die Frage ist, ob es so bleibt!)

Ja, das ist immer die Frage, ob es so bleibt. Aber Herr Drews hatte die Bemerkung gemacht, was in den letzten Monaten passiert sei, und dazu darf ich ja etwas sagen.

Die zweite Bemerkung ist, daß Sie gebeten hatten, daß wir die Zahlen zum Thema Greencard in Hamburg präzisieren. Das kann ich gerne tun, weil es neue Zahlen gibt, und ihre Frage dahin gehend beantworten, daß wir per 4. Mai, also sehr aktuell, 244 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hamburg haben, die eine Greencard erhalten haben. Ich will hinzufügen, daß von diesen 244 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 111 aus Mittel- und Osteuropa kommen. Das, denke ich, ist deshalb ein wichtiger Hinweis, weil das deutlich macht, daß wir in Hamburg, wir in Deutschland insgesamt, aber vielleicht in Hamburg ganz besonders, mit Blick auf die anstehende Erweiterung der Europäischen Union, gerade bezogen auf die Arbeitsmarktentwicklung, auch erhebliche zusätzliche Chancen haben.

(Beifall bei Farid Müller GAL)

Drittens war danach gefragt worden, warum das mit den arbeitslosen Datenverarbeitungsfachleuten noch nicht besser geworden sei. Wenn Sie sich die Statistik auf der Seite 3 der Antwort ansehen, werden Sie feststellen, daß es deutlich besser geworden ist. Es hat einen Abbau der

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

A C

B D

arbeitslosen Datenverarbeitungsfachleute gegeben. Aber zu glauben, es wäre möglich, jeden, der Datenverarbeitung, sagen wir mal in den sechziger, siebziger Jahren oder auch in den frühen achtziger Jahren, gelernt hat, einzustellen und umzuschulen auf das, was heute gebraucht wird, der macht es sich, glaube ich, zu einfach. Man muß sich darum bemühen, aber in der Realität wird man eine hundertprozentige Erfolgsquote wohl leider nicht erzielen können.

Wichtig scheint mir festzuhalten, daß die Zahl der Ausbildungsstellen in dem Bereich innerhalb eines Jahres, nämlich bezogen auf den Ausbildungsjahrgang 01/02 im Verhältnis zu dem Ausbildungsjahrgang 00/01, in Hamburg von knapp 250 auf über 430 gestiegen ist, also um über 60 Prozent. Das kann sich sehen lassen. Wenn die öffentliche Hand einen relativ geringen oder einen sehr geringen Anteil daran hat, dann liegt das nicht zuletzt daran, daß die Ausbildungsaufwendungen in dem Bereich sehr, sehr hoch sind. Der öffentliche Dienst muß aber für Ausbildungen sorgen, die für seinen eigenen Bereich sinnvoll sind, und nicht in einer Zeit, in der wir an so vielen Ecken und Enden sparen müssen, Ausbildungen mit der abzusehenden Entwicklung bieten kann, daß die jungen Menschen dann sehr schnell aus dem öffentlichen Sektor in den privaten Sektor überwechseln. Trotzdem muß man sich mit der Thematik beschäftigen, ob man hier eigene zusätzliche Anstrengungen unternehmen kann.

Aber ich will zum Schluß eine Bemerkung machen, auf die es mir wirklich ankommt. Die jeweilige Opposition wird jeweils sagen – in Hamburg ist es immer dieselbe Opposition –,

(Heino Vahldieck CDU: Noch!)

warum habt ihr das in Hamburg nicht besser und schneller in den Griff bekommen?

(Zuruf von Antje Blumenthal CDU)